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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gervais - Gewinus
Gervais (fpr. schärrwäh), eine Art kleiner runder
franz. Käse ans süßem Rahm. ls. Arve.
Gervais (spr. schärrwäh), Saint, franz. Bad,
Gervais (spr. schärrwäh), Paul, franz. Natur-
forscher, geb. 26. Sept. 1810 in Paris, studierte da-
selbst Medizin und Naturwissenschaften und wurde
hierauf Gehilfe (aiäs-naturaii^) im ^aräiii ä68
I)l3.nt63 unter Blainville, 1846 Professor und Dekan
der naturwissenschaftlichen Fakultät in Montpellier,
1865 Professor an der Sorbonne in Paris und
1868 Professor der vergleichenden Anatomie am
^räw des Mnt68. Er starb 10. Febr. 1879. Von
seinen Schriften sind zu nennen: "Iiistoirs naturelle
ä68 in86ct68 apt6l68" (in Verbindung mit Walcke-
naer, 4 Bde., Par. 1836-47), "Zoologie 6t, paleon-
toi0Fi6 li-ai^lN8L8" (2. Aufl. mit Atlas, ebd. 1859),
"lli8toii'6 N^tUioilL (1^8 IU3.INMif01'68" (2 Bde., ebd.
1854-55), "/.0oIo3i0M6äic3.i6" (2 Bde., 1859),
"^oolo^is "t pÄl^cmwIoAiL F6n6la.l68') (mit vanBe-
ueden, 1867 fg.) und die paläontologifchen Werke
"1)6 1'3.nci6nn6t6 ä6 1'1l0inm6" (Montpellier 1865)
UNd "R6cQ61'c1i68 8Nr 1'HNci6NNLt6 66 1'1i0MIN6 6t
Ia I)6i'i()ll6 liuÄt6iuaii'6>> (Par. 1867).
Gervasius von Tilbury (an der Themse),
Schriftsteller des 12. Jahrh., angeblich Enkel Hein-
richs II. von England. In jüngern Jahren war er
Rechtslehrer in Bologna, 1177 in Venedig, lebte
später in Guyenne am Hofe des KönigsHeinrich, eines
Sohnes Heinrichs II. von England, und schrieb für
diesen eine Sammlung von jetzt verlorenen Anek-
doten ("leider tacetiai-uiu"). Nach Heinrichs Tode
1183 trat er in den Dienst dcs sicil. Königs Wil-
helm II. Später wandte er sich nach Burgund, hei-
ratete hier eine Verwandte des Erzbischofs Humbert
von Arles und kam zu hohem Ansehen. Kaiser
Otto IV. ernannte ihn zum Marschall im König-
reiche Arclat. Ihm widmete G. sein zum Teil schon
für Heinrich von England ausgearbeitetes, schließ-
lich "Kaiserliche Mußestunden" ("Otia imperi^ia")
betiteltes Hauptwerk, eine Sammlung geschichtlicher
und geogr. Nachrichten, aber auch von Sagen,
Märchen und Aberglauben zur Unterhaltung und
Belehrung des Kaisers und zwar mit der Tendenz, ihn
zur unbedingten Unterwerfnng uuter Innocenz III.
und zur Anerkennnng der obersten Gewalt des
Papstes auch im Weltlichen zu bewegen. Im Mittel-
alter viel gelesen, wurde das Wcrk bisher nur un-
genügend von Leibniz in den "8cripwi'68 rei-uin
^i'UQ8vicen8iuin", Bd. 1 (Hannov. 1707), heraus-
gegeben; Auszüge in den "Nouumeuta ttermaniae
in3toi-ica", 8ci-jptor68, Bd. 25 (Hannov. 1880).
Gervex (spr. schärrwäh ),^Henri, franz. Maler,
geb. 1848 zu Paris, war Schüler von Cabanel,
Fromentin und Vrisset. Zuerst erzielte er mit seiner
Bacchantin und Satyr (1874; im Museum des Lu-
rembourg) einen bedeutenden Erfolg, sodann malte
er Diana und Endymion (1875); doch ging seine Rich-
tung allmählich in einen schärfer ausgesprochenen
Realismus über, der ihn zum Anschluß an die
Schule der Impressionisten führte. Hervorragend
sind die Gemälde: Totenschau im Hospital (1876),
Erste Konnnunion in Sie. Trinite' in Paris (1877),
Eine Sitzung der Malerjury (1885), Vorlesung des
Doktor Pöan im Hospital St. Louis (1887); das
Gemälde: Die letzten Augenblicke Rollas, nach
Musset, wurde wegen seines unsittlichen Inhalts
1878 von der Weltausstellung ausgeschlossen. Ferner
malte er für eine Pariser Mairie die Bürgerliche
Trauung und den Kanal von La Billette (1882). Bei
der Ausschmückung des Hotel de Ville war er mit
dem Deckenbild "Musik" u. a. beteiligt.
