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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Identitätsphilosophie - Idiorrhythmisch
antrag Ampach und Genossen verlangte, daß für jedes Quantum ausgeführten Getreides ein Importschein, eine Art Acquit-à-caution (s. d.) gegeben werde, welcher die zollfreie Einfuhr einer gleichen Gewichtsmenge derselben Getreideart gestattet. Beide Anträge gehen von der richtigen Anschauung aus, daß die deutschen Getreidezölle gerade demjenigen Gebiete, welches ganz überwiegend auf landwirtschaftlichen Erwerb angewiesen ist, dem deutschen Osten, am wenigsten zu gute gekommen sind. Die östl. Provinzen sind auf die Ausfuhr von Getreide angewiesen, die dortigen Preise richten sich daher nach denjenigen des Importlandes. Das östl. Getreide ging nun früher in erster Linie nach England; nach Erhöhung der Getreidezölle hingegen sah man sich auf die Ausfuhr nach West- und Süddeutschland angewiesen, die Transportkosten dahin sind aber so teuer, daß sie den größern Teil der durch die Getreidezölle bewirkten Preiserhöhung absorbieren; auch ist die ostdeutsche Getreidequalität dort weniger begehrt als in England. Die geplanten Maßnahmen sollen die Ausfuhr nach England wieder ermöglichen und den Nutzen der Getreidezölle dem Osten mehr als bisher zuführen.
Der Stolbergsche Antrag hat den lebhaftesten Widerspruch gefunden, weil er der Staatskasse unmittelbare Opfer, die direkte Zahlung von Ausfuhrprämien, zumutet, die das Ausland leicht zu Retorsionen veranlassen könnten. Dieser Einwand fällt dem Ampachschen Antrage gegenüber fort. ^eine Durchführung würde wohl gegenüber dem heutigen Zustande kaum eine Minderung der Zolleinnahmen bewirken, da die gegenwärtig vom Osten nach dem Westen geführten Getreidemengen keinerlei Zoll entrichten und in Zukunft einfach durch zollfrei eingehendes auswärtiges Getreide in nicht größerer Menge ersetzt werden würden, als den nunmehr von Westdeutschland nach England abgelenkten ostdeutschen Exporten entsprechen würde. Gegen den letzterwähnten Antrag erheben jedoch die süddeutschen Landwirte den Einwurf, daß seine Ausführung die dortigen Getreidepreise wesentlich herabdrücken würde. Das ist deshalb nicht zu erwarten, weil zweifelsohne der Einfuhrbedarf Deutschlands dauernd die Exportfähigkeit weit überragen wird, die Nachfrage nach Importscheinen infolgedessen sehr lebhaft sein und deren Kurs daher niemals weit unter den mit ihrer Hilfe zu ersparenden Zollbetrag sinken wird. Ein geringer Rückgang der überaus hohen süddeutschen Getreidepreise, welche in der That die höchsten der Welt sind, kann aber im Interesse der dortigen Exportindustrie nur als erwünscht gelten. Nur ein Interesse würde unter der Aufhebung des I. leiden, nämlich dasjenige der preuß. Staatsbahnen in Norddeutschland, und dieser Gesichtspunkt hat wohl bisher die Regierung zu ihrem Widerspruch gegen die geplante Maßregel veranlaßt. - Vgl. Kühn, Die Aushebung des I. bei der deutschen Getreideausfuhr (Freib. i. Br. 1891).
Identitätsphilosophie wird die Philosophie Schellings und Hegels genannt, weil diese Systeme das absolute Wesen oder Princip alles Daseins als die Identität der tiefsten Grundbegriffe definieren, nämlich der Begriffe des Subjekts und Objekts, des Ideellen und Reellen, des Geistes und der Natur, des Denkens und des Seins.
Idĕogrăphie (grch., d. i. Begriffsschrift), eine Schrift, die nicht den Begriff einer Sache durch die einzelnen Laute des Wortes wiedergiebt, sondern die Sache selbst durch sein Bild wiedergeben will. Reine I. bildet also die Bilderschrift (s. d.) der Indianer. Im Ägyptischen, in der assyr. Keilschrift sind ideographische Elemente vorhanden.
