Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Griechenland (Geschichte)'
anbieten und zugleich sofortigen Waffenstillstand verlangen, nötigenfalls erzwingen würden. Infolge dessen erteilten die drei Mächte den
Admiralen ihrer im Mittelmeer stationierten Flotten den Befehl, sich in die griech. Gewässer zu begeben, jeder Truppensendung aus
Ägypten nach G. sich zu widersetzen, Feindseligkeiten jedoch nur dann zu beginnen, wenn die Türken den Durchgang erzwingen wollten.
Der engl. Admiral Codrington (s. d.) übernahm als Rangältester den Oberbefehl, und durch eine eigentümliche
Verkettung der Umstände kam es 20. Okt. 1827 zur Schlacht von Navarino, in der die türk.-ägypt. Flotte vernichtet wurde. Die zweideutige
Art, mit der die vermittelnden Mächte dieses «leidige Ereignis» betrachteten, bewirkte jedoch, daß die Pforte sogleich wieder ihre
Forderungen erhöhte und insbesondere die Unterwerfung der Moreoten verlangte. Da die Gesandten der drei Mächte nicht darauf
eingingen, wurden sie in einen so heftigen Streit mit der Pforte verwickelt, daß sie Konstantinopel 8. Dez. 1827 verließen. In G. selbst
ermutigte der Sieg von Navarino das Volk. Am 18. Jan. 1828 kam der lange erwartete Graf Kapodistrias in Nauplia an, in dessen Hände
die Regierungskommission zu Ägina die ausübende Gewalt niederlegte. Jetzt galt es, die innere Organisation des jungen Staates und
seine äußere polit. Stellung auf einen festen Fuß zu bringen. Das letztere hatte seine großen Schwierigkeiten, da für G.s Schicksal das
Ergebnis des Russisch-Türkischen Krieges (s. d.), der
28. April 1828 ausgebrochen war, von ausschlaggebender Bedeutung werden mußte.
Zunächst gelang es jedoch Kapodistrias, den fortwährenden innern Kämpfen für den Augenblick ein Ende zu machen. Er umgab sich mit
einem Staatsrat (Panhellenion) von 27 Mitgliedern und begann die Militär- und Civilverwaltung des Landes zu organisieren. Der Krieg ward
jetzt beendigt; ein Feldzug Churchs im westlichen G. hatte Mai 1829 die Wiedereinnahme von Mesolongion zur Folge. Schon vorher hatte
ein franz. Pacifikationskorps von 14000 Mann unter General Maison, das nach einem Beschluß der Londoner Konferenz abgeschickt und
29. Aug. 1828 auf Morea gelandet war, Ibrahim Pascha zur Räumung der Halbinsel (Okt. 1828) gezwungen, und auch die letzten türk.
Festungsgarnisonen mußten abziehen. Die Mächte nahmen Morea und die Inseln zufolge des Vertrags vom 16. Nov. 1828 unter ihre
Garantie. Zu größerer Sicherheit blieb eine franz. Division von 5000 Mann im Lande, bis sie 1833 durch bayr. Truppen abgelöst wurde. Die
Nationalversammlung, die 23. Juli bis 18. Aug. 1829 in Argos tagte, bestätigte die exekutive Gewalt. An die Stelle des Panhellenion trat ein
Senat, dessen Mitglieder fast ausschließlich durch den Präsidenten ernannt wurden. So ward eine monarchische Ordnung der Dinge
angebahnt, und bald darauf wurde G. durch das Londoner Protokoll vom 22. März 1829 als erbliche Monarchie, aber als der Türkei
tributpflichtig erklärt. In dem 14. Sept. 1829 zwischen Rußland und der Türkei abgeschlossenen Frieden zu Adrianopel verpflichtete sich
die Pforte, den Beschlüssen der Londoner Konferenz zuzustimmen, die dann durch ein neues Protokoll vom 3. Febr. 1830 dahin
abgeändert wurden, daß G. zu einem souveränen Königreich erklärt, dagegen aber seine Nordgrenze weiter nach Süden verschoben und
sein Gebiet noch mehr eingeschränkt wurde, als es in dem frühern Protokoll vorgesehen ↔ war; die Pforte trat diesen
