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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lebensversicherung

Verwandte, treue Diener, alte ledige Personen, Beihilfe zu Erziehungskosten, Mitgift, Berufsstudium, Geschäftseinrichtung, Freiwilligendienst, Kautionsstellung, Auseinandersetzung bei Geschäftsaufgabe und andern Liquidationen, Schulden- und Hypothekentilgung u. a. m.

Die Prämie richtet sich nach dem Alter des Eintretenden und seinem Gesundheitszustand. Normale Prämieneinschätzung genießen nur absolut gesunde Personen; bei den meisten Versicherten ist ein Aufschlag nötig wegen früherer Krankheiten, erblicher Krankheitsanlagen, schlechter Ernährung, ungesunder Wohnung, schädlicher Gewohnheiten, körperlicher Fehler, erschöpfter Gesundheit oder Berufsgefahr u. s. w. Für Übernahme einer zeitweilig erhöhten Gefahr (Kriegs- und Seedienst u. s. w.) wird Extraprämie erhoben. (S. Kriegsversicherung.) Ein Teil der Tarifprämie entfällt für Verwaltungskosten, ein weiterer für den Bedarf zum Ausgleich vorzeitiger Sterbefälle, der Rest ist die sog. Nettoprämie: eine durch die benutzte Sterblichkeitstafel und den angenommenen Zinsfuß bestimmte mathem. Größe, welche notwendig ist, aber auch ausreicht, um in jedem einzelnen Jahre die fällig werdenden versicherten Leistungen zu decken und außerdem diejenigen Beträge zurückzustellen, welche mit den künftig hinzutretenden Teilen der Prämie und Zinseszinsen der Gesellschaft die Gewähr geben, daß sie die von ihr versicherten Leistungen an den voraussichtlichen Fälligkeitsterminen voll zahlen kann. Der nach Abzug des für die erwartungsmäßigen Sterbefälle des laufenden Jahres (das sind die «fälligen versicherten Leistungen») erforderlichen Teils verbleibende Rest der Nettoprämie ohne die eben erwähnten künftig hinzutretenden Prämienanteile ist die Prämienreserve. In der Regel bleibt nämlich die nach Maßgabe des Eintrittsalters jedes Versicherten berechnete Tarifprämie trotz des steigenden Alters des Versicherten für die folgenden Jahre gleich. Mit dem Alter steigt aber die Sterblichkeitswahrscheinlichkeit; es tritt also im Lauf der Versicherung ein Moment ein, von welchem ab die Prämie nicht mehr ausreicht, die durch die Sterblichkeit erforderten jährlichen Kapitalzahlungen zu decken. Deshalb enthält jede Prämie von vornherein einen Betrag, der das anfängliche Risiko übersteigt, aber von den Gesellschaften aufgespart werden muß, um durch Zins und Zinseszins so anzuwachsen, daß er das Minus der spätern Jahresprämie gegenüber dem Plus der spätern Sterblichkeit vollständig ausgleicht. Dieser Betrag in seiner Gesamtsumme heißt der Prämienreservefonds und ist nichts anderes als das Deckungskapital der Gesellschaft für die Verbindlichkeiten, die sie ihren Versicherten gegenüber durch den Versicherungsvertrag übernommen hat, also Eigentum der Versicherten, belastet mit der Bestimmung, daraus das höhere Prämienerfordernis ihres spätern Alters zu decken. Je geringer der Zinsfuß ist, den man der Berechnung zu Grunde legt, desto größer muß natürlich die zurückzustellende Reserve sein; dieser rechnerische Zinsfuß muß geringer sein als der Satz, zu dem sich die Kapitalanlagen wirklich verzinsen. Wenn das der Fall, wenn außerdem die wirkliche Sterblichkeit geringer ist als die rechnungsmäßige, ferner die Geschäftsunkosten womöglich unter dem dafür in der Tarifprämie miterhobenen Beitrag bleiben, so muß die betreffende Gesellschaft bei genügender Geschäftsausdehnung bestehen können und sogar Überschuß erzielen. Eine richtig berechnete Prämienreserve in sichern Werten ist der Prüfstein für die Zahlungsfähigkeit einer Lebensversicherungsgesellschaft.

