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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Irland (Viehzucht. Industrie, Handel und Verkehr)

jedoch Pächter at will inne, d. h. solche, denen in jedem Augenblick die Pacht gekündigt werden kann. Der sogenannte irländ. Bauer ist in der Regel ein bloßer Tagelöhner, der für andere arbeitet und dafür eine Erd- oder Lehmhütte mit einem Stückchen Land erhält, worauf er Kartoffeln pflanzt; seinen Pachtzins arbeitet er meist im Tagelohn ab. Die irische Landfrage ist Kernpunkt der irischen Frage; alle bisherigen Reformgesetze (s. unten) haben eine wesentliche Besserung nicht herbeiführen können. Neuerdings hat man durch die "Land-Purchase Acts" versucht, den Bauern das Land als Eigentum zurückzugeben. Die Regierung schießt das Kaufgeld zu äußerst günstigen Bedingungen vor. Ende 1891 waren 22582 Anleihen bewilligt in Höhe von 8958535 Pfd. St. Die Zurückerstattung des geliehenen Kapitals in Raten macht keine Schwierigkeiten. Von den fälligen 129882 Pfd. St. wurden 104000 Pfd. St. ohne Weiterungen bezahlt. Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung der Farmen auf die vier Provinzen und die Größenverhältnisse im J. 1891. Es bestanden Farmen (in Acres):

Provinzen Unter 1 Von 1 bis 5 Von 6 bis 15 Von 16 bis 30 Von 31 bis 50 Von 51 bis 100 Von 101 bis 200 Von 201 bis 500 Über 500 Zusammen

Leinster 17696 18034 25881 22258 15206 13865 6867 2785 415 123007

Munster 14922 11207 19254 24368 22176 22068 9143 2768 363 126269

Ulster 17026 21287 64760 53825 25013 14090 3654 1041 259 200955

Connaught 5984 12936 46766 33496 11526 6338 3147 1686 530 122409

Irland: 55628 63464 156661 133947 73921 56361 22811 8280 1567 572640

Gegen 1890 +4819 +2697 +898 -268 +235 -210 -214 -93 -27 +7837

Die Zerstückelung der kleinen Anwesen macht also noch immer Fortschritte, während die mittlern und großen Besitztümer abnehmen oder in der Hand einer kleinern Anzahl von Grundherren zusammengefaßt werden. Etwa 800 Großgrundbesitzern gehört die Hälfte von I., während die Zahl der Landwirte überhaupt 526670 betrug. Über das Verhältnis der von Eigentümern bewirtschafteten und der Pachtgüter fehlen Angaben.

Die landwirtschaftliche Betriebsamkeit steht lange nicht so hoch als in England und Schottland. Bis zur Mitte des 18. Jahrh. war I. fast ausschließlich Weideland; von dem gesamten Flächeninhalt sind: Weide- und Ackerland 72 Proz., Wälder u. s. w. 1,6 Proz., Sümpfe, Berge, Wüstland, Städte u. s. w. 26,4 Proz. Am besten bebaut ist die Provinz Ulster, in den Moorlandschaften sind etwa 23 Proz. kultiviert, im gebirgigen Kerry nur 14, im sumpfigen Connaught nur 15 Proz. Unter Anbau steht nur ein Viertel der Gesamtbodenfläche. Weizen und Gerste gedeihen weniger gut als Hafer; besonders reichlich wird die Kartoffel gebaut. Der Wiesenbau ist noch vernachlässigt. Die Bodenfläche der einzelnen Fruchtarten betrug 1874, 1888 und 1892 in Acres (= 0,405 ha):

