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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Fabrikgesetzgebung
nicht bei Nacht beschäftigt werden. Eine Verschär-
fung erfuhren diese Vorschriften durch die Verord-
nung vom 16. Juli 1854, die sanitäts- und sitten-
polizeiliche Fürsorge für jugendliche Arbeiter in
Fabriken betreffend; seit 1849 waren bereits ver-
schiedene Maßregeln zum Schutze der Arbeiter gegen
Gesundheitsbeschädignngen beim Gewerbebetriebe
angeordnet. - Im Königreich Sachsen begann
man 1849 mit Verboten des Trucksystems und
das Gewerbegesetz vom 15. Okt. 1861 enthielt eine
ganze Reihe von Bestimmungen für die Arbeit in
Fabriken. Als Fabriken wurden jedoch nur Unter-
nehmungen mit mehr als 20 Arbeitern angesehen.
- In gleichem Sinne faßte die Württember-
gische Gewerbeordnung vom 12. Febr. 1861 die
Fabrik auf und regelte in Art. 44-45 die Ver-
hältnisse der Fabrikarbeiter, in Art. 17-29 die
Verhältnise der Lehrlinge und Gehilfen. - Im
Großherzogtum Baden wurden durch die Mini-
sterialverordnung vom 4. März 1840, den Schnl-
unterricht der in Fabriken beschäftigten Kinder be-
treffend, einige Beschränkungen der Verwendung
von schulpflichtigen Kindern in Fabriken eingeführt;
das Gewerbegesetz von 1862 hielt diese Bestim-
mungen aufrecht, verpflichtete überdies in den
Art. 16 und 23 die Fabrikunternehmer, die Vetriebs-
stätten mit allen zur Schonnng der Arbeiter gegen
Gefahren für Leben und Gesundheit erforderlichen
Vorrichtungen zu versehen, Dienstordnungen auf-
zustellen und in den Arbeitsräumen anzuschlagen.
In den übrigen dentschen Staaten bestand
vor Einführung der norddeutschen Gewerbeordnung
von 1869 eine eigentliche F. nicht.
Eine einheitliche Regelung erfolgte zunächst für
den Norddeutschen Bund und dann für das Deut-
sche Reich (mit Ausnahme von Elsaß-Lothringen)
durch die Gewerbeordnung von 1869 und die Novelle
vom 17. Juli 1878; ferner durch das Gesetz über dic
Anfertigung und Versendung von Zündhölzern vom
13. Mar 1884. Durch Reichsgesetz vom 27. Febr.
1888 wurde die deutsche F. auch auf Elsaß-Lothrin-
gen ausgedehnt. Ein weiterer Ausbau der gesam-
ten Arbeiterschutzgesetzgebung begann mit dem Re-
gierungsantritt Kaiser Wilhelms II. Die kaiserl. Er-
sässe vom 4. Febr. 1890 waren die bedeutungsvollen
Vorläufer einer umfassenden, berechtigten Anforde-
rungen entsprechenden Reorganisation, die sich teil-
weise in dem Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni 1891
erfüllte. In Verbindung mit den Kranken-, Unfall-,
Invaliditäts-und Altersversicherungsgesetzen (s. Ar-
beiterversicherung) stellt diese Novelle zur Gewerbe-
ordnung von 1869, die umfassende Bestimmungen
für den Arbeitsvertrag in jeglicher Form getroffen
hat, Deutschland auf dem Gebiete der F. an die
erste Stelle, über die einzelnen Bestimmungen des
Gesetzes s. Dienstmiete, Bd. 5, S. 281 fg.
