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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Liquidationskassen

mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, erfolgen. Liquidatoren, welche nicht vom Gericht bestellt sind, können durch Beschluß der Gesellschafter abberufen werden. Anmeldung zum Handelsregister und Zeichnung ähnlich wie bei den übrigen Handelsgesellschaften. Beschränkung der Verteilung des Gesellschaftsvermögens vor Befriedigung oder Deckung der Schulden und nicht vor einem Jahre, Bilanz, Aufbewahrung der Bücher wie bei der Genossenschaft.

Bei der Gelegenheitsgesellschaft (s. d.) besorgt der Teilnehmer, welcher das gemeinschaftliche Geschäft führte, die L.; bei der Stillen Gesellschaft (s. d.) der Inhaber des Handelsgewerbes die L. der bei Auflösung der Gesellschaft noch schwebenden Geschäfte.

Liquidationskassen oder Liquidationsbureaus oder auch Abrechnungsbureaus, handelstechnische Einrichtungen zur Vereinfachung der Abrechnung von Zeitgeschäften (s. d.). Es kommt hierbei eine bestimmte Abrechnungsweise, das sog. Clearing-System (s. Clearing-House), zur Anwendung. Letzteres ermittelt aus einer Reihe von Geschäftsabschlüssen (Kontrakten), die auf einen bestimmten Termin erfüllt werden sollen, durch Gegenüberstellen (Saldieren) der von A an B, von B an C, von C an D u. s. w. bewirkten Käufe oder Verkäufe die Saldi der zu liefernden oder abzunehmenden Waren oder Effekten, wobei einerseits diejenigen Parteien, deren Käufe und Verkäufe sich decken, "kompensieren", aus der Lieferungsreihe ausgeschieden, andererseits Lieferanten und Abnehmer festgestellt werden. Die Berechnung geschieht zum sog. Liquidations- oder Kompensationskurse, welcher kurz vor dem Lieferungstermin für alle Zeitgeschäfte einheitlich und amtlich festgestellt wird. (S. Kurs.)

Für die Abrechnung von Zeitgeschäften in dem Effektenhandel wurde genanntes Abrechnungsverfahren in Berlin 1869 durch Gründung eines Liquidationsvereins für Zeitgeschäfte eingeführt, für welchen die Bank des Berliner Kassenvereins die Errichtung eines Liquidationsbureaus übernahm. Die Abwicklung hat folgenden Verlauf: Zwei Tage vor Ultimo liefert jedes Mitglied des Vereins für jedes Effekt einen Abrechnungsbogen (Scontrobogen) ein, in welchem die Namen sämtlicher Vereinsmitglieder vorgedruckt sind. In dem Bogen ist der Saldo, den ein Mitglied mit einem andern im laufenden Monat in dem betreffenden Effekt hat, so aufzuführen, daß die Eintragung links vom Namen erfolgt, wenn der Saldo zu beziehen, rechts davon, wenn der Saldo zu liefern ist. Wer Effekten zu beziehen hat, fügt einen Empfangsbelag (Abnahmezettel, Lieferungsschein) bei, der von dem Bureau in mehrere Unterbeläge zerlegt werden kann, wenn er in seinem Gesamtbetrage nicht verwendbar ist. Am Tage vor Ultimo lassen diejenigen, die Lieferungsbeläge zu empfangen haben, dieselben vom Bureau abholen und bereiten die Lieferung der Effekten vor. Am Ultimo erfolgt die Lieferung und Bezahlung derselben, am ersten Börsentage nach Ultimo die Begleichung der gegen die Liquidationskurse sich ergebenden Differenzen. Erfolgt die Abnahme oder Lieferung von seiten des dazu Verpflichteten nicht rechtzeitig, so veranlaßt das Bureau die Zwangsregulierung (Exekution), die nach bestimmten Vorschriften zu geschehen hat. Zur Vermeidung von Irrtümern pflegen die Mitglieder schon vorher durch Zusendung von Abstimmungskarten ihre Saldi zu vergleichen. Ähnlich geschieht die Liquidation in Frankfurt a. M. durch das Bureau des Kollektivscontro, in Wien durch das vom Wiener Giro- und Kassenverein (seit 1872) geleitete Arrangementsbureau, in London (seit 1874) und Neuyork (seit 1892) durch das Stock Exchange Clearing-House, in Paris durch die Liquidation centrale.

Für die Abwicklung von Geschäften im Warenhandel kommen in Betracht: a. die Kündigungsregistraturen, welche, wie in Berlin und Wien, von der am Platz bestehenden Terminbörse (Produktenbörse) ausgehen; b. die als selbständige Aktiengesellschaften errichteten L. zur Durchführung des Terminhandels. Als solche sind anzuführen die als erste derselben 1882 gegründete Caisse de liquidation des affaires en marchandises in Havre für den Kaffee-, Baumwoll-, Schweineschmalz- und Indigohandel, die Caisse de liquidation des opérations sur merchandises in Paris für den Weizen-, Roggen-, Mehl-, Zucker-, Spiritus-, Rüb- und Leinölhandel, die gleichnamige Kasse zu Antwerpen, die Warenliquidationskasse zu Hamburg für Kaffee, Rübenrohzucker und Baumwolle, diejenige zu Magdeburg für Zucker, das London Produce Clearing-House für Kaffee, Zucker, Thee, Weizen, Rohseide und Silber, die Abrechnungskasse für Kammzuggeschäfte in Leipzig. - Die Kündigungsregistratur in Berlin verlangt die Erledigung der Geschäfte nach einem bestimmten Kündigungsreglement. Laut Schlußschein und laut Reglement ist der Verkäufer verpflichtet, die Lieferung innerhalb des bedungenen Termins dem Käufer durch Übergabe eines Kündigungsscheins anzukündigen (anzudienen). Die Ankündigungen erfolgen nur in dem Kündigungssaale der Börse zu einer bestimmten Zeit und zu dem Preise, welcher am Kündigungstage als Kündigungspreis von der Börsenkommission ermittelt und publiziert worden ist. Der Kündigungsschein wird der Registratur zur Eintragung, Numerierung und Abstempelung übergeben. Die Aushändigung der Scheine an die Abnehmer erfolgt mittels Aufrufs durch den Kündigungsbeamten. Alsdann wird der Schein durch Girieren weiter gegeben, bis er zu dem letzten Käufer gelangt, der die angekündigte Ware abnehmen muß. Die erfolgte Abnahme hat der Aussteller des Scheines sofort dem Kündigungsbeamten zu melden, der diese Meldung durch Anschlag im Kündigungssaale zur Kenntnis der an dem Scheine beteiligten Parteien bringt, damit daraufhin letztere die Ausgleichung des Preisunterschiedes zwischen Kontrakts- und Kündigungspreis vornehmen können. In