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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Handelssachen, Kammer für - Handelsschulen
Deutschen Handelsgesetzbuch ist derBegriss nicht de-
finicrt - für die pr, >'.essualischeZuständigkcit dcrKam-
mern für H. sind besondere Bestimmungen gegeben.
Handelssachen, Kammer für. Nach dem
Deutschen Gcrichtsverfassungsgcsctze können, soweit
die Landesjustizverwaltung ein Bedürfnis als vor-
handen annimmt, bei den Landgerichten für deren
Bezirke oder für örtlich abgegrenzte Teile derselben
Kammern für H. gebildet werden. Solche Kammern
können ihren Sitz innerhalb des Landgerichtsbezirks
auch an Orten haben, an welchen das Landgericht
seinen Sitz nicht hat. Dieselben entscheiden in der !
Besetzung mit einem Mitgliedc des Landgerichts als ,
Vorsitzendem und zwei Handelsrichtern. Hat die
Kannner ihren Sitz nicht all demselben Ort wie das
Landgericht, so kann auch ein Amtsrichter Vorsitzen-
der sein. Die Handelsrichter werden aus den im
Bezirk der Kammer wohnenden Angehörigen des
Handels- oder Schiffahrtsstandes auf gutachtlichen
Vorschlag des zur Vertretung dieses Standes be-
rufenen Organs (Handelskammer u. dgl.) für je drei
Jahre ernannt. Eine wiederholte Ernennung ist nicht
ausgeschlossen. Der zu Ernennende muß Deutscher,
als Kaufmann oder Vorstand einer Aktiengesell-
schaft ins Handelsregister eingetragen oder einge-
tragen gewesen sein, das 30. Lebensjahr vollendet
und seinen Wohnsitz im Bezirk der Kammer für H.
baben. Die Handelsrichter werden auf ihr Amt eid-
lich verpflichtet und haben während der Dauer des-
selben alle Rechte und Pflichten der Richter. Das
Amt ist ein Ehrenamt. Sie können wegen eintreten- ^
den Verlustes einer Amtsvoraussetzung des Amtes
enthoben werden durch Beschluß des Oberlandes'
gerichts. Vor die Kammer für H. gehören die
senigen den Landgerichten in erster Instanz zugewie-
senen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen
durch die Klage ein Anspruch geltend gemacht wird
1) gegen einen Kaufmann (Art. 4 des Handelsgesetz- !
buchs) aus Geschäften, welche auf feiten beider Kon-
trahenten Handelsgeschäfte sind (Art. 271-276 des
Handelsgesetzbuchs); 2)aus einem Wechsel im Sinne
der Wechselordnung; 3) aus einem der nachstehend be-
zeichneten Rechtsverhältnisse: ans den zwischen Teil-
habern bez. Liquidatoren einer Handelsgesellschaft
sich ergebenden Rechtsverhältnissen; aus dem Rechts-
verhältnisse, welches das Recht zum Gebrauch der
Handelsfirmen betrifft; aus den Rechtsverhältnissen,
welche sich auf den Schutz der Marken, Muster und
Modelle beziehen; aus dem Rechtsverhältnisse, wel-
ches durch die Veränderung eines bestehenden Han-
delsgeschäfts zwifchen den Kontrahenten entsteht;
aus den Rechtsverhältnissen zwischen denProkuristen,
den Handlungsbevollmächtigten und Handlungsge-
hilfen und den Eigentümern der Handlungsnicder-
lassung; aus den Rechtsverhältnissen der Makler zu
den Parteien, und endlich aus den Rechtsverhält-
nissen des Secrechts. - Die Verhandlung des Rechts-
streits erfolgt nur dann vor der Kammer für H., wenn
der Kläger dies in der Klageschrift beantragt. Dabei
stellt das Gerichtsverfassungsgesetz bestimmte Regeln
betreffs der Verweifnng einer Sache von der Civil-
an die Handclssachenkammer und umgekehrt auf.
(Vgl. Gerichtsverfassungsgesetz §§. 100-118.)
Handelsschulden, die von einem Kaufmann im
Netriebe des Handelsgcwerbes gemachten Schulden;
also ;. B. auch die Ladenmiete, obwohl der Miet-
vertrag kein Handelsgeschäft (s. d.) ist.
Handelsschulen oder Handelslehranstal-
ten, Fachschulen (s. d.) zur Ausbildung für den
kaufmännischen Berus und Mar nach Ausnahme-
alter, Kursusdauer und Ziel zumeist Fachschulen
mittlerer und unterer Stufe. Sie sind gewöhnlich
von kaufmännifchen Genossenschaften gegründet,
werden aber auch hier und da von der Gemeinde
unterhalten, oder von dieser oder den: Staate unter-
stützt und beaussichtigt.
Die H. der untern Stufe, die kaufmännischen
Fortbildungsschulen,unterrichten Handlungs-
lehrlinge während der Jahre ihrer praktischen Lehr-
zeit in Sprachen und kaufmännischen Kenntnissen.
Sie befreien von der Fortbildungsschule, wo diese
obligatorisch ist. Nach einer neuern Statistik be-
standen 1891 im Deutschen Reiche 165 kaufmännische
Fortbildungsschulen, von welchen 65 erst seit 1885
ins Leben gernfen waren. Dabei fallen auf Preu-
ßen 77, auf die übrigen Bundesstaaten, unter wel-
chen Sachsen und Baden obenan stehen, 88 Schulen.
Durch den Staat ist nur eine Schule, durch die
Stadtverwaltung sind 23, durch Handelskammern
11, dnrch kaufmännische Innungen 20, von Privat-
personen 6, die übrigen Schulen durch Vereine und
Kuratorien gegründet. Finanzielle Unterstützung
gewährt der Staat 54, die Stadtverwaltung 68
kaufmännischen Fortbildungsschulen. Am kräftig-
sten ist die finanzielle Förderung derselben durch den
Staat in Württemberg und Sachsen.
Die H. der mittlern Fachschulstufe, manchmal un-
eigentlich als Handelsakademien, öfters als
höhere H. bezeichnet, sind für junge Kaufleute be-
stimmt, die vor Eintritt in die praktische Beschäf-
tigung noch mehrere Jahre ibrer wissenschaftlichen
nnd sprachlichen Ausbildung widmen oder anch nach
ihrer praktischen Lehrzeit noch ihr Wissen vervoll-
kommnen wollen. Sie unterrichten im Anschluß an
die Volksschule oder höhere Bürgerschule in Deutsch,
Geschichte und Geographie, Mathematik und Natur-
wissenschaften, Zeichnen, in fremden Sprachen, Han-
delsgeschichte, Handels- und Wechselrecht, Buch-
haltung, Volkswirtschaftslehre, Warenkunde und
Technologie; in Deutschland erteilen die hervor-
ragendem H. dieser Stufe durch ihre Schluhprüfung
die Freiwilligenberechtigung. Die Rücksicht auf Er-
werbung und Erhaltung dieses Rechts, das dem
Besuche der H. sehr förderlich war, hat zu einer weit-
gehenden Betonnng der allgemeinen gegenüber der
kaufmännisch fachlichen Bildung geführt, die H. also
den Realschulen genähert; zuweilen sind auch dieH.
an Gewerbeschulen, Realschulen oder Realgymnasien
(Zittau, Frankfurt a. M.) als Fachtlassen angelehnt.
Die H. dieser Stufe sind regelmäßig mit einer Lehr-
lingsschule, also H. niederer Stufe, verbunden.
Schon im vorigen Jahrhundert kommen Versuche
vor, junge Kaufleute für ihren Beruf durch geeignete
Schulen vorzubilden; die Vorläufer der jetzigen Real-
schulen (s.d.) hatten sich derartige Ausgaben gestellt;
auch wurde in Hamburg von Busch (s. d.) schon 1768
eine Handelsakademie gegründet, welche aber nach
etwa 30 jährigem Bestände wieder einging. Die
älteste der noch bestehenden Nnterrichtsanstalten
fürHandlungslchrlinge wurde von Arnoldi 1817 in
Gotha begründet und 1888 von der Kaufmännischen
Innungshalle, der jetzigen Inhaberin, reorganisiert.
Die Bewegung aber, welche in rascher Folge eine
große Zahl von H. in Deutschland und andern Län-
dern geschaffen hat, beginnt eigentlich mit der Grün-
dung der höhern Handelsschule (^ois "upsiikurs
äs commm-ce) in Paris 1820 und der Öffentlichen
Handelslehranstalt zu Leipzig 1831. Diese Anstalt,