Je nach der Dauer ihres Bestandes hat jede einzelne Police durch den für sie berechneten und zurückgestellten Prämienreserveanteil einen gewissen Zeitwert, bis zu dessen Höhe sie von der Gesellschaft beliehen werden kann, während letztere auf Verlangen für drei Viertel des Zeitwertes das Dokument vom Versicherten zurückkauft, wenn es eine bestimmte Zeit, etwa 3‒5 Jahre, bestanden hat. Die Gesellschaften ermutigen indes den Rückkauf nicht, da durch ihn der eigentliche Zweck der L., Versorgung der Hinterbliebenen, verloren geht. Für die Verteilung der Jahresüberschüsse bieten die gegenseitigen Lebensversicherungsgesellschaften ihren Mitgliedern oder die Aktiengesellschaften ihren mit Anteil am Gewinn Versicherten die Auswahl unter verschiedenen, mehr oder weniger gleichwertigen Plänen (Dividendenpläne).

Außer der Prämienreserve hat jede vorsichtige Anstalt noch einen aus den Überschüssen anzusammelnden Sicherheitsfonds zur Deckung für unverhofft große Übersterblichkeit (bei Epidemien, u. s. w.) oder direkte Verluste sowie eine Schadenreserve und einen Prämienübertrag. Erstere ist die Rücklage für angemeldete, aber noch nicht regulierte Todesfälle, letzterer (sehr oft ungehörigerweise beim Rechnungsabschluß mit der Prämienreserve zusammen in einer Ziffer ausgedrückt) die Summe der für Zeiträume über den Schluß des jeweiligen Rechnungsjahres hinaus vorausbezahlten, also noch nicht verdienten Prämien.

Die Urkunden, auf Grund deren der Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen wird, sind der Antrag des Bewerbers und die Police des Versicherers; zum Antrage gehört der Altersnachweis (Geburtsurkunde u. s. w.) und bei einer Reihe von Lebensversicherungsformen ein ärztliches Zeugnis. Der Lebensversicherungsvertrag beruht recht eigentlich auf Treue und Glauben; der Antrag muß deshalb durchaus wahrhafte Angaben enthalten, denn er ist die maßgebende Grundlage für den Vertragswillen des Versicherers; wird der Versicherer getäuscht, so sind die Voraussetzungen, unter denen er den Vertrag einging, unzutreffend und es kann von ihm Erfüllung des Vertrags nicht beansprucht werden. Mit diesem Grundsatze der vom Antragsteller zu fordernden «Vertragstreue» steht und fällt die rechtliche Grundlage des Vertrags. Macht der Versicherer sich verbindlich, das Versprochene zu leisten, auch wenn sich herausstellt, daß er vom Antragsteller hintergangen ist und daß die Voraussetzungen des Vertragsabschlusses falsch waren, so hört der Vertrag auf, Versicherungsvertrag zu sein. Die Unanfechtbarkeit der Police, die 1886 von einigen deutschen Anstalten (in Amerika, und England kannte man sie schon länger) eingeführt wurde, und die übrigens erst nach Ablauf einiger Jahre eintritt, aber gegen offenbaren Betrug auch dann nicht schützen soll, wird von anderer Seite bestritten. Sie beruht auf dem Gedanken, den Versicherungsnehmer vor dem beunruhigenden Gefühl zu bewahren, daß sich nach seinem Tode Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und seinen Hinterbliebenen ergeben könnten, welche die letztern der Gefahr aussetzen, die Versicherungssumme zu verlieren. Aus den Angaben des Antragstellers, verbunden mit dem Altersnachweis, dem ärztlichen Zeugnis