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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Griechenland (Geschichte 404–338 v. Chr.)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Griechenland (Geschichte)'

unter dem Vorwande der Gotteslästerung verbannt worden. Racheerfüllt wandte er sich nach Sparta und bewog dieses 413 zu einem neuen Feldzuge gegen Athen sowie zur dauernden Besetzung von Dekelea. Der bald darauf im Frühling 412 erfolgte Abfall seiner mächtigsten Bundesgenossen in Ionien nötigte Athen abermals zu einer erschöpfenden Zersplitterung seiner Kräfte, während Sparta durch ein Bündnis (412) mit Tissaphernes, dem pers. Satrapen in Sardes, seine materielle Überlegenheit erweiterte. Zwar kämpften die Athener von Samos aus nicht ohne glücklichen Erfolg gegen die Abgefallenen und gewannen durch die Aussicht auf die Rückkehr des Alcibiades, der sich, nachdem er in Sparta sich mißliebig gemacht, (im Okt. 412) zu Tissaphernes geflüchtet hatte, neue Hoffnung. Trotz der Niederlage bei Eretria und des Abfalls von Euböa erhob sich die sinkende Kraft Athens nochmals zu unerwarteter Höhe nach Unterdrückung einer oligarchischen Verschwörung und Herstellung einer gemäßigten Demokratie (im Juni 411). Drei glänzende Seesiege der Athener im Hellespont beim Vorgebirge Kynossema und bei Abydos unter Alcibiades, der inzwischen zurückgerufen worden war, und bei Kyzikos (411–410), welche die Wiedereroberung von Byzantion und Chalcedon und anderer Städte zur Folge hatten, ließen für Athen eine siegreiche Entscheidung hoffen, als durch das Mißtrauen der Athener und nachdem der athen. Unterbefehlshaber Antiochus bei Notion unweit Ephesus durch den spartan. Feldherrn Lysander geschlagen wurde, Alcibiades im Sommer 407 des Oberbefehls entsetzt wurde. An seine Stelle traten nun zehn Strategen, Konon an der Spitze. Noch einmal siegten die Athener in der mörderischen Seeschlacht bei den Arginusischen Inseln (406); aber kaum hatte des Kallikratidas Tod den Lysander wieder an die Spitze der peloponnes. Seemacht gebracht, als die furchtbare Niederlage bei Ägospotamoi im Aug. 405 Athens letzte Hoffnungen vereitelte. Jetzt wurde es von Lysander aller seiner Bundesgenossen beraubt, dann durch die Peloponnesier zu Lande und zu Wasser belagert. Von der eigenen Oligarchie (Theramenes und seinen Genossen) verraten, mußte Athen im April 404 sich nach zähem Widerstände ergeben. Lysander ließ die Mauern der Stadt und die sog. Langen Mauern, die sie mit den Befestigungen der Hafenstadt verbanden, niederreißen; alle Schiffe, bis auf zwölf, wurden dem Sieger übergeben. Athen mußte in die Bundesgenossenschaft Spartas eintreten und wurde nun durch die Oligarchie der sog. «Dreißig» regiert, die eine dauernde Besetzung der Akropolis durch die Spartaner zu ihrem Schutze sich erbaten.

