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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Lebensgeist – Lebensversicherung

Umständen den Begriff der L. aus. Der Code civil und das Badische Landr. Art. 314, 725, 906 stellen die L. als Erfordernis für die Rechtsfähigkeit auf; sie nehmen aber diese bei lebend geborenen Kindern bis zum Beweise des Gegenteils als gegeben an. Die Nachfolger des Code civil fordern zum großen Teil noch die Erfüllung näher angegebener Voraussetzungen der L. So stellt z. B. das Span. Gesetzbuch von 1889 im Art. 30 auf, um die Rechte einer Persönlichkeit zu erlangen, müsse das geborene Kind menschliche Gestalt haben und 24 Stunden nach der völligen Trennung von der Mutter gelebt haben. Die neuern deutschen Rechte, das Bayrische Landrecht, das Preuß. Allg. Landrecht, das Sächs. Bürgerl. Gesetzbuch und das Österr. Bürgerl. Gesetzbuch erfordern die L. nicht, ebensowenig das Gemeine Recht und der Deutsche Entwurf. Auch die Strafbarkeit der Tötung (Deutsches Reichsstrafgesetzb. §§. 211, 222) ist nicht dadurch bedingt, daß das getötete Kind lebensfähig war.

Lebensgeist (Spiritus vitalis), in den ältern mediz. Schulen die Bezeichnung für ein hypothetisches Lebensprincip.

Lebenshaltung, s. Standard of life.

Lebensknoten oder Atmungscentrum (frz. nœud vital), eine kleine umschriebene Stelle des verlängerten Marks (s. Gehirn, Bd. 7, S. 676 b) am hintern Ende der Rautengrube und der vierten Hirnhöhle, deren Durchschneidung oder Zerstörung bei Warmblütern sofortigen Tod durch Stillstand der Atembewegungen und des Herzens bewirkt. Aus diesem Grunde wurde die Stelle zuerst von dem franz. Physiologen Flourens als L. bezeichnet.

Lebenskraft (Vis vitalis), die Fähigkeit lebender Organismen, zu bestehen und thätig zu sein. Die L. wurde früher den physik. und chem. Kräften als etwas von ihnen wesentlich Verschiedenes gegenübergestellt, wird aber von der neuern Physiologie auf eben diese Kräfte zurückgeführt.

Lebenslauf, s. Biographie.

Lebenslinie, eine der fünf Hauptlinien in der Chiromantie (s. d.).

Lebensluft, alte Bezeichnung für den Sauerstoff (s. d.), weil er für das Dasein aller tierischen Organismen unentbehrlich ist.

Lebensmagnetismus, s. Tierischer Magnetismus.

Lebensmerkur, s. Algarottpulver.

Lebensöl, soviel wie Lebensbalsam (s. d.), Hoffmannscher.

Lebenstropfen, s. Geheimmittel.

Lebensverlängerung, s. Makrobiotik.

Lebensversicherung, ein Vertrag, durch den sich jemand urkundlich verpflichtet, gegen eine voraus bestimmte Vergütung für den Fall des innerhalb eines gewissen Zeitraums oder überhaupt eintretenden Todes einer oder mehrerer Personen eine im voraus bestimmte Geldsumme auszuzahlen. Im weitern Sinne umfaßt die L. sämtliche Verträge über Leibrenten, Witwenversorgung, Pensionen, Arbeiter-, Kranken- und Sterbekassen, Überlebensversicherungen für verbundene Leben, ferner Policen auf den Lebensfall (Aussteuerversicherung und Altersversorgung) sowie Versicherungen auf Tod durch Unfall bei Reisen und im Beruf, beim Kriegs- und Seedienst (s. Unfallversicherung und Rente); im engern nur die Versicherung eines Kapitals, namentlich auf den Todesfall, die eigentliche, sog. einfache L., bei welcher der Versicherer beim Tode einer zweifellos bezeichneten Person ein vorher festgesetztes Kapital auszahlt gegen die Verpflichtung des Versicherungnehmers, die vorher bestimmte Prämie, selten in einer Summe (die auch bei der Rente als Mise, Rentenkaufkapital, erscheint), meist in jährlichen, halb-, vierteljährlichen oder monatlichen Raten bis zum Tode des Versicherten oder eine bestimmte Reihe von Jahren hindurch zu entrichten. Staatliche Lebensversicherungsanstalten giebt es bisher nicht. Das natürlichste Princip der L. ist die reine Gegenseitigkeit; daher besteht bei den meisten Lebensversicherungs-Aktiengesellschaften wenigstens eine Abteilung zur Versicherung mit Anteil am Geschäftsgewinn.

Die L. entstand später als die See- und die Feuerversicherung. Im 17. Jahrh. gab es allerdings schon Vereine zu gegenseitiger Beerbung sowie Innungssterbekassen (Totenladen), doch ohne die für die L. unentbehrlichen statist. und mathem. Grundlagen. Letztere boten sich erst in den Sterbetafeln dar (s. Sterblichkeitsstatistik). Die ersten eigentlichen, zum Teil noch heute bestehenden Lebensversicherungsinstitute hatte England (die Amicable Society von 1706 war die erste eigentliche Lebensversicherungsanstalt); Nordamerika erst seit dem 19. Jahrh., jetzt aber in großer Zahl und von bedeutender Ausdehnung. In Frankreich waren schon lange die Leibrenten beliebt, für den eigenen Genuß berechnet, ehe das Bedürfnis einer Sorge für Hinterbliebene durch die Assekuranz recht erkannt wurde. Dort entstanden 1653 die sog. Tontinen oder Erbklassenrenten, deren Grundsätze vielfach auch auf den Kinderversorgungsvertrag angewendet werden. In Deutschland wurde erst 1827 von E. W. Arnoldi (s. d.) in Gotha die erste große gegenseitige Lebensversicherungsbank gegründet, fast gleichzeitig in Lübeck eine auf Aktien. Diesen beiden folgten zahlreiche andere, soweit sie noch bestehen, aus der Tabelle auf S. 1038 u. 1039 ersichtlich. In Österreich-Ungarn bestanden 1891 19 Lebensversicherungsgesellschaften, davon 7 auf Aktien und 12 auf Gegenseitigkeit. Alle andern Kulturländer besitzen jetzt zum Teil große und gute Lebensversicherungsbanken, namentlich Schweden, Belgien, die Schweiz, Holland, endlich Rumänien, Italien, Rußland u. s. w.

Die gebräuchlichste und einfachste Art der L. ist die Versicherung eines Kapitals auf den Todesfall. Hier kann die Erfüllung des Vertrags auch vom Leben zweier Personen abhängig gemacht werden, bei der Versicherung verbundener Leben nämlich, wenn z. B. das versicherte Kapital beim Tode des von zwei Gatten, Geschwistern, Compagnons u. s. w. zuerst Sterbenden fällig sein soll. Die Kapitalversicherung auf den Lebensfall begreift in sich die Versicherung eines Kapitals, fällig bei Erreichung eines bestimmten Alters, zu Zwecken der Braut- und Wehrdienstaussteuer (Aussteuerversicherung) sowie der Altersversorgung (s. d.). Außerdem giebt es aufgeschobene L., abgekürzte L., ferner L. auf Frist, und zahlreiche andere Tarife und Kombinationen, da die L. nicht nur zu Gunsten der Familienglieder oder einer andern bestimmten Person geschlossen werden kann, sondern im allgemeinen zu Gunsten der Rechtsnachfolger des Versicherten, oder seiner Gläubiger, oder des Inhabers der Police überhaupt, und der Antragsteller mit der versicherten Person keineswegs identisch zu sein braucht; solche Zwecke sind: Erbschaftsregulierung, Sicherstellung von Darlehen, Sorge für Waisen, hilfsbedürftige