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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Irland (Kirchliche Verhältnisse. Unterrichtswesen. Verfassung und Verwaltung)

2827 uneheliche, d. i. im Durchschnitt 2,7 Proz. (0,8 in Connaught, 4 Proz. im industriellen prot. Ulster). Todesfälle wurden 1887: 88585, 1891: 86053, Heiraten 20945 und 21421 gezählt. Der natürlichen Vermehrung um 267653 im Decennium 1881-91 steht die Auswanderungszahl von 768105 gegenüber.

Die Masse der Bevölkerung ist kelt. Stammes und die Einwanderungen früherer Zeiten von Skandinaviern, von Spaniern, Engländern und Schotten haben den einheitlichen Charakter irischer Nationalität nicht verwischt, wenn auch die kelt. Sprache völlig in den Hintergrund getreten ist. 1861 sprachen noch 1½ Mill., 1871 nur noch 817875 E., d. i. 15 Proz., 1881: 950000, d. i. 18,4 Proz. irisch, darunter etwa 64000 nur irisch, die übrigen auch englisch. 1891 war die Zahl der bloß irisch Sprechenden auf 38197 oder 0,81 Proz. herabgesunken. Englisch und irisch wird von 642053 Personen gesprochen = 13,6 Proz. Der allmähliche Auflösungsprozeß des kelt. Idioms erhellt aus dem Umstande, daß von allen irisch Redenden nicht ein Drittel in der Generation unter 20 Jahren zu finden ist. Am meisten herrscht es noch in den bergigen Landschaften vor, besonders im NW. der Insel. (S. auch Irische Sprache und Litteratur.) Einschneidender sind die religiösen Gegensätze.

Kirchliche Verhältnisse. Von der Gesamteinwohnerzahl sind 75,4 Proz. römisch-katholisch, 12,8 Proz. episkopalistische Protestanten, 9,5 Presbyterianer und 1,2 Proz. Methodisten. Die Katholiken (3547307) stehen unter 4 Erzbischöfen zu Armagh, Dublin, Cashel und Tuam und 23 Bischöfen, nebst fast 1000 Kirchspielpriestern und 1750 Kuraten. An der Spitze der prot. Church of Ireland stehen die 2 Erzbischöfe von Armagh und Dublin, 11 Bischöfe und 1700 Pfarrer. Zu ihr gehören 600103 E. Sie ist durch das Gesetz von 1869 entstaatlicht und von der Anglikanischen Kirche Englands völlig getrennt. Ihre Würdenträger hörten auf als Staatsbeamte eine bevorrechtete Stellung zu genießen, und verloren Sitz und Stimme im Hause der Lords. Das Vermögen an Ländereien, Zehnten und Geld, auf 14 Mill. Pfd. St. veranschlagt, wurde zur Unterstützung und Erweiterung von Irrenhäusern, für Blinde und Taubstumme, für Institute zur Ausbildung von Krankenwärterinnen, Besserungsanstalten für jugendliche Verbrecher und freie Apotheken verwandt. Die Zahl der Presbyterianer beträgt 444974, der Methodisten 55500, der Independenten 17017, der Israeliten 1798. Von den Protestanten leben 60 Proz. (789036) in der Provinz Ulster, und hier, wo auch die Engländer am zahlreichsten, die Industrie hochentwickelt ist, herrscht auch eine starke unionistische Gegenströmung gegen die separatistischen Wünsche der nationalistischen Parteien, die in der Home-Rule-Frage zum Ausdruck kommen.