Idĕolŏgie (grch.), eigentlich Ideenlehre, bei den Franzosen die Wissenschaft, die sie an die Stelle der Metaphysik gesetzt haben, eine Art philos. Eklekticismus, dessen Vertreter Destutt de Tracy ("Éléments d’idéologie", 5 Bde., Par. 1801-15), Royer-Collard und Cousin (s. d.) waren. Außerdem bezeichnet man mit dem Worte jedes unfruchtbare systematische Denken und Grübeln, namentlich über polit. und sociale Verhältnisse. Besonders nannte Napoleon I. die Kritiker seiner Politik Ideolōgen.
Idĕomotōrische Bewegungen, solche Muskelbewegungen, welche man unbewußt ausführt, während man sich dieselben lebhaft vorstellt. Sie spielen eine wichtige Rolle beim Gedankenlesen (s. d.), beim Tischrücken (s. d.) und ähnlichen früher unerklärlichen Vorgängen.
Id est (lat., abgekürzt i. e.), das ist, das heißt.
Idhun, in der deutschen Dichtung des 18. Jahrh. auch Iduna genannt, eine Göttin des nordgerman. Heidentums, Tochter des Zwergs Ivaldi, Gattin von Bragi, dem Gotte der Dichtkunst, ist vornehmlich als Hüterin der Apfel bekannt, von deren Besitz die ewige Jugend der Götter abhing. Der Riese Thiazi zwang den von ihm gefangenen Loki, I. samt den Äpfeln ihm ,;u verraten und zuzuführen; doch gewann sie Loki bald darauf für die Äsen zurück. Von andern ihrer Mythen haben sich nur Andeutungen erhalten. Ihr Sitz ist Brunnakr, d. h. Brunnenfeld, das Reich mit dem alles belebenden Jungbrunnen.
Idĭochromātisch (grch.) oder farbig heißt ein Körper (z. B. ein Mineral) dann, wenn er eine eigene, unmittelbar aus feiner chem. Konstitution hervorgehende Farbe besitzt. Rührt die Farbe von einer Beimengung her, so ist der Körper gefärbt.
Idiōm (grch., d. i. Eigentümlichkeit), gewöhnlich gebraucht im Sinne von eigentümlicher Sprechweise, Dialekt oder Mundart. Die Mehrzahl Idiomăta bedeutet in der Dogmatik die Wesenseigentümlichkeiten der beiden Naturen Christi.
Idĭopāthisch (grch.) nennt man diejenigen krankhaften Erscheinungen, die unmittelbar aus den Krankheitsursachen hervorgehen, im Gegensatz zu den sympathischen, durch Mitleidenschaft entstehenden. Wenn z. B. nach einer Überladung des Magens außer Ekel und Erbrechen auch Kopfschmerzen und Schwindel erscheinen, so sind erstere Erscheinungen die idiopathischen (d. h. die des kranken Organs), letztere hingegen die sympathischen id. h. die eines mitleidenden fernen Organs). Das Umgekehrte findet statt, wenn Blutandrang nach dem Gehirn bei Kopfverletzungen und andern schädlichen Einwirkungen auf dieses Organ mit Übelkeit und Erbrechen verbunden ist. Da die sympathischen Krankheiten ein Symptom des Grundleidens darstellen, nennt man sie auch symptomatische (sekundäre) Krankheiten.
Idĭoplásma (grch.), s. Erblichkeit (Bd. 6, S. 232 b).
Idĭorrhythmisch^[y mit Akut - nicht darstellbar] (grch.) heißt im griech. Mönchsleben ein Kloster, wo die Mönche bei erlaubtem Eigenbesitz gemeinsames Dach und gemeinsamen Gottesdienst, alles übrige aber für sich haben. Diese Klöster haben sich im Widerspruch mit der kirchlichen Gesetzgebung im Ausgang des Mittelalters gebildet. Ihre Regierung ist teils mon-^[folgende Seite]