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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Japan (Finanzen); Japan (Heer); Japan (Unterrichtswesen); Japan (Verfassung); Japan (Verwaltung); Japan (Wappen)

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Japan (Verfassung. Verwaltung. Finanzen. Heer. Wappen. Unterrichtswesen)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Japan (Verkehrswesen)'

Die Herstellungskosten betragen im Durchschnitt 110000 M. für 1 km; das Anlagekapital sämtlicher Bahnen betrug 1889, bei einer Länge von 1952 km, 372474000 M. oder 190796 M. für 1 km.

Zur Unterstützung und Beratung der Regierung ist auf Grund des Gesetzes vom 20. Juli 1892 1. Okt. 1892 nach europ. Muster ein Eisenbahnrat gebildet worden. Der Bedarf an Bahnmaterial wurde zumeist aus England bezogen.

Post und Telegraph sind staatlich. Es gab (1891) 3796 Postanstalten, die 238,76 Mill. Sendungen im innern und 1,11 Mill. im äußern Verkehr verschickten. Vorläufig übersteigen die Ausgaben noch die Einnahmen um 3 Mill. Frs. Die Länge der Telegraphenlinien betrug 12253, der Drähte 62595 km. Im ganzen wurden 4,47 Mill. Depeschen befördert.

Verfassung. Seit 1890 hat J. eine konstitutionelle Verfassung. Der Kaiser hat bedeutende Vorrechte: er behielt u.a. die Entscheidung über Organisation und Friedensstärke des Landheers und der Flotte, über Organisation der Civilverwaltung, über die Gehälter der Beamten u.s.w. Der Landtag (kokkai) besteht aus zwei Häusern, dem Herrenhaus (kizokuin) und dem Abgeordnetenhaus (shugiin). Das Herrenhaus besteht aus den männlichen Mitgliedern der kaiserl. Familie nach zurückgelegtem 20. Lebensjahre, aus den Mitgliedern der zwei ersten Adelsklassen, aus den auf sieben Jahre von ihren Verbänden gewählten Mitgliedern der drei folgenden Adelsklassen. Die Mitglieder der Adelsklassen müssen wenigstens 25 J. alt sein. Außerdem können vom Kaiser noch Mitglieder aus den Höchstbesteuerten aus sieben Jahre oder solche Personen, die sich um das Land verdient gemacht haben, auf Lebenszeit berufen werden. Das Abgeordnetenhaus besteht aus 300 Mitgliedern. Die Einwirkung auf die Festsetzung des Budgets ist beschränkter als bei uns. Die aktive Wahlfähigkeit hängt ab von der Staatsangehörigkeit, dem Alter von 25 Jahren, einjährigem Wohnsitz in einem bestimmten Verwaltungsbezirk und der Zahlung von mindestens 15 Yen (etwa 50 M.) jährlichen Steuern. Aktive Militärbeamte sind nicht wahlberechtigt. Die passive Wahlfähigkeit hängt ab von denselben Bedingungen, nur ist ein Alter von 30 Jahren nötig. Nicht wählbar sind Justiz- und Polizeibeamte, Priester und aktive Militärbeamte. Die Mitglieder gehen aus direkten Wahlen des Volks hervor. Die Wahlen finden alle vier Jahre statt; die jährlich stattfindenden Sessionen sollen höchstens drei Monate dauern. Außer den Reisekosten erhalten die Mitglieder beider Häuser je 800 Yen jährlich, doch fällt dieser Betrag bei Staatsbeamten weg. Persönliche Freiheit sowie Rede-, Preß- und Religionsfreiheit sind gewährt.

