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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gutzkow
das Buch konfisziert, G. durch das bad. Hofgericht
zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt,
seine schriftstellerische Thätigkeit der Überwachung
unterstellt, und bald auch von Bundes wegen ein
Verbot gegen die gesamte litterar. Thätigkeit des
sog. Jungen Deutschland (s. d.) erlassen.
Während G. seine Strafe in Mannheim abbüßte,
arbeitete er die Schrift "Zur Philosopie der Ge-
schichte" (Hamb. 1836) aus, welche gegen die Hegel-
sche Geschichtsauffassung gerichtet war. Nach über-
standener .hast vermählte er sich in Frankfurt a.M.,
wo er mehrere Jahre verlebte, durch die Censur-
verhältnisse in seiner litterar, und journalistischen
Thätigkeit vielfach gehemmt. Hier schrieb er noch
"Beiträge zur Geschichte der neuesten Litteratur"
<2Bde.,Stuttg.1836),"Götter,Helden,DonQuixote"
(Hamb. 1838), veröffentlichte Sammlungen seiner
zerstreuten Kritiken und Charakteristiken; ferner die
sehr angebrachte, warm begeisterte Arbeit "Goethe
im Wendepunkte zweier Jahrhunderte" (Berl. 1836)
und das Wert "Die Zeitgenossen" (2 Bde., Stuttg.
1837), eine Neihe scharfer Charakterzeichnungen zur
Beleuchtung jener Zeit, die er, um den Anfeindungen
der Polizei und der Parteikritik zu entgehen, unter
Vulwers Namen einführte und später als "Säkular-
bilder" in seine "Gesammelten Werke" aufnahm. Die
"Deutsche Revue", zu deren Herausgabe er sich mit
Wisltbarg geeinigt hatte, wurde im Entstehen unter-
drückt. Auch der Versuch, ein polit. Tageblatt, die
"FrankfurterVörfcnzeitung" zu begründen, scheiterte
an der Censur. Nur der "Telegraph für Deutfch-
land" (bis 1842 von ihm geleitet), mit dem G. 1837
der freiern Verhältnisse wegen nach Hamburg über-
fiedelte, wurde gestattet. Die darin von ihm ver-
öffentlichten größern Auffätze gab er fpäter in den
"Vermischten Schriften" (4 Bde., Lpz.1842-50) und
"Aus der Zeit und dem Leben" (ebd. 1844) heraus.
Seine kritische und journalistische Thätigkeit setzte er
in Hamburg fort mit den Schriften "^kizzcnbuch"
(Cass. 1839), "Die rote Mütze und die Kapuze"
(Hamb. 1838), eine Streitschrift in der Kölner Frage
gegen Görres, und die gegen Heine gerichtete Bio-
graphie "Bornes Leben" (ebd. 1840), begann aber
mit dem bühnengerechten Drama "König Saul"
(ebd. 1839) und dem Trauerspiel "Richard Savage"
(Lpz. 1842; 6. Aufl., Jena 1882) sowie mit den
Romanen "Seraphine" (Hamb. 1839) und dein in
Jean Pauls Bahnen wandelnden "Blasedow und
seine Söhne" (3 Bde., Stuttg. 1838-39) sich mehr
den Gebieten zu widmen, auf denen ihm seine Poet.
Lorbeeren erwachsen sollten.
Von der großen Anzahl seiner Stücke, die nun
in rascher Folge erschienen, bürgerten sich bald meh-
rere in dem Repertoire aller größern deutschen Thea-
ter ein. Die meiste Popularität erlangte "Ilriel
Acosta" (1847; 12. Aufl., Jena 1889)/unstreitig
das wertvollste seiner Trauerspiele, aber künstlerisch
weit übertroffen von den beiden trefflichen histor.
Lustspielen "Zopf und Schwert" (1844; 10. Aufl.,
ebd. 1882) und "Das Urbild des Tartüffe" (1847;
5. Aufl., ebd. 1882), denen der minderwertige "Kö-
nigslieutenant" (1852; 9. Aufl., ebd. 1889) lediglich
wegen eines gewissen Bühnenerfolges anzureihen
ist, der nicht zum wenigsten auf der glücklichen Ge-
stalt des Knaben Goethe beruht. Minder wirkten
die histor. Tragödien "Patkul" (1841), "Pugatschesf"
(1846), "Wullenweber" (1848) und "Philipp und
Perez" (1853), die bürgerlichen Schauspiele"Werner,
oder Herz und Welt" (1840), "Der 13. November"
(1842), "Ein weißes Blatt" (1844), "Ottjried" (1854)
und "Ella Rose" (1856), das verfehlte Volksstück
"Liesli", für das G. keine Spur von Naivetät mit-
brachte, die Lustspiele "Die Schule der Reichen"
(l841), "Lenz und Söhne" (1855), das hiftor. Cha-
rakterbild "Lorbeer und Myrte" (1885), die alle in
G.s "Dramat. Werken" (9 Bde., Lpz. 1842-57;
20 Bdchn., 1862-63; neueste Aufl., Jena 1880)
gesammelt sind. Nach mehrfachen Reifen, deren eine
feine "Briefe aus Paris" (2 Bde., Lpz. 1842) veran-
laßte, nahm er 1842 seinen Aufenthalt wieder in dem
ihn durch Familienbande fesselnden Frankfurt a. M.,
wo er sich mit der Sammlung und Redaktion aller
seiner bisher zerstreuten und meist unter ungünsti-
gen Verhältnissen an das Licht getretenen Schriften
beschäftigte, die vollständig umgearbeitet als "Ge-
sammelte Werte" (12 Bde., Frankf.1845-46; Bd. 13,
1852) erfchienen. Darauf folgte er 1847 einen,
Rufe nach Dresden, wo er dritthalb Jahre lang die
Stelle eines Dramaturgen am Hoftheater beklei-
dete.. Von hier siedelte G. infolge feiner Ernennung
zum Generalsekretär der Deutschen Schiller-Stif-
tung, um welche er sich entschiedene Verdienste er-
worben hatte, 1862 nach Weimar über, fühlte sich
aber in diefem Verhältnis nicht wohl, da seine Auf-
fassungen sich vielsach im Widerspruch mit denen
des Verwaltungsrates befanden. Es trat ein Zu-
stand der Überreizung, ja der Verzweiflung am
Leben bei ihm ein, der ihn 15. Jan. 1865 in Fried-
berg auf einer Reife sogar zu einem Selbstmord-
versuch trieb. Ein längerer Aufenthalt in der Heil-
anstalt Gilgenberg bei Bayreuth stellte ihn indes
wieder her. G. lebte nach seiner Genesung ein Jahr
lang in Vevcy am Genfersee, dann in Kesselstadt bei
Hanau und siedelte nach einem ^ommeraufenthalt
in Vregenz 1870 nach Berlin über, wo er seine
schriftstellerische Thätigkeit mit ungebrochener Kraft
wiederaufnahm. Eines Nervenleidens wegen brachte
erden Winter 1873-74 in Italien zu, lietz sich dann
in Wieblingen bei Heidelberg und im Okt. 1875 in
Heidelberg selbst nieder, bis er im Herbst 1877 nach
Sachsenhausen übersiedelte, wo er in der Nacht vom
15. zum 16. Dez. 1878 an Erstickung bei einem
Zimmerbrande starb.
Eine neue einflußreiche Stellung in der Litteratur
der Gegenwart erwarb sich G. nach dem Niedergänge
der deutschen Bewegung von 1848 durch seine beiden
großen Romane "Die Ritter vom Geiste" (9 Bde.,
Lpz. 1850-52; 6. Aufl., Berl. 1881; vgl. A. Jung,
Briefe über G.s Ritter vom Geiste, Lpz. 1856),
meist Berliner Verhältnisse und Perfonen schildernd,
und den gegen das ultramontane Treiben gerichteten
"Zauberer von Rom" (9 Bde., Lpz. 1859-61;
4. Aufl., in 4 Bon., Berl. 1872-73; vgl. Eine
kritische Studie über G.s Zauberer von Rom, Gott.
1882), die wegen ihres Reichtums an Charakter- und
Situationszeichnungen und mehr noch als groß-
artige und geistvolle, das moderne prot. und kath.
Leben schildernde Kulturgemälde zu G.s bedeutend-
sten Schöpfungen gehören. G. machte sich durch
diese Werke, die leider stärker im Detail sind als in
der Komposition und den schlimmen G.schen Fehler
der vollständigen Anmutlosigkeit nicht verleugnen
können, zum hervorragendsten Vertreter des Zeit-
romans. Von seinen übrigen Arbeiten in dieser
Richtung sind noch die Novellen "Die Diakonissin"
(Franks/1855) und "Die kleine Narrenwelt" (3 Bde.,
ebd. 1856) hervorzuheben. Vom Okt. 1852 bis Ende
1862 gab er die populäre Wochenschrift "Nnterhal-