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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gehör

von der Schleimhaut der Paukenhöhle gebildet ist. Nach innen vom Trommelfell liegt das mittlere Ohr oder die Pauken- oder Trommelhöhle (cavitas tympani, s. Fig. 1, 6; Taf. II, Fig. 3,4), eine im Felsenteil des Schläfenbeins ausgehöhlte, unregelmäßig-rundliche, mit Schleimhaut ausgekleidete und lufthaltige Höhle, welche die drei Gehörknöchelchen enthält und durch die Ohrtrompete mit der Rachenhöhle, sowie nach hinten mit den lufthaltigen Knochenzellen des Warzenfortsatzes (eines rundlichen Vorsprungs am Schläfenbein, s. Taf. I, Fig. 1, 13) zusammenhängt. An der innern Wand der Paukenhöhle, welche dem Trommelfell gegenüber liegt und die Paukenhöhle vom sog. Labyrinth trennt, befinden sich zwei kleine, von einer dünnen und zarten Membran geschlossene Öffnungen, das ovale und das runde Fenster. Das ovale Fenster oder Vorhofsfenster (fenestra ovalis) ist eine schräg liegende, nahezu bohnenförmige Öffnung, die zum Vorhof des Labyrinths führt und durch die Fußplatte des Steigbügels verschlossen wird, während das runde Fenster oder Schneckenfenster (fenestra rotunda), das unterhalb des ovalen gelegen ist, in die Paukentreppe der Schnecke leitet und durch eine zarte fibröse Haut völlig abgeschlossen ist. Zwischen den beiden Fenstern liegt ein unebener und rauher Knochenwulst, das sog. Vorgebirge oder Promontorium.

Von dem ovalen Fenster der innern Paukenhöhlenwand zieht sich nach dem Trommelfell eine Kette kleiner, durch einen zierlichen Band- und Muskelapparat beweglich miteinander verbundener Knöchelchen, die drei Gehörknöchelchen (ossicula auditus, s. Taf. II, Fig. 3, 6-8, und Taf. I, Fig. 3, 1-8), hin, durch welche die Schwingungen des Trommelfells auf das Labyrinthwasser übertragen werden. Das größte und äußerste von den Gehörknöchelchen ist der Hammer (malleus, s. Taf. I, Fig. 3, 1-3), welcher die Form einer Keule besitzt und mit seinem Stiel oder Handgriff fest mit dem Trommelfell verwachsen ist; durch seinen Kopf (Taf. II, Fig. 3, 6) ist er beweglich mit dem zweischenkligen Amboß (incus, s. Taf. II, Fig. 3, 7, und Taf. I, Fig. 3, 4-6) verbunden, der von der Gestalt eines zweiwurzeligen Backzahns ist und vermittelst seines langen Fortsatzes dergestalt mit dem Steigbügel (stapes, s. Taf. II, Fig. 3, 8, und Taf. I, Fig. 3, 5 u. 6), dem kleinsten der drei Gehörknöchelchen, artikuliert, daß der Fußtritt des letztern in das ovale, zum Vorhof des Labyrinths führende Fenster paßt. Die Kette der Gehörknöchelchen kann durch drei kleine quergestreifte Muskeln, die kleinsten im menschlichen Körper, bewegt werden; der Trommelfellspanner (musculus tensor tympani, s. Taf. II, Fig., 3, 12) verläuft von der Wand der Ohrtrompete quer durch die Paukenhöhle zum Hammerhandgriff und kann durch seine Zusammenziehung das Trommelfell nach auswärts ziehen und so eine Spannung des letztern veranlassen, wogegen der Erschlaffer des Trommelfells (musculus laxator tympani), der sich vom Keilbein durch die Glaserspalte nach dem langen Hammerfortsatz erstreckt, durch seine Kontraktion das Trommelfell erschlafft; der Steigbügelmuskel (musculus stapedius) endlich entspringt von einem kleinen spitzen Knochenvorsprung der hintern Paukenhöhlenwand, setzt sich mit einer dünnen Sehne an das Steigbügelköpfchen und kann den Steigbügel dergestalt nach hinten ziehen, daß der Fußtritt desselben tiefer in das Vorhofsfenster hineingedrückt wird. Zu dem Mittelohr gehört endlich noch die Ohrtrompete oder die Eustachische Röhre (tuba Eustachii, s. Taf. I, Fig. 1, 7, und Taf. II, Fig. 3, 5), ein etwa 4 cm langer, mit einer engen Öffnung in der Paukenhöhle beginnender, sich trichterförmig erweiternder und gegen die Rachenhöhle verlaufender Kanal, der aus einem knöchernen, der Paukenhöhle angehörigen, und einem knorplig-häutigen Teile besteht und mit einer länglichovalen wulstigen Öffnung an der Seitenwand des obersten Rachenraums unmittelbar hinter der hintern Rachenöffnung ausmündet. Durch die Ohrtrompete, deren Rachenöffnung für gewöhnlich geschlossen ist und nur bei Schlingbewegungen sich öffnet, können Luft und Schleim aus der Rachenhöhle in die Paukenhöhle und umgekehrt gelangen, was für den normalen Verlauf der Hörfunktion von Bedeutung ist.

Die innerste und wichtigste Abteilung des Gehörorgans, das Labyrinth (Taf. I, Fig. 1, 8-10, und Taf. II, Fig. 3, 9-11), besteht aus mehrern höchst merkwürdig gestalteten Hohlräumen und Gängen, die sämtlich miteinander in Verbindung stehen und, im innersten Teil des sehr festen Felsenbeins eingeschlossen, so schwer darstellbar sind, daß die an Hilfsmitteln und Untersuchungsmethoden armen Anatomen des Mittelalters sie mit dem Worte "Labyrinth" abfertigten. Man pflegt ein knöchernes und ein häutiges Labyrinth zu unterscheiden. Das knöcherne Labyrinth (Taf. I, Fig. 4) ist ein vollkommen geschlossener, ganz sonderbar geformter Hohlraum in der Felsenmasse der Schläfenbeinpyramide, der in drei untereinander in Verbindung stehende Hauptabteilungen, in den Vorhof, die drei Bogengänge und die Schnecke, zerfällt. Der Vorhof oder Vorsaal (vestibulum, Taf. I, Fig. 1, 8 und Fig. 4, 4, und Taf. II, Fig. 3, 9) bildet einen länglichen, etwa erbsengroßen Hohlraum in der Mitte des Labyrinths und liegt zwischen den Bogengängen und der Schnecke, als deren Vereinigungs- oder Ausgangspunkt er betrachtet werden kann. Nach außen grenzt er an die Paukenhöhle, von dieser nur durch eine dünne Knochenwand getrennt, in der sich das ovale und das runde Fenster befinden, und würde mit ihr in offener Verbindung stehen, wenn die Fußplatte des Steigbügels nicht das ovale Fenster verschlösse; nach innen grenzt er an den innern Gehörgang, worin der Gehörnerv liegt, nach vorn an die Schnecke, nach hinten an die Bogengänge, nach oben an den Fallopischen Kanal, worin der Gesichtsnerv verläuft. Im Vorhof bemerkt man zwei ungleiche, durch eine niedrige Knochenleiste voneinander getrennte Vertiefungen, welche die weiter unten zu beschreibenden Säckchen des häutigen Labyrinths in sich aufnehmen sowie mehrere größere und kleinere Öffnungen, welche die Verbindung mit den Bogengängen, der Schnecke und der Paukenhöhle herstellen und zum Teil für die eintretenden Gehörnervenfasern bestimmt sind. Die Schnecke (cochlea, Taf. I, Fig. 1, 10 und 4, 5, und Taf. II, Fig. 1, 1-5, 2,8 und 3, 11), die sich an die vordere Wand des Vorhofs anlegt, gleicht ganz und gar, als ein spiralförmig 2 1/2 mal aufgewundener Gang, dem Gehäuse einer Gartenschnecke, nur daß der Kanal der menschlichen Schnecke durch eine teils knöcherne, teils häutige Querscheidewand, die sog. Spiralplatte (Taf. I, Fig. 4, 6, und Taf. II, Fig. 1, 5 u. 6 und 4, 4 u. 5), in zwei übereinander liegende Gänge oder Treppen getrennt ist. Die obere engere und längere Treppe oder die Vorhofstreppe (scala vestibuli,