Beschlüssen 24. April bei. Zunächst ward die griech. Krone dem Prinzen Leopold von Sachsen-Coburg-Gotha, nachmaligem König der
Belgier, angetragen. Dieser aber lehnte ab (21. Mai). Der Ausbruch der franz. Julirevolution und ihre Nachwirkungen führten eine längere
Unterbrechung der Londoner Konferenz herbei, während sich inzwischen die Dinge in G. immer schlimmer gestalteten. Kapodistrias hatte
den besten Willen, Ordnung im Innern zu schaffen, aber die Art und Weise, wie er verfuhr, erregte Anstoß. Das Recht der
Gemeindebehörden wurde beschränkt, die Nationalversammlung aufgelöst und jahrelang keine neue berufen. Die regulären Truppen
(Taktiker) wurden verstärkt, während man die Freischaren (Pallikaren) ohne jede Fürsorge ließ, sodaß diese, von der bittern Not
gezwungen, sich zum Teil in die Gebirge warfen und Räuberbanden bildeten. Die Mehrzahl der einflußreichsten Häuptlinge fühlte sich
beleidigt, daß der Präsident Verwandte und dienstwillige Kreaturen bevorzugte. Viele der Freiheitshelden ließen sich die strenge Zucht der
europ. Ordnung, die er einführen wollte, nicht gefallen. Namentlich mußte auch die allerdings unvermeidliche Durchführung eines
regelmäßigen Steuersystems in einem Lande, wo man dies nicht gewohnt war, viel Unzufriedenheit erregen. Schon 1830 empörten sich
die Maniaten; bald kündigten auch Hydra und andere Inseln den Gehorsam auf und bestellten eine Provisorische Regierung (Jan. 1831),
die den Schutz Frankreichs anrief. Ein förmlicher Bürgerkrieg begann. Der hydriotische Admiral Miaulis erschien 30. Juli aus der Reede
von Poros und bemächtigte sich der abgetakelten griech. Flotte. Kapodistrias sandte Truppen gegen ihn und nahm die Hilfe des russ.
Admirals Ricord, der im Archipelagus stationiert war, in Anspruch. In dieser verzweifelten Lage ließ Miaulis 13. Aug. sämtliche 28 griech.
Kriegsfahrzeuge in Brand stecken und vernichtete so die ganze griech. Seemacht; er selbst entkam nach Hydra. Unter so schlimmen
Verhältnissen suchte Kapodistrias einzulenken und berief die Nationalversammlung; aber ehe diese noch zusammentrat, fiel er selbst als
Opfer der Privatrache des Geschlechts Mauromichalis (9. Okt. 1831). Die Nationalversammlung bestellte 20. Dez. 1831 in Nauplia seinen
Bruder Augustin Kapodistrias zum provisorischen Präsidenten; dagegen konstituierte sich eine rumeliotische Nationalversammlung in
Perachora, Korinth gegenüber, und ernannte eine Gegenregierung unter Kolettis. Diese erhielt nach mehrern Monaten des Bürgerkrieges
die Oberhand. Am 6. April 1832 zogen ihre Truppen, nach Besetzung von Argos, in Pronoia, unweit der Hauptstadt Nauplia ein, und
Augustin Kapodistrias sah sich (9. April) zur Abdankung genötigt, worauf eine Regierungskommission von sieben Mitgliedern aus beiden
Parteien aufgestellt wurde.
D. Vierte Hauptepoche. Das Königreich G. Inzwischen war der
Vertrag vom 7. Mai 1832 zwischen G., den drei Mächten und Bayern abgeschlossen worden, durch den der Prinz Otto, Sohn Ludwigs I.
von Bayern, zum König von G. bestimmt, bis zu dessen Volljährigkeit eine Regentschaft angeordnet, die Garantie einer Anleihe von 60 Mill.
Frs. von seiten der drei Mächte übernommen und von Bayern die baldige Absendung der Regentschaft und eines Truppenkorps von
3500 Mann versprochen wurde. Darauf erfolgte 8. Aug. die einstimmige Ernennung des Königs Otto durch
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 337.