Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Homöopropheron; Homöoteleuton; Homöotherme Tiere; Homophon; Homopteren; Homorod-Almás; Homoseisten

333

Homöopropheron - Homoseisten

lenden Leiden ähnliches Leiden hervorzurufen. Zur Begründung seiner Behauptung führt Hahnemann viele Beispiele aus der Litteratur an. Thatsächlich ist der Grundsatz "Ahnliches wird durch Ähnliches geheilt" auch schon früher ausgesprochen worden, besonders von John Hunter (s. d.). Aber erst Hahnemann entwickelte diese Lehre zu einem einheitlichen Ganzen und machte sie zu einem System. Um die homöopathische Wirkung der Arzneien zu erforschen, wurden sie an Gesunden geprüft, unter genauer Beobachtung der sich dabei entwickelnden Symptome und Empfindungen. Auf Grund dieser Symptome wird ein Arzneimittel in solchen Fällen bei Kranken verwandt, welche ein jener Prüfung möglichst ähnliches Symptomenbild darbieten. Da die Wirkung des gegebenen Mittels eine specifische, im Sinne Hahnemanns, ist, so muß es in sehr kleinen Dosen verabreicht werden, und dieser Umstand hat die eigenartige homöopathische Gabenlehre hervorgerufen, bei welcher der Arzneistoff, in seine kleinsten Bestandteile zerlegt, verabreicht wird. Dieses Verfahren heißt Potenzierung. Den Grundstoff dieser Potenzen bildet die aus frischen Pflanzen hergestellte Essenz, oder die aus Droguen hergestellte Tinktur, welche mit Alkohol verdünnt wird, und zwar nach der Decimal- oder nach der Centesimal-Skala (1:10 oder 1:100), indem aus der ersten Verdünnung durch Hinzufügung von 9 bez. 99 Teilen Alkohol eine zweite Verdünnung, aus der letztern auf gleiche Weise eine dritte u. s. w. hergestellt wird, ein Verfahren, welches von den Homöopathen früher bis zur dreißigsten Ziffer und noch höher fortgesetzt wurde. Für trockne Arzneistoffe, welche in Alkohol nicht löslich sind, gilt eine besondere Vorschrift bis zur sechsten Decimalstufe, resp. dritten Centesimalstufe. Hier werden im Verhältnis von 1:10 oder 1:100 innigste Verreibungen des Arzneistoffs mit Milchzucker vorgenommen. Die Ziffern, welche man in den zur Krankenbehandlung nach homöopathischen Grundsätzen herausgegebenen Büchern hinter den Arzneimittelnamen angegeben findet, bedeuten die Höhe der Verdünnungs- oder Potenzierungsstufe, also 3., 6., 9. u. s. w. In der homöopathischen Rezeptur gilt als Regel, daß bei den nach der Decimal-Skala angefertigten Verdünnungen vor dieser Ziffer ein D oder dec. angebracht wird.

Die H. hat ihre Bedeutung in der Geschichte der Medizin; sie hat eine Reaktion gegen die Anwendung von Arzneien in großen Dosen und unnötigen Zusammensetzungen (die "langen Rezepte") hervorgebracht und hat indirekt die Aufmerksamkeit auf die Naturheilkraft und auf die Bedeutung der Diät in Krankheitsfällen gelenkt. Die neuere H. hat infolge der Fortschritte der mediz. Wissenschaften so manche von ihrem Begründer und seinen Nachfolgern aufgestellte Theorie aufgegeben und die den Grundstock der H. bildende, rein symptomatische Arzneimittellehre von der wissenschaftlichen Pharmakologie beeinflussen lassen.

