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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Hand (anatomisch)
Früchte wird der Baum vielfach kultiviert, ebenso
einige Varietäten. Aus dem Milchsaft der Rinde
wird das sog. Pernambuco-Kautfchuk gewonnen.
Hand (Nanu8), der unterste Teil der obern Ex-
tremität, welcher durch das Handgelenk mit dem
Vorderarm in direkter Verbindung steht. Man
unterscheidet an ihr den gewölbten Handrücken
(äorsum NNQU8) und die leicht ausgehöhlte Hohl-
hand oder den Handteller (vola. iua,nu8), weiter-
hin die Handwurzel oder das Handgelenk
(cg.rpu8), die Mittelhand (ui6tacarpu8) und die
Finger (äi^iti); endlich zwei abgerundete Ränder,
den Speichenrand auf der Daumenseite und den
Ellbogenrand auf der Kleinfingerseite. Das
Gerüst der H. besteht aus 27 kleinen Knochen, von
welchen 8 die Handwurzel, 5 die Mittelhand und
14 die Finger bilden. (S.Tafel: Das Skelett
des Menschen.) Die 8 mehr oder minder würfel-
förmigen Handwurzelknochen bilden zwei über-
einander liegende Reihen von je 4 Knochen, von
denen die eine (bestehend aus dem Kahn-, Mond-,
Dreieckigen und Erbsenbein) an das Ende der Unter-
armknochen, die andere (gebildet durch das große
und kleine vieleckige, das Kopf- und Hakenbein) an
die Mittelhand stößt. Die Knochen jeder Reihe
werden durch kurze und starke Bänder so fest unter-
einander verbunden, daß sie gewissermaßen nur
einen Knochen darstellen (s. Tafel: Die Bänder
des Menschen, Fig. 1); aber die Gelenke zwischen
beiden Reihen und zwischen dem Unterarm und der
obersten Reihe sind derart, daß das eine die Be-
wegung der H. nach vorn, das andere die nach der
Seite gestattet. Wegen ihrer benachbarten Lage ist
die kombinierte Wirkung beider Gelenke dem eines
ziemlich ausgiebigen Kugelgelenks gleich. Die Dre-
hung der H. um ihre Achse vermittelt allein der
Vorderarm, indem sich das untere Speichenende um
das untere Ende des EÜbogenbeins dreht. (S. Pro-
nation.) Die Handwurzelknochen bilden einen nach
der Hohlhand offenen Bogen, über den ein brei-
tes, festes Band sliAHin^ntuin cln-pi ti-5M8V6i'8uin)
gespannt ist, unter welchem die Sehnen der Beuge-
muskeln verlaufen. Vier der röhrenförmigen Mlt-
telhandknochen sind unter sich ziemlich straff
und unbeweglich verbunden; der fünfte, der Mittel-
handknochen des Daumens, gestattet eine so freie
Beweglichkeit wie ein echtes Fingerglied und kann
dadurch den übrigen Fingern gegenüber gestellt wer-
den, worauf die Fähigkeit des Greifens und Er-
fassens beruht; nach der Hohlhand zu sind die
Mittelhandknochen zugefchärft und bedingen so den
eigentümlichen Bau des Handtellers. Der Dau-
men (pollsx), in dessen kräftiger Entwicklung und
selbständiger Beweglichkeit ein wichtiger und charak-
teristischer Vorzug der Menschenhand vor der Affen- l
Hand liegt, hat nurzwei Glieder, jeder andere Finger
drei. (S. Finger.) Alle Knochen der H. sind mit
beweglichen befinden sich außerdem Gelenkkapfeln.
Die zahlreichen, die H. und die Finger bewegen-
den Muskeln liegen hauptsächlich am Vorderarm
und nur wenige an der H. selbst, und zwar ent-
springen die Beugemuskeln von der innern,
dem Handteller entsprechenden Fläche des Vorder-
arms, die Streckmuskeln hingegen von der
äußern Fläche des letztern; die Finger haben ge-
meinschaftliche Muskeln^ der Zeigefinger außerdem
noch einen besondern Strecker, und der Daumen
und der kleine Finger, die ihrcr freien Lage wegcn
befonders beweglich sein können, jeder noch eine
Anzahl zum Teil in den Handballen gelegene Mus-
keln. Die Finger felbst tragen keine Muskeln, son-
dern nur Sehnen folcher; sie bestehen nur aus die-
sen, aus den Knochen, der Haut und dem Fett mit
den zugehörigen Nerven und Gefäßen. Die H.
wird durch zwei Arterien, die Speichen- und die
Ellbogenarterie, mit Blut versorgt, und zahlreiche
Venen führen das Blut aus ihr ab; in der Hohl-
hand stehen dünne Pulsadern durch bogenförmige
Zweige (arcug vo1ai-i8) vielfach untereinander in
Verkehr. (S.Tafel: Die Blutgefäße des Men-
schen.) Die Haut der H. ist an den Gelenkfalten
fest an die darunter liegenden Gewebe angeheftet.
Dieselbe ist reich an Gefühlsnerven, die namentlich
an den Fingerspitzen mit besondern, das Tasten
vermittelnden Endorganen, den sog.Tasttörperchen,
versehen sind. In der Haut der letzten Finger-
glieder ist auf der Rückenseite der Nagel eingefügt,
welcher dem Gliede, das nur einen kurzen Knochen
besitzt, eine große Festigkeit verleiht.
Die H. ist das kunstfertigste Instrument, welches
überhaupt existiert, und der Mensch hat die hohe
Stellung, welche er in der Natur einnimmt, wesent-
lich durch sie errungen. Als feines Tastorgan steht
es unter ähnlichen Vorrichtungen obenan und wird
an Feinheit der Empfindung nur von der Zungen-
spitze übertroffen. Die tausendfältigen Verrichtun-
gen der H., die in diefer Vollendung nur dem
Menschen zukommen, werden nur durch den Bau
diefes Werkzeugs ausführbar, welches durch seinen
Mechanismus ganz jener geistigen Überlegenheit
entspricht, durch welche der Mensch, ein an natür-
lichen Verteidigungsmitteln armes Geschöpf, sich
zum teilweisen Beherrscher der lebenden und leb-
losen Natur aufwirft. Gerade des kunstvollen Baues
der H. wegen bezeichnete schon Anaragoras den
Menschen als das vollkommenste Geschöpf, Galen
als den Beherrscher der Erde. - Vgl. Bell, 11^ wi-
man ii^nä, it8 M6cdmii3in anä vital euäo^vmeiU^
(7. Aufl., Lond. 1865; deutsch, Stuttg. 1851).
Die Verletzungen der H. heilen wie die des
Gesichts außerordentlich leicht, und selbst fast ganz
abgetrennte Finger wachsen zuweilen wieder an.
Zu fürchten sind Verwundungen der Hohlhand;
Blutungen aus den Arterienbogen derselben lassen
sich nur ungemein schwer stillen, und es müssen
dazu oft die Arterien des Vorderarms, selbst die
Arterien des Oberarms unterbunden werden, ohne
daß selbst hierdurch immer die Erhaltung des
Lebens gesichert wird. Bei skrofulösen Kindern
werden die Handwurzelknochen leicht der Sitz
von Zerstörung durch Knochenfraß (s. d.) oder
Knochenaustreibung. Alle Entzündungen und Eite-
rungen an der H. erfordern sorgsame Behandlung,
weil infolge der ausgedehnten Sehnenscheiden die
Entzündung sich oft sehr rasch nach allen Richtungen
ausbreitet und zu bösartigen Zerstörungen (s. Finger-
entzündung) Anlaß giebt, wenn nicht durch früh-
zeitige Incisionen dem sich bildenden Eiter Abfluß
geschafft wird. - Vgl. Schede, Über Hand- und
Fingerverletzungen (Lpz. 1871).
In der Jägersprache heißt H. die Vorder-
tatze des Bären und bei den Faltonieren der Fang
(Fuß) des Falten, sonst spricht man nur noch bei
Assen und Lemuriden von H., legt bei diesen Tieren
sogar dem letzten Abschnitt der hintern Gliedmaßen
den Namen H. bei, wober der veraltete Name Viep
händer i(),uaäl'mntum).