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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gehör

und Taf. II, Fig. 4,11), welche die Grundmembran überwölben und je aus einem innern aufsteigenden Pfeiler oder Steg und einem äußern absteigenden Pfeiler oder Saite bestehen. Die innern Pfeiler (f) sind glatte, schwach Sförmig gekrümmte Gebilde, die mit ihren Seitenwänden dicht aneinander liegen, von innen nach außen in die Höhe streben und oben durch eine Art Gelenkstück mit den äußern Pfeilern verbunden sind; die äußern Pfeiler (g) sind glatte cylinderförmige, an ihrem untern Ende verdickte Fäden, deren oberes Ende gelenkartig mit den obern Enden der innern Pfeiler in Verbindung stehen. Wahrscheinlich stellen die innern Pfeiler eine Art elastischen Stegs dar, zwischen deren obersten Enden und der Mitte der Grundmembran (k) die äußern Pfeiler wie Saiten ausgespannt und befestigt sind und auch wie solche schwingen, wenn die Grundmembran durch bestimmte Anstöße in regelmäßige Schwingungen versetzt wird. An die innern Pfeiler legen sich in einer einfachen Reihe die innern Hör- oder Haarzellen (d, e und Taf. II, Fig. 4, 10) an, kurze, cylinderförmige, mit je einer Nervenfaser in Verbindung stehende Zellen, deren freies Ende einen dichten Rasen langer borstenähnlicher Haare (Hörhaare) trägt, während ihr unteres Ende auf einer feinkörnigen Zellenschicht, der sog. Körnerschicht, aufruht, in welche die Nervenfasern des Schneckennerven einstrahlen. An die äußern Pfeiler der Cortischen Bogen lagern sich in vier oder fünf spiralig verlaufenden Parallelreihen die nach ähnlichem Typus gebauten äußern Hör- oder Haarzellen (h i und Taf. II, Fig. 4, 12) und an diese die cylindrischen Stützzellen. Solcher Cortischen Bogen giebt es ungefähr 3000 in jeder Schnecke des menschlichen Labyrinths, von der verschiedensten Länge und Dicke und in genau bestimmter gesetzmäßiger Anordnung; denn da die Spiralplatte infolge ihrer spiraligen Aufwindung sich von unten nach oben verschmälert, so müssen auch die äußern Cortischen Pfeiler von unten nach oben an Länge abnehmen und bilden so, wie die Saiten an der Harfe oder dem Klavier, gewissermaßen eine regelmäßig abgestufte Besaitung, die durch die allerverschiedenartigsten Schwingungen in Mitschwingungen versetzt wird und so die mit den Nervenenden verbundenen Haarzellen erregen kann. In dem Cortischen Organ der Schnecke enthält unser Gehörorgan einen nach Art der musikalischen Instrumente gebauten höchst komplizierten physik. Apparat von höchster Feinheit und Vollendung, dessen Vorhandensein uns erst durch die mühevollen und äußerst schwierigen Untersuchungen der drei letzten Jahrzehnte erschlossen worden ist. Das ganze Cortische Organ wird übrigens von einer feinen schleimigweichen Membran, der sog. Deckhaut oder Cortischen Membran (membrana tectoria, c und Taf. II, Fig. 4, 9) bedeckt und geschützt, die ihren Ursprung von der gezahnten Vorhofstreppenlippe (Huschkes Gehörzähne, d und Taf. II, Fig. 4, 3) nimmt, wie ein Schleier ganz frei auf der Netzhaut und den Härchen der Haarzellen des Cortischen Organs aufliegt und mit einem freien Rande in der Gegend der äußersten Haarzelle endigt. Die zahlreichen Nerven des Cortischen Organs stammen von dem Schneckennerven ab, der zunächst in die Spindel eintritt, sich von hier aus in den einzelnen Windungen der Spiralplatte verzweigt und mit seinen Endfasern in der Körnerschicht und der Umgebung der Haarzellen verbreitet.

Was die Physiologie des Hörens anlangt, so können im allgemeinen Schalleindrücke (Klänge, Töne und Geräusche) nur dann vernommen werden, wenn die dem Schall zu Grunde liegenden Schwingungen der Luft, des Wassers oder anderer elastischer Körper durch verschiedene Mittelglieder auf die Endapparate unsers Gehörnerven und durch diesen zum Gehirn fortgepflanzt werden. Bei den unter Wasser lebenden Wirbeltieren werden die Schallwellen, die sich im Wasser fortpflanzen, zum größten Teil zunächst auf die Kopfknochen übertragen und so direkt dem Labyrinthwasser zugeleitet, das dadurch in Mitschwingungen versetzt wird, während bei dem Menschen und den übrigen in der Luft lebenden Wirbeltieren die Schallwellen gewöhnlich nur durch die Vermittelung des Trommelfells und der Gehörknöchelchen auf das Labyrinthwasser übertragen werden; doch können auch bei ihnen unter gewissen Umständen Schallwellen direkt durch die Kopfknochen auf die akustischen Endorgane sich fortpflanzen. Dies ist namentlich der Fall, wenn der Schall von einem festen Körper auf die Kopfknochen übertragen wird, wenn man z. B. eine tickende Taschenuhr oder tönende Stimmgabel zwischen die Zähne nimmt oder an den knöchernen Gaumen bringt.

Das äußere Ohr nimmt die Schallwellen der Luft in großer Breite auf und wirft dieselben gegen die vordere Ohrecke, von wo sie in den Gehörgang gelangen; doch darf die Bedeutung der menschlichen Ohrmuschel für das Hören nicht überschätzt werden, da bei angeborenem Mangel oder bei erworbenem Verlust derselben die Feinheit des G. nicht eben merklich verringert ist. Der äußere Gehörgang dient als eigentliche Schallröhre, die, analog den Sprachrohren, die Schallwellen, wegen totaler Reflexion von den Wänden, ungeschwächt dem an seinem innern Ende ausgespannten Trommelfell zuleitet; die Verstopfung des äußern Gehörgangs durch angehäuftes Ohrenschmalz u. dgl. schwächt das Hören ganz beträchtlich. Die in den äußern Gehörgang gelangten und nach einmaliger oder wiederholter Reflexion auf das Trommelfell geworfenen Schallwellen rufen in dieser gespannten elastischen Membran analoge Schwingungen hervor, die nun ihrerseits wieder vermittelst der Gehörknöchelchenkette auf die mit dem Fußtritte des Steigbügels verwachsene Membran des ovalen Fensters übertragen werden und so im Labyrinthwasser eine Wellenbewegung erzeugen, welche die im Labyrinth eingeschlossenen akustischen Endapparate des Hörnerven mechanisch in Mitschwingungen versetzt und dadurch die Hörnervenfasern samt ihrem zugehörigen Hirnabschnitte direkt erregt. Hinsichtlich des Trommelfells und seiner Beteiligung an der Schallleitung verdienen zwei wichtige Thatsachen besonders hervorgehoben zu werden, einmal seine überaus innige Verbindung mit den Gehörknöchelchen, wodurch allen Schwingungen dieser Membran ein ziemlich erheblicher Widerstand entgegengesetzt und das selbständige Nachschwingen und Nachtönen derselben verhindert wird, und weiterhin das sog. Accommodationsvermögen des Trommelfells, indem es mit Hilfe seines Spannmuskels in verschiedenem Grade gespannt wird und sich dadurch den höhern und tiefern Tönen anpassen oder accomodieren kann.

Durch Zusammenziehung des Trommelfellspanners (musculus tensor tympani, s. S. 689a) wird der Hammergriff samt dem Trommelfell weiter nach

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