Gervmus, Georg Gottfried, Geschichtschreiber,
geb. 20. Mai 1805 zu Darmstadt, besuchte anfangs
das dortige Gymnasinm, verließ dasselbe aber, des
Schulzwangs überdrüssig, nach der Konfirmation,
um als Lehrling erst in eine Buchhandlung zu Bonn,
bald darauf in ein kaufmännisches Geschäft seiner
Vaterstadt einzutreten. Hier beschäftigte er sich eifrig
mit den neuern Sprachen und Litteraturen und
wandte sich nach Beendigung seiner fünfjährigen
Lehrzeit ganz den Wissenschaften zu. Nach kurzer
Vorbereitung bezog er 1825 die Universität Gießen
und Ostern 1826 Heidelberg, wo er durch Schlosser
für die histor. Studien gewonnen wurde. Nach-
dem er seit 1828 zwei Jahre lang als Lehrer an
einer Erziehungsanstalt zu Frankfurt a. M. ge-
wirkt hatte, habilitierte er sich in Heidelberg mit der
Schrift "Geschichte der Angelsachsen im überblick"
(Franks. 1830), ohne jedoch Vorlesungen zu halten.
Er ging 1831 auf ein Jahr nach Italien, erhielt
1835 zu Heidelberg eine außerord. Professur und
wurde auf Dahlmanns Empfehlung als ord. Pro^
fessor der Geschichte und Litteratur nach Göttingen
berufen, wo er Ostern 1836 sein Amt antrat.
Als Mitunterzeichner der Protestation der sieben
Göttinger Professoren gegen die Aufhebung der
hannov. Verfassung wurde G. 14. Dez. 1837 seines
Amtes entsetzt und angewiesen, binnen drei Tagen
das Land zu verlassen. Nach seiner Vertreibung
lebte G. in Darmstadt, dann in Heidelberg; im Früh-
jahr 1838 machte er eine Reise nach Italien. Nach
der Rückkehr lebte er wieder in Heidelberg, wo er,
1844 zum Honorarprofessor ernannt, Vorlesungen
zu halten begann. Von Mathy, Mittermaier und
Häusser unterstützt, gründete G. im Juni 1847 die
"Deutsche Zeitung" in Heidelberg und schuf damit
ein ausgezeichnetes Organ für die eine bundesstaat-
liche Gestaltung Deutschlands erstrebende Partei.
G. redigierte das Blatt bis zum Aug. 1848. Von
den Hansestädten als Vertrauensmann zum Bun-
destage berufen und von einem Wahlbezirke der
preuß. Provinz Sachsen in die Nationalversamm-
lung gewählt, trat er, mit dem Gang der polit.
Verhandlungen nicht einverstanden, bereits im Aug.
1848 aus der Versammlung aus, und erst nach
einer mehrmonatigen Reise nach Italien nahm er
(1849) wieder lebhaften Anteil an den öffentlichen
Dingen, indem er in einer Reihe von meisterhaften,
in der "Deutschen Zeitung" erschienenen Aufsätzen
die deutsche Verfassungsfrage behandelte. G. lebte
seitdem litterarisch thätig in Heidelberg; verstimmt
über den Gang der polit. Ereignisse, starb er da-
selbst nach kurzer Krankheit 18. März 1871.
Sein erstes Hauptwerk, " Geschichte der poet. Na-
tionallitteratur der Dentschen" (5 Bde., Lpz. 1835
- 42), das in seiner vierten umgearbeiteten Auf-
lage den Titel "Gefchichte der deutfchcn Dichtnng"
(ebd. 1853; 5. Aufl., hg. von Vartsch, ebd. 1871-
74) erhielt, sucht zum erstenmal die deutsche Litte-
ratur in den engsten Zusammenhang mit der natio-
nalen Entwicklung, dem polit. Leben und den ge-
samten Kulturzusta'nden zu bringen. Einen Auszug
daraus lieferte G. in dem "Handbuch der Geschichte
der poet. Nationallittcratur" (4. Aufl., Lpz. 1849).
In seinen "Grundzügen der Historik" (ebd. 1837)
sncht er mit tiefer Sachkenntnis die Aufgabe des Ge-
schichtschreibers durch philos. Ergründung darzulegen
und historisch zu entwickeln. Seine Schrift "Über