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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gewerbesteuer
im besten Falle lassen sie den Rohertrag erkennen,
wobei aber in der Praxis sehr viele Ungenauigkeiten
und Ungleichheiten vorkommen, so daß man ge-
nötigt ist, die Steuer niedrig Zu halten.
Die bezeichneten Merkmale können zunäcbst zur
Ertragsermittelnng oder -Abschätzung im einzelnen
Hall dienen; alsdann liegt eine Gewerbeertrag^-
steuer vor. Oder man bildet bestimmte Klassen nacb
diesen Mnimcäen, so daß eine Gewerbetlassensteuer
entsteht. Die Klassen sind entweder Orts-, oder
Gattnngs- oder Vetriebsumfangsllassen. Weiter
kann man auch die Gewerbesteuerhauptsummcn sür
bestimmte Gebiete und Gewerbegruppen feststellen
und die Unterverteilung aus die einzelnen Steuer- >
Pflichtigen diesen selbst überlassen, zu welchem Zwecke
die letztern in ^teuergesellschasten zusannnengesaßt
werden (Preußen). Wird - wie in Vaden - nur
das Betriebskapital besteuert, so kann man von einer
G ewerbevermögen s st eu e r sprech en.
Will man nur das dem Steuerpflichtigen aus
dem Gewerbe zufließende Einkommen besteuern, so
ist die G. besser mit der Einkommensteuer (s. d.)
zu verschmelzen. In dieser Weise ist die G. in
England geregelt; nur für bestimmte Gewerbe be-
steht ein anderes System, da hier feste, allenthalben
gleiche Sätze als Licenzen zu zahlen sind. In
Frankreich besteht zur Zeit ein di-oit Kx6, das
sich nach der Ortsklasse und der Gewerbeklasse ricb-
tet, und ein neben diesem erbobenes cli-oit zn-opoi'-
tionnkl, das von dem Mietwert der Wohnung und
Geschäftsräume des Steuerpflichtigen abhängt und
von V2 bis 10 Proz. steigt. Da in Frankreich keine
Einkommensteuer besteht, so ist die G. dort sehr an-
gespannt und bringt nach dem Voranschlag für
1894 122,6 Mill. Frs. ein. Österreich hat für die
Erwerbsteuer vier Hauptklassen nach der Beschäf-
tigung, wozu noch weitere Specialgattungs-, Be-
triebvumfangs- und Ortsklassen hinzutreten; die
Veranlagung erfolgt durch die Steuerverwaltung
unter gutachtlicher Mitwirkung der Gemeindever-
waltung. Der Ertrag ist für 1891 in Österreich auf
11,7 Mlll. Fl., in Ungarn auf 19,2 Mill. Fl. ver-
anschlagt. Bayern, Hessen und Elsaß-^otb-
ringen (welches auch 'Arzte, Apotheker, Architekten
u. s. w. zur G. heranzieht) unterscheiden eine feste
und eine bewegliche Abgabe. Die Veranlagung
zur festen Abgabe erfolgt nach einem gesetzlich fest-
gestellten, die Gewerbe namentlich aufführenden
Tarif. Der Tarif ist in Bayern in 4, in Hessen in 3,
in Elsaß-Lothringen in 8 Ort^ilassen geteilt und
bestimmt innerhalb der Ortsklassen für die in Grup-
pen (Bayern) bez. Klassen (Hessen, Elsaß-Lothringen)
zusammengefaßten Gewerbe den festen Steuerbe-
trag. Zu der beweglichen Abgabe veranlagt Bayern
nach der Zahl der Gehilfen, der Menge des Ver-
brauchs und der Erzeugnisse und nach der Größe
des Betriebskapitals auf Grund der Erklärung der
Steuerpflichtigen mit nachträglicher Prüfung der-
selben und event, besonderer Einschätzung. Hessen
schätzt die Betriebe zur beweglichen Abgabe teils
nach der Zahl der Gehilfen, teils nach diefer und
dem Mietwert des Gewerbelokals ein. In Elsaß-
Lotbringen, wo ebenfalls die Einschätzung besteht,
ist die Veranlagung zur beweglichen Abgabe von
dem Mietwert der Wohnung und gewerblichen Ge-
bäude abhängig. Die Steuersätze sind zu verschie-
den, als daß sie hier angegeben werden könnten.