Jahre Weizen Gerste Hafer Bohnen Erbsen Kartoffeln Rüben

1874 188711 212230 1480186 9644 1756 892421 333487

1888 99426 171195 1280503 5089 732 804508 294293

1892 75344 175612 1226307 3973 460 739942 300445

Von je 1000 Acres Land waren (1892) 504 dauernd als Weideland bewirtschaftet, 73 mit Getreide bebaut, 58 mit Kartoffeln, Rüben u. s. w., 3 mit Flachs, 106 mit Gras und Klee bebaut, 2 waren Brachland, 15 Wälder und Gehölze und 239 (meist Moore) nicht nutzbar. An Weizen wurden geerntet 1888: 2,55, 1891: 2,61, Gerste 6,06 und 7,42, Hafer 50,63 und 54,08 Mill. Bushels; Bohnen 3 und 4,32 Mill. t. Die Kartoffelernte schwankt in ihren Beträgen, sie ergab 1888: 2,52, 1889: 2,84, 1890: nur 1,81, 1891: wieder 3,03 Mill. t. Mit Flachs waren 1880: 157534 Acres bebaut, 1891 war die Fläche auf 74672 zurückgegangen, davon kamen 74301 Acres auf Ulster. Geerntet wurden 1890: 20045, 1891: 12433 t; daher ist eine bedeutende Einfuhr, zumeist aus Rußland notwendig.

Die Viehzucht ist nicht mit dem Ackerbau verbunden, und die Milchwirtschaft liefert nur Butter, die großenteils nach London geht. Mastvieh wird besonders in einigen Teilen von Leinster und Munster gezogen und vielfach nach England ausgeführt. Rindvieh wurden (1892) 4531025 Stück gezählt. Das einheimische Schaf ist selten; durch Kreuzung mit dem engl. Stamme ist ein anderes langwolliges entstanden. Am bedeutendsten ist die Schafzucht im nördl. Leinster, in den Grafschaften Kerry und Cork sowie in Clare und Sligo. Die irischen Pferde sind stark und sicher. Schweine werden besonders von den Milchwirten meist mit Kartoffeln gemästet. Die Zählung von 1892 ergab 539788 Pferde, 4531025 Rinder, 4827702 Schafe und 1115888 Schweine. Wichtig ist die Fischerei. 1891 wurden Fische im Werte von 308627 Pfd. St. gefangen, dazu kommt noch Lachs für etwa 350000 Pfd. St.

Industrie, Handel und Verkehr. Nur die Provinz Ulster mit Belfast (s. d.) als Mittelpunkt und Dublin mit Umgegend sind Industriebezirke, und zwar bildet den Hauptteil der Gewerbthätigkeit die Leinenindustrie. Diese wurde im 17. Jahrh. von dem Grafen von Strafford gegründet, welcher Leinsamen ans Holland einführte und Spinner und Weber aus den Niederlanden und Frankreich kommen ließ. Der Leinwandhandel, der schon um 1670 begründet war, erhielt zu Anfang des 18. Jahrh. Begünstigung von dem Parlament. Bis zu Anfang des 19. Jahrh. spann man den Flachs fast ausschließlich mit der Hand, und auch jetzt werden Maschinen noch nicht allgemein gebraucht. Sehr niedrig sind die Arbeitslöhne. Ulster erzeugt vier Fünftel des Gesamtwerts. Die Ausfuhr geschieht großenteils nach Glasgow und Liverpool, von wo das Produkt nach andern Ländern geht. 1890 besaßen die 263 Fabriken 1016111 Spindeln, 28612 Maschinenstühle und 71788 (23848 männl., 47940 weibl.) Arbeiter. Daneben bestehen Baumwollspinnereien, Jute- und Hanffabriken und Musselinstickerei in Belfast, das auch Maschinenbauwerkstätten und Schiffswerfte besitzt. Die Branntweinbrennerei (29 Brennereien) ist sehr ansehnlich, ebenso die Bierbrauerei. Der Dubliner Porter (Brauerei Guineß) ist berühmt. Die Branntweinbrennerei liefert besonders das Nationalgetränk Whisky. Die Hauptausfuhr nach Großbritannien besteht in Irish Provisions (Speck, gesalzenes Fleisch und Butter), außerdem in Schlachtvieh, Hafer und