Eine eingreifende Neubildung hat die F. in Ö st er -
reich im Anschluß an die Reform der Gewerbeord-
nung von 1859 durch das Gesetz vom 8. März
1885 erfahren. Es ist hiernach auch für die erwach-
senen Arbeiter ein Maximalarbeitstag von 11 Ar-
beitsstunden (ohne Einrechnung der Pausen) grund-
sätzlich festgesetzt, allerdings mit dem Zugeständnis,
daß der Handelsminister im Einvernehmen mit dem
Minister des Innern und nach Anhörung der Han-
dels- und Gewerbekammern einzelnen Gewerbe-
kategorien wegen ihrer nachgewiesenen besondern
Bedürfnisse die Verlängerung der täglichen Arbeits-
zeit um eine Stunde im Verordnungswege gewäh-
ren kann, was sür die Spinnereien und vielc andere
Industriezweige bereits geschehen ist. An Sonn-
tagen soll alle gewerbliche Arbeit mit Ausnahme
der Reinigung und Instandhaltung der Lokale und
Werkvorrichtungen ruhen; doch können auch hier
von seiten des Handelsministers im Einvernehmen
mit den Ministern des Innern und des Kultus und
Unterrichts, soweit es aus erheblichen Gründen
nötig erscheint, Ausnahmen bewilligt werden. Kin-
der nnter 12 Jahren dürfen überhaupt nicht (also
auch im Kleingewerbe nicht) zu regelmäßigen ge-
werblichen Veschäftignngen verwendet werden, und
in fabrikmäßig betriebenen Gewerbeunternehmun-
gen können sie erst nach vollendetem 14. Jahre Be-
schäftigung erhalten. Jugendliche Hilfsarbeiter im
Alter von 14 bis vollen 16 Jahren dürfen nur zu
leichten, ihrer Gesundheit und Körperentwicklung
nicht schädlichen Arbeiten und nicht zur Nachtarbeit
(von 8 Uhr abends bis 5 Uhr morgens) verwendet
werden. Die letztere Bestimmung gilt allgemein
anch für Frauen. Indes können sowohl für diese
als auch für die jugendlichen Hilfsarbeiter durch
Ministerialverordnnng Ausnahmen gestattet wer-
den, jedoch so, daß im ganzen in 24 Stunden die
gesetzliche Arbeitsdauer nicht überschritten wird. In
gewissen Industriezweigen kann die Verwendung
von jugendlichen Arbeitern und Frauen ganz unter-
sagt werden. Wöchnerinnen dürfen erst 4 Wochen
nach der Niederkunft die Arbeit wieder aufnehmen.
Das Gesetz enthält auch nähere Vorschriften über
die Verteilung der Arbeitspausen und allgemeine
Bestimmungen für die Fabrik- und Arbeitsordnung.
Die Arbeiter müssen mit Arbeitsbüchern, die kauf-
männischen Gehilfen mit behördlich visierten Zeug-
nissen der frühern Dienstgeber versehen sein. Ein
Arbeiter, der ohne gesetzlich zulässigen Grund die
Arbeit verläßt, kann mit Geldstrafe bis zu 400 Gul-
den und mit Arrest bis zu 3 Monaten bestraft,
auch zwangsweise zurückgeführt werden, ^n betreff
der beim Bergbau beschäftigten jngendlichen Ar-
deiter und Frauen enthält das Geietz vom 21. Juni
1884 besondere Bestimmungen. Kinder von 12 bis
14 Jahren dürfen nur auf Ansuchen der Eltern,
unter besonderer Erlaubnis der Bergbehörde, zu
leichten Arbeiten über Tag, Frauen und Mädchen
! jeden Alters überhaupt nur über Tag beschäftigt
' werden. Die tägliche Schicht darf höchstens 12, die
wirkliche Arbeitszeit höchstens 10 Stunden betragen.
Die Sonntagsruhe soll von Sonntag früh 6 Uhr
volle 24 Stunden dauern, doch werden die un-
umgänglichen Ausnahmen gestattet.
Das 1. Nov. 1885 in Ungarn in Kraft ge-
tretene neue Gewerbegesetz hat mit dem österreichi-
schen keine Verwandtschaft. Es können sogar noch
Kinder von 10 bis 12 Jahren mit Bewilligung der
Gewerbebehörde in Fabriken verwendet werden.
Die Arbeitsdauer soll im Alter von 12 bis 14 Jah-
ren höchstens 10 Stunden täglich betragen. Zur
Nachtarbeit dürfen Arbeiter unter 16 Jahren nicht
verwendet werden. Hinsichtlich der Arbeitszeit der
erwachsenen Frauen und Männer enthält das Gesetz
keine Beschränkung.
In Frankreich wurde zuerst 1841 zum Schutze
der in Fabriken arbeitenden Kinder ein Gesetz er-
lassen, welches das Minimalalter derselben auf
8 Jahre festsetzte, für die Altersstufe von 8 bis 12
Jahren nur eine achtstündige Tagesarbeit und für
das Alter von 12 bis 16 Jahren höchstens eine
solche von 12 Stunden zwischen 5 Uhr morgens