4) Vom Peloponnesischen Kriege bis zur Schlacht bei Chäronea (404–338 v. Chr.). Den Hauptinhalt dieses Zeitraums bildet die allmähliche Auflösung und der Verbrauch der griech. Volkskraft in den unaufhörlichen Kämpfen um die Vorherrschaft. Spartas Hegemonie wurde nicht allein für die neuerdings Unterworfenen höchst drückend, sondern verführte auch die Spartaner zu einem übermütigen Auftreten selbst gegen die alten Verbündeten. Die zum Teil blutige Einführung der Oligarchie in allen griech. Staaten durch Lysander brachte wiederholt Bewegungen hervor, welchen Sparta selbst auf der Höhe seiner Macht nicht immer gewachsen war. Zunächst stürzten athen. Ausgewanderte von der demokratischen Partei unter ↔ des Thrasybulus Führung 403 die Schreckensherrschaft der Dreißig Tyrannen in Athen und stellten unter Erlaß einer allgemeinen Amnestie die Demokratie wieder her. Die Erneuerung des Kampfes gegen Persien, zu welcher sich Sparta durch die Bitten der von Tissaphernes bedrängten griech. Städte Kleinasiens (399) genötigt sah, veranlaßt mehrere bedeutendere griech. Staaten: Athen, Theben, Korinth und Argos, (395) zu offener Feindschaft gegen Sparta. Grenzstreitigkeiten zwischen den opuntischen Lokrern und den Phokern wurden von den Thebanern benutzt, als Bundesgenossen der erstern offen gegen Sparta aufzutreten, welches den Phokern Hilfsvölker schickte. Was den Spartanern durch die Schlacht bei Haliartus, in welcher Lysander fiel (395), und den Seesieg der Perser unter Konon bei Knidos (394) verloren ging, wurde durch des aus Asien herbeigeeilten Agesilaus Sieg bei Koronea (im Aug. 394) nicht entfernt aufgewogen. Alle Seestädte fielen von ihnen ab. Weitern Nachteil brachte den Spartanern Konons Entschlossenheit, der die Cykladen und Kythera an Athen fesselte, 393 in Attika landete und mit pers. Gelde die Langen Mauern seiner Vaterstadt wiederherstellte. Der Krieg, dessen Mittelpunkt nun Korinth (s. d.) wurde (daher gewöhnlich der Korinthische Krieg genannt), zog sich mit wechselnden Erfolgen der Spartaner und der Verbündeten hin bis 387, in welchem die Spartaner durch ihren Gesandten Antalcidas sich mit Persien verständigten und den Perserkönig veranlaßten, den griech. Staaten den Frieden zu diktieren. (S. Antalcidischer Friede.) Die Art aber, wie Sparta die ihm durch den Frieden zuerkannte Gewalt mißbrauchte, namentlich die Unterwerfung und Zerstörung Mantineas (384), der Zug nach Thrazien, um Olynths Macht zu brechen (383), die verräterische Einnahme der theban. Burg Kadmeia durch den Spartaner Phöbidas (383) und die 379 erfolgte Unterwerfung des demokratischen Phlius ließen in ganz G. die neue Machtstellung der Spartaner nur noch drückender empfinden.

Da wurde noch zu Ende 379 die Vertreibung der Spartaner aus der Kadmeia durch mehrere nach Theben zurückgekehrte Demokraten unter Pelopidas das Zeichen zum Aufstande gegen Sparta. Vorzüglich durch die Seemacht der Athener und deren neugebildete Symmachie (seit 378–377) unterstützt, zeigte Theben gleich anfangs eine unerwartete militär. Tüchtigkeit, die wahrhaft großartig sich bewährte, als die übrigen griech. Gegner 371 mit Sparta Frieden schlossen. Die Schlacht bei Leuktra, in welcher die Thebaner unter Epaminondas’ Führung die Spartaner aufs Haupt schlugen (6. Juli 371), die Wiederherstellung des von den Spartanern als Stadtgemeinde aufgelösten Mantinea, die Gründung von Megalopolis als Mittelpunkt eines arkad. Einheitsstaates, die Wiederherstellung der Unabhängigkeit von Messenien (369), endlich die siegreiche Schlacht bei Mantinea (362) waren die Glanzpunkte in der kurzen Zeit, wo das auch nordwärts bis nach Pella mächtige Theben die Hegemonie G.s führte. Der Schlacht bei Mantinea, wo Epaminondas fiel, folgte der Abschluß eines allgemeinen Friedens; nur Sparta weigerte sich, demselben auch formell beizutreten, weil es die Unabhängigkeit Messeniens nicht anerkennen wollte. Athen erlitt bald nachher durch den sog. Bundesgenossenkrieg (s. d.) einen schweren Stoß. Schweres

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 326.