Unterrichtswesen. Der Elementarunterricht ist seit Erlaß des Schulgesetzes von 1892 obligatorisch und unentgeltlich; er steht unter Aufsicht einer Kommission für Nationalerziehung. Seit 1886 sind die Fortschritte unverkennbar. Die Zahl der Schulen ist von 8024 auf 8346 gestiegen, der durchschnittliche Schulbesuch betrug 1886: 490484, 1891: 506336. Die staatlichen Zuschüsse betrugen (1891) 969853 Pfd. St., dazu kommen noch 128637 Pfd. St. aus Stiftungen, Schenkungen u. s. w. Der Prozentsatz der Analphabeten fiel im Jahrzehnt 1881/91 von 25,3 auf 18,4 Proz. Doch ist die Zahl der Analphabeten noch groß. 1890 konnten 20,4 Proz. Männer und 20,9 Proz. Frauen die Trauungsurkunde nicht unterzeichnen. Die höchsten Ziffern zeigt die Provinz Connaught. - Der mittlere Unterricht ist nicht staatlich organisiert, nur besteht eine Prüfungsbehörde (Intermediate Education Board), vor der 1881: 6952, 1890: 5236 Knaben und Mädchen ein Examen ablegten. Die Zahl der Schulen privaten Charakters beträgt etwa 1500 mit 200000 Schülern. - Für den akademischen Unterricht sorgt seit 1592 die mit reichen Mitteln versehene anglikan. Universität zu Dublin (Trinity College). Daneben bestand zu Dublin seit 1850 die Queen's University, welche allen ohne Rücksicht auf religiöse Konfession geöffnet war; sie ist 1880 durch die bloß examinierende Royal-University von I. ersetzt worden. Die Lehranstalten derselben sind die Queen's Colleges in Belfast, in Cork und in Galway, welche auch weibliche Studenten zulassen. Die 1854 gegründete Roman-Catholic-University zu Dublin setzt sich zusammen aus den University College und Medical School in Dublin, St. Patrick's College in Maynooth und Carlow, University College in Blackrock und Holy Cross College in Clonliffe. In Verbindung mit den Universitäten stehen 15 Colleges mit ungefähr 3500 Studenten. Das 1795 gegründete Maynooth College bildet Studierende der Theologie zu irischen Priestern aus und ist auf 520 Aspiranten eingerichtet. Das theol. College der General Assembly zu Belfast hat die meisten irischen Presbyter-Geistlichen ausgebildet. Im Interesse derselben Religionsgemeinschaft ist das Magee College zu Londonderry thätig. Die Katholiken haben 7 Colleges im ganzen. Das College der Wissenschaften für I. trat 1867 an die Stelle des Museums für irische Industrie; es lehrt Naturwissenschaften und Mathematik und zerfällt in die Abteilungen für Bergbau, Ackerbau, Ingenieurwesen und Manufakturen, in dreijährigen Kursen, wovon das letzte Jahr dem Specialfach gewidmet ist. Den höhern Unterricht für das weibliche Geschlecht erteilt noch das 1866 gegründete Alexandra College zu Dublin, die Gouvernanten-Association, das Lady's Institute zu Belfast und das Queen's Institute für weiblichen Unterricht. Außerdem giebt es in I. 10 mediz. Schulen, ferner zu Dublin zahlreiche Gesellschaften zur Förderung von Kunst und Wissenschaft. - Über das Zeitungswesen s. Großbritannien und Irland (Bd. 8, S. 423).

Verfassung und Verwaltung. An der Spitze der vollziehenden Gewalt steht der in Dublin residierende Vicekönig und Generalgouverneur (Lord Lieutenant-General), dessen erster Sekretär, zugleich Geheim-Siegelbewahrer und Mitglied des Kabinetts, die Verwaltungsgeschäfte führt. Der Vicekönig und der Staatssekretär (Chief Secretary) sind dem brit. Ministerium untergeordnet und wechseln mit der jeweiligen Majorität des Unterhauses; ersterer bezieht ein Jahresgehalt von 20000 Pfd. St. und unterhält einen förmlichen Hofstaat, bestehend aus dem Oberhofmeister und dem Generalintendanten, dem Oberkammerherrn, dem Kanzler des Ordens des heil. Patricius, dem Ordensassistenten und dem Wappenkönig (Ulster King of Arms). Im Justizdepartement sind die obersten Staatsbeamten der Lordkanzler, der Lordrichter des Appellationsgerichtshofs (Lord Justice of the Court of Appeal), der Archivar (Master of the Rolls), der Lord-Oberbaron des Schatzkammergerichts, der Richter und der Kronbeamte des Admiralitätsobergerichts für