Die Ausbreitung der H. ist verhältnismäßig bedeutend, aber ihre Anhänger bestehen zum größten Teil aus Laien in der Medizin, an die sich auch die Litteratur der H. vorwiegend wendet. An homöopathischen Ärzten giebt es (nach Willmar Schwabe) in Deutschland etwa 500, in Österreich-Ungarn 400, in der Schweiz 40, in Italien 250, in England 400, in Spanien 300, in Frankreich 500, in Belgien 60 u. s. w. Außerordentlich verbreitet ist die H. in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo es 3000 homöopathische Ärzte giebt. Homöopathische Akademien finden sich in Chicago, Iowa, Boston, Ann Arbor (Michigan), St. Louis, Neuyork, Cleveland, Cincinnati und Philadelphia, zum größten Teil verbunden mit homöopathischen Hospitälern. Schwabe zählt an letztern 27 mit etwa 1800 Betten. In Europa finden sich homöopathische Krankenhäuser in Leipzig, Cöthen, München, Gumpendorf bei Wien, Budapest, Turin, Paris, Madrid u. s. w.; Lehrstühle für H. in London, Madrid, Paris und Budapest. In der Pharmacie bildet die H. eine Specialität. Homöopathische Centralapotheken finden sich in Leipzig (Willmar Schwabe; Täschner & Co.), in Paris (Catellan Frères), München, London, Petersburg und in Nordamerika (Böricke & Tafel in Neuyork und Philadelphia). In Deutschland sind die homöopathischen Arzte korporativ vertreten durch den "Homöopathischen Centralverein Deutschlands" (eingetragene Genossenschaft in Leipzig) sowie durch Lokalvereine in Berlin, Leipzig, Sachsen-Anhalt, Schlesien, Württemberg und Rheinland-Westfalen. Außerdem bestehen gegen 300 Laienvereine, die sich in Sachsen, Württemberg, Pommern, den Bergischen Landen u. s. w. zu Landesverbänden vereinigt haben.

Litteratur. Von der großen Reihe der einschläglichen litterar. Erscheinungen seien erwähnt: In der Therapie: Kafka, Die homöopathische Therapie auf Grundlage der physiol. Schule (2 Bde., Sondersh. und Gotha 1863-69); Grauvogl, Lehrbuch der H. (Nürnb. 1866); Jahr, Klinische Anweisung zur homöopathischen Behandlung der Krankheiten (3. Aufl., Lpz. 1867); Heinigke, Handbuch der homöopathischen Arzneiwirkungslehre (ebd. 1880); von Bakody, Hahnemann redivivus (ebd. 1883); Lehrbuch der homöopathischen Therapie (2 Bde., 5. Aufl., ebd. 1891); Hirschel, Homöopathischer Arzneischatz (15. Aufl., ebd. 1891); Clotar Müller, Haus- und Familienarzt (12. Aufl., ebd. 1892); Groß und Hering, Vergleichende Arzneiwirkungslehre (ebd. 1392). In der Pharmacie: Schwabe, Pharmacopoea homeopathica polyglotta (2. Aufl., Lpz. 1880; fünfsprachig); Grüner, Homöopathische Pharmakopöe (6. Aufl., ebd. 1890). In der Tierheilkunde: Schwabe, Großer illustrierter Haustierarzt (Lpz. 1888); Hübner, Tierarzt (9. Aufl. 1892). Geschichte: Kleinert, Geschichte der H. (Lief. 1-7, Lpz. 1861-62); Ameke, Entstehung und Bekämpfung der H. (Berl. 1884). Gegenschrift: Rogers, Present state of therapeutics (Lond. 1870). Zeitschriften: Allgemeine homöopathische Zeitung (Lpz. 1832 fg.), Zeitschrift des Berliner Vereins homöopathischer Ärzte (Berl. 1881 fg.), Leipziger populäre Zeitschrift für H. (Lpz. 1870 fg.), Homöopathische Monatsblätter (Stuttg. 1876 fg.).

Homöopropheron (grch.), der Gebrauch vieler mit demselben Buchstaben anfangender Worte unmittelbar hintereinander, z. B. O Tite tute Tati, tibi tanta, tyranne, tulisti.

Homöoteleuton (grch., "ähnlich endigend"), Klangübereinstimmung im Schlüsse von Versen oder Versgliedern, dem Reim entsprechend, findet sich besonders häufig im Ausgang der beiden Hälften des Pentameter.

Homöotherme Tiere, Warmblüter, s. Wärme (tierische).

Homophon (grch.), s. Vielstimmig.

Homopteren (Homoptěra), s. Zirpen.

Homorod-Almás, s. Almás.

Homoseisten (grch.), s. Erdbeben (Bd. 6, S. 247 b).