Verwaltung und Justizwesen. Nach der neuen Einteilung des Reichs zerfällt J. in drei große Städte (Fu), Tokio, Kioto und Osaka und in Arrondissements (Ken), deren Zahl jetzt 46 beträgt. Früher bestanden 81 Provinzen (s. die Aufzählung derselben auf der Karte: Japan). Tokio ist Residenz, und das Schloß des Shogun daselbst Wohnsitz des Kaisers. Die Insel Jesso mit den Kurilen steht unter der unmittelbaren Verwaltung des Ministeriums des Innern und bildet jetzt ein besonderes Amt: Hokkaidocho genannt. An der Spitze der Verwaltung der Ken und der drei Städte steht ein Präfekt oder Gouverneur (Chiji). Seit 1889 giebt es auch Selbstverwaltung nach ↔ preuß. Muster. Das Staatsministerium besteht seit 1885 aus dem Ministerpräsidenten (Soridaijin) und den Ressortministern (Daijin). Die Anzahl der Ministerien beträgt zehn, nämlich das Ministerium des Auswärtigen, des Innern, der Finanzen, des Krieges, der Marine, des Unterrichts, für Handel und Landwirtschaft, der Justiz, des kaiserl. Hauses und das der Post und Telegraphen. Alle diese Ministerien sind, soweit es die Verhältnisse erlauben, denen in Europa nachgebildet. Als höchster Beirat des Kaisers existiert seit 1888 der Staatsrat (Sumitsin), dem außer den kaiserl. Prinzen und Ministern auch eine Anzahl ernannter Staatsräte angehören. – Die früher barbarische Kriminaljustiz ist bedeutend gemildert worden. Es giebt jetzt Haft, Gefängnis, Zuchthaus, Deportation nach einer Insel und Todesstrafe. Dem Gefängniswesen hat man besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Das Polizeiwesen wurde 1872 nach dem Muster des englischen umgeformt, in neuester Zeit aber nach preuß. Muster reorganisiert. Es giebt 1 Kassationshof (daishinin), 7 Appellhöfe (kosoin), 48 Landgerichte (chihosaibausho) und 299 Amtsgerichte (kusaibausho) mit 1289 Richtern, 406 Staatsanwälten und 7494 Unterbeamten. Zum Kassationshof gelangten (1890) 994, zum Verwaltungsgerichtshof, der seit kurzem besteht, 352, vor die Land- und Amtsgerichte 81395 Fälle. Die Zahl der Verbrechen und Vergehen betrug 149357 (3733 und 145624), Morde gab es 545. Gefängnisse, deren Errichtung zum Teil den Departements obliegt, gab es 167.

Die Finanzen waren bis in die achtziger Jahre in schlechter Verfassung, seitdem aber hauptsächlich durch das Verdienst des Ministers Matsukata in Ordnung gekommen. Das Budget von 1892/93 betrug: ordentliche Einnahmen 79,54, außerordentliche 6,52 Mill. Yen; die ordentlichen Ausgaben 69,039, außerordentliche 17,028 Mill. Yen. Die Grundsteuern ergaben 38,77, die Steuern auf Sakebrauerei 15,588 Mill. Yen; die Einkommensteuer ist unbedeutend. Die größten Ausgaben erforderte das Heer mit über 12 Mill. Yen. Die Staatsschulden belaufen sich auf 299,446 Mill. Yen; das im Umlauf befindliche Papiergeld hat sich seit 1883 auf ein Viertel reduziert und betrug 25,702 Mill. Yen; gemünztes Geld war im Betrage von 10,55 Mill. im Umlauf. Das Einkommen der Gemeinden (aus Gemeindegrundsteuer, Häusersteuer, Patenten u.s.w.) war 1890/91: 22,785, die Ausgaben 21,312 Mill. Yen.

Über Heer und Flotte s. Japanisches Heerwesen.


Textfigur:

Das Wappen ist aus der Blüte des Chrysanthemum gebildet, umgeben von Zweigen von Chrysanthemum und Paulownia. Die Flagge ist weiß mit roter runder Scheibe in der Mitte (s. Tafel: Flaggen der Seestaaten, Bd. 6, S. 862); bei der Kriegsflagge laufen von der Scheibe 16 rote Streifen bis an den Rand der Fahne.

Unterrichtswesen. Öffentliches Schulwesen bestand in der Feudalzeit nur für den Samuraistand, die Kinder der übrigen Stände wurden in Privatschulen (terakoya) unterrichtet. Im Juli 1871 wurde das Unterrichtsministerium errichtet, 1872 erschien die erste Verordnung über Errichtung von Elementar-

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 862.