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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Irland (Geschichte)

vorzugehen, und von den 800000 Morgen Landes, die auf diese Weise dem Könige im Norden der Insel anheimfielen, wurde der beträchtlichere Teil an Schotten oder engl. Spekulanten verkauft. Zu diesen Gewaltthätigkeiten trat noch eine Verschärfung des religiösen Gegensatzes durch den Ausschluß der Katholiken, die in I. die große Mehrzahl bildeten, von allen öffentlichen Ämtern. So kam es nach Straffords energischer Verwaltung kurz vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges in England unter Karl I. zu einer von nationalem und religiösem Fanatismus geschürten Verschwörung, die 23. Okt. 1641 in einem furchtbaren Blutbade ausbrach, dem viele Tausende von prot. Engländern zum Opfer fielen. Mühsam suchte der königl. Statthalter Graf Ormond in den nächsten Jahren einigermaßen die Ruhe herzustellen, er selbst wie das rebellische I. erlag vor Cromwell. Dieser landete 15. Aug. 1649 in I. mit einem zahlreichen und kriegserfahrenen Heere, nahm die Städte Drogheda und Wexford mit Sturm und ließ die ganze Bevölkerung niederhauen. Die Iren wurden dadurch von solchem Schrecken ergriffen, daß sie meist ihre festen Plätze freiwillig aufgaben und in die Moräste entflohen. Binnen neun Monaten hatte Cromwell fast die ganze Insel unterworfen, worauf er den Oberbefehl seinem Schwiegersohn Ireton übertrug, der sein Werk fortsetzte. Das Ziel war die Beendigung des unversöhnlichen Rassen- und Glaubenskampfes durch völlige Verdrängung der kath. Iren, die zur Auswanderung genötigt oder nach dem Westen, nach Connaught, gedrängt werden sollten, während ihr Land an engl. Kolonisten, meist Cromwellsche Soldaten, vergeben wurde. Doch konnte dieser Plan nur teilweise ausgeführt werden.

Die Restauration des Königtums änderte die unglückliche Lage der kath. Irländer wenig. Karl II. stellte zwar die Religionsverfolgung ein, aber die Protestanten behielten die den Eingeborenen entrissenen Güter. Nur einige Iren, die noch vermögend genug waren, einen weitläufigen Rechtsstreit zu beginnen, gewannen auf diesem Wege ihren Grundbesitz wieder zurück. Die kath. Reaktion, die mit der Thronbesteigung Jakobs II. begann, erregte daher unter den Iren große Freude. Nachdem Jakob die engl. Krone verloren hatte, machte er 1689 mit franz. Hilfe den Versuch, sie von I. aus wiederzuerobern. Er fand begeisterten Zulauf; außer Londonderry und Enniskillen fielen alle Plätze in seine Hand, bis sein Gegner König Wilhelm III., der Oranier, selbst erschien und ihn 1. Juli 1690 an der Boyne (s. d.) schlug. Bis zum 1. Aug. war I. völlig Wilhelm III. unterworfen. Freilich wurde den Katholiken freie Religionsübung, wie sie unter Karl II. bestanden hatte, zugesichert, doch gingen trotzdem Tausende ins Ausland, und durch einen Beschluß des engl. Parlaments wurden jetzt nochmals 1 Mill. Morgen Landes konfisziert und an Protestanten verteilt. In den Städten bildeten die Protestanten sog. Oranische Gesellschaften (Orangelogen, s. d.), die mit fanatischem Eifer die kath. Bevölkerung verfolgten und bedrückten. Um jede Regung des kath. und nationalen Elements niederzuhalten, wurden überdies harte Strafgesetze gegen den Katholicismus, sog. Penal laws, eingeführt. Nach diesen Gesetzen mußten die höhern kirchlichen Würdenträger auswandern und niedere Priester durften ihre Grafschaften nicht verlassen; kein Katholik durfte ein öffentliches Amt bekleiden, Grundeigentum erwerben, eine Ehe mit Protestanten eingehen, frei testieren u. s. w.

Obschon diese Gesetze von den prot. Beamten nicht immer streng gehandhabt wurden, so nährten sie doch bittern Haß. Statt der gewünschten eigenen Gesetzgebung wurde 1719 die Poynings-Akte neu bestätigt und 1727 den Katholiken das Wahlrecht zum Parlament überhaupt entzogen. Diese fortlaufenden Bedrückungen trieben das bedrängte Volk zur Selbsthilfe, und es entstand eine Reihe von revolutionären Verbindungen, durch die fortan die Geschichte I.s entscheidend beeinflußt wurde. So thaten sich die sog. Defenders (s. d.) zusammen; um 1760 traten die Whiteboys (s. d.) auf, um harte Grundherren, Pfarrer, Agenten, Beamte zu strafen oder zu ermorden, neben ihnen 1763 die Hearts of oak, d. i. Eichenherzen, die sich gegen die drückenden Straßenbaufronen auflehnten. Im ganzen änderte diese rohe Selbsthilfe die Lage des Landes jedoch nicht. Erst mit dem Freiheitskampfe der nordamerik. Kolonien nahm das Volk einen allgemeinen Aufschwung und nötigte der durch die schweren auswärtigen Kriege bedrängten Regierung einige Zugeständnisse ab. Da Frankreich mit Angriffen auf die irische Küste drohte und das Land von Truppen fast entblößt war, so stifteten die Irländer 1779, angeblich zum Schutze des Landes, ein Korps irischer Freiwilliger, das nach zwei Jahren 50000 Mann zählte. Um einen allgemeinen Aufstand zu verhindern, sah sich das engl. Parlament 1782 genötigt, die Poynings-Akte aufzuheben und den Irländern die legislative Unabhängigkeit zu gestatten. Zugleich wurden die Strafgesetze gegen die Katholiken wenn auch nicht ganz abgeschafft, doch bedeutend gemildert. Besonders drückend blieben für die Katholiken die Zehnten, die sie allenthalben an die prot. Pfarrer entrichten mußten, während sie überdies noch für ihr eigenes Kirchenwesen zu sorgen hatten. Die Härte, mit der viele Pfarrer diese Zehnten eintrieben, brachte 1786 einen geheimen Verein zu Wege, dessen Mitglieder sich Rightboys, d. i. Rechtsburschen, nannten, dem Volke das eidliche Versprechen abnahmen, den Zehnten gar nicht oder nur zu einem bestimmten Betrage abzuführen, und die Wortbrüchigen bestraften.

Außerordentliche Wirkung that natürlich in I. die Französische Revolution, und in ihrer Nachwirkung trat im Nov. 1791 zu Dublin der Bund der Vereinigten Irländer (United Irishmen) zusammen, an dem auch viele Protestanten teilnahmen und der insgeheim die Einleitung einer Revolution betrieb, die I. in eine unabhängige Republik verwandeln sollte. Die Katholiken benutzten die Verlegenheit der brit. Regierung und forderten 1792 auf einer großen Versammlung zu Dublin völlige Rechtsgleichheit mit den Protestanten. Das brit. Parlament suchte den Sturm zu beschwören, indem es die Hindernisse gegen irländ. Handel und Gewerbthätigkeit sowie die berüchtigten Penal laws bis auf wenige Reste aufhob. Die Katholiken erhielten das Recht der Sachwalterschaft vor Gericht und durften von nun an auch Ehen mit Protestanten schließen. Man schaffte 1793 die Strafen ab, in die Katholiken verfielen, wenn sie am Sonntage nicht die prot. Kirche besuchten; auch wurde ihnen das Recht der Teilnahme an den Parlamentswahlen, jedoch nicht das passive Wahlrecht und die Zulassung zu Ämtern niedern Ranges verstattet. Da weitere Forderungen unerfüllt blieben, so ließ der Bund