Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

174

Lille

hat (1891) 149 973, als Gemeinde 201 211, mit den Vororten Loos und La Madeleine 218 824, 1896 als Gemeinde 216 276 E.

L. ist geräumig und gut gebaut, besonders in den neuern Teilen (seit 1860), und hat lange Boulevards (de la Liberté, Vauban), breite Straßen und große Plätze (Place de la République). (S. nachstehenden Situationsplan.)

^[Abb.]

^[Abb.: Lille (Situationsplan)]

Gebäude und Bildungswesen. Die wichtigsten Bauwerke sind: die St. Moritzkirche, die got. Katharinenkirche (16. Jahrh.), die Magdalenenkirche von 1675 und die Andreaskirche (1702-59), beide im griech. Stile aufgeführt, die Stephanskirche, die neue Kirche von Wazemmes, besonders aber die an der Stelle des alten Château du Buc (der Wiege der Stadt) 1855 begonnene und im Kreuzbogenstil des 13. Jahrh. aufgeführte großartige Kirche Notre-Dame de la Treille et St. Pierre; ferner das Stadthaus (1846 aufgeführt), das eine reiche Gemäldegalerie (Rubens, Ruisdael, Claude Lorrain, Hals, Paolo Veronese u. a.), das kostbare Wicar-Museum mit 1435 Zeichnungen und der berühmten, Raffael zugeschriebenen Wachsbüste des "Mädchens von L.", das ethnogr. Moillet-Museum, ein archäol. und ein technolog. Museum sowie ein Münzkabinett enthält; das Palais des Departementalarchivs, der große Justizpalast, die Präfektur, das Zeughaus, das alte Münzgebäude, die Börse (1652 in span. Stil erbaut, mit einer Statue Napoleons I.), das Theater, der Konzertsaal. Bildungsanstalten sind: die freie kath. Universität mit 5 Fakultäten und 56 Docenten, die staatlichen 4 Fakultäten (78 Docenten, 1118 Studierende), Lyceum, Collège, Maler- und Zeichenschule, Konservatorium für Musik, zahlreiche gelehrte Gesellschaften und der botan. Garten. Täglich erscheinen 5 Zeitungen. Ferner besitzt L. ein Armenhaus, Gefängnis, 5 Hospitäler, Irrenhaus, Taubstummenanstalt, Findelhaus.

L. ist der Sitz der Departementsbehörden, eines Gerichtshofs erster Instanz, eines Assisenhofs, eines Handelsgerichts, mehrerer Friedensgerichte, einer Handelskammer, eines Gewerberats, einer Filiale der Bank von Frankreich, ferner des Kommandos des 1. Armeekorps, der 1. Infanterie- und 1. Kavalleriebrigade. Die Garnison bildet das 43. Infanterieregiment, das 16. Jägerbataillon zu Fuß, das 19. Jägerregiment zu Pferd, das 1. Festungsartilleriebataillon, die 1. Abteilung des Trains und die 1. Gendarmerielegion.

Industrie. Großartig ist die Fabrikthätigkeit auf allen Gebieten, namentlich die Textilindustrie, Baumwollspinnerei und Weberei; dagegen ist die früher blühende Fabrikation von Spitzenzwirn, Spitzen und Tüll in Abnahme. Außerdem liefert L. Posamentierarbeiten und Strumpfwaren. Es bestehen ferner verschiedene Maschinen- und Instrumentenbau-Anstalten, Schneidemühlen, Fabriken für Fässer, Wollkratzen, Seilerwaren, Chemikalien, Seife, zahlreiche Ölmühlen, Garn- und Leinwandbleichen, Brennerei, eine Tabakmanufaktur, große Zuckersiedereien u. s. w. - Sehr bedeutend ist der Handel mit den eigenen Erzeugnissen, mit Kolonialwaren, Wein, Branntwein, Tabak, Krapp und Kohlen.

Verkehr. Im Innern dienen zahlreiche Pferdebahnlinien dem Verkehr, wichtig ist das an die Deule anschließende Kanalnetz. L. ist Haupteisenbahnknotenpunkt der Linien Paris-L.-Tourcoing, Hazebrouck-L. (44 km), L.-Tournai (franz. Grenze, 17 km), L.-Béthune (36 km), Valenciennes-L. (48 km), L.-Armentieres-Berguette-St. Omer (65 km), L.-Comines (belg. Grenze, 23 km).

Festung. L. ist Centralpunkt der Verteidigung der Depart. de-Calais, beherrscht den Abschnitt an der belg. Grenze zwischen Schelde und Lys und kann unter Umständen den linken Flügel der dritten Verteidigungslinie gegen Deutschland bilden. Die bastionierte Enceinte ist erweitert und L. durch einen Gürtel detachierter Forts zu einem Hauptwaffenplatz erhoben worden, dessen äußerer Umfang 80 km mißt. Im N. liegen die Forts Vert-Galant und Bondues, im W. Premesques und Englos (5-6 km von der Stadt), im S. Seclin und Sainghin (7-8 km), im O. Das Fort Mons-en-Baroeul und die Batterie Camp français (3½ km).

Geschichtliches. L. bestand anfangs nur aus einem Schloß Balduins I. zwischen den Flüssen Deule und Lys, daber l'isle, "die Insel", später L. genannt. Balduin IV. umgab es 1030 mit Mauern. Philipp der Gute machte es zu seiner