In Bayern hat der Tarif, der 141 Gcwerbegruppeu
(darunter 49 mit je vier festen Sätzen) umfaßt, allein
288 verschiedene feste Sätze, wozu noch die beweg-
lichen Abgaben kommen. Der Ertrag war in Bayern
nach dem Voranschlage für 1893 6508000 M.
Württemberg stellt auf Grund von Erklärun-
gen der Steuerpflichtigen (mit nachträglicher Prü-
s'ung und event, defonderer Einschätzung) auf Grund
von Klassentafeln je nach der Größe des Betriebs-
kapitals, der Betriebsweise und der Zahl und Gat-
tung der Gehilfen das persönliche Arbeitsverdienst
fest. Von diesem wird ein bis acht Zehntel bei einem
Verdienst bis zu 3400 M. und im übrigen der volle
Betrag unter Hinzurechnung des nach dem landes-
üblichen Zinsfuß berechneten Ertrags des Betriebs-
kapitals als "Steuerkapital" angenommen, von dem
zur Zeit 3,;" Proz. erhoben werden. Der Ertrag war
für 189293 auf 2600500M. (brutto) veranschlagt.
Baden veranlagt auf Grund der Erklärung des
Steuerpflichtigen (mit nachträglicher Prüfung und
event, besonderer Einschätzung) das Betriebskapital,
das zugleich als Steuerkapital gilt und von dem
zur Zeit 18,5. Pf. von je 100 M. erhoben werden.
In Sachsen wurden die bisherigen Gewerbe-
und Personalsteuern durch die Gesetze vom 22. Dez.
1874, 2. u. 3. Juli 1878 aufgehoben und an ihre
Stelle trat das allgemeine Einkommensteuergesetz.
Preußen bildete früher 11 Steuergruppen;
die Mittel- und Kleinbetriebe wurden nach vier
Ortschaftsklassen, die Großbetriebe nach der gewerb-
licben Entwicklung der Regierungsbezirke abgestuft.
Mit Ausnahme der in vierfacher Ortschaftsabstu-
fuug besonders eingesteuerten Handwerker und ge-
ringsten Handelsgeschäfte wurden die Steuerpflich-
tigen zu Steuergesellschaften vereinigt, die eine
nach einem Mittelsatz bestimmte Summe unter sich
nach vorgeschriebenen Abstufungen zu verteilen hat-
ten. Der Ertrag dieser Steuer war für 1890/91
auf 18,5 Mill. M. veranschlagt. Durch Gesetz vom
24. Juni 1891 ist die G. in Preußen neu geregelt
worden. Das Gesetz behält die Besteuerung nach
Mittelsätzen und das System der Steuergesellschaf-
ten sür die drei untersten Klassen bei, nämlich:
1) Klasse IV. Ertrag von 1500 bis 4000 M. jähr-
lich oder Anlage- und Betriebskapital von 3000 bis
30000 M.; 2) Klasse 111. Jahresertrag von 4000
bis 20000 M. oder Anlage- und Betriebskapital
von 30000 bis 150000 M.; 3) Klasse II. Jahres-
ertrag von 20000 bis 50000 M. oder Anlage-und
Betriebskapital von 150000 bis 1 Mill. M. Die
Mittelsätze sind in Klasse II 300 M., Klasse III
80 M., Klasse IV 16 M.; die bei der Steuervertei-
luug zulässigen geringsten und höchsten Sätze be-
tragen in Klasse II 156 - 480 M., Klasse III 32
-192 M., Klasse IV 4-36 M. Die Steuersätze
steigen bis zu 40 M. um je 4 M., von da bis zu
96 M. um je 8 M., weiter bis 192 M. um je 12 M.
und weiter dis zu 480 M. um je 36 M. Die Ver-
anlagungsbezirke sind für Klasse III und IV die
kreise, für blasse II die Regierungsbezirke. Die An-
gehörigen dieser Klassen wählen ihre Abgeordneten
zur Verteilung des Kontingents.
Klasse 1 umfaßt Betriebe mit einem Ertrag von
mehr als 50000 M. oder mit einem Anlage- oder
Betriebskapital von mehr als 1 Mill. M. Hier
wird die Steuer nicht nach Mittelsätzen, sondern für
jeden einzelnen Vetrieo auf 1 Proz. des Jahres-
crtrags festgestellt, und zwar derart, daß bei einem
Ertrage von 50000 dis 54800 (ausschließlich) 524 M.
Steuer und für jede weitere 4800 M. Ertrag 48 M.
Steuer mehr zu entrichten sind. Die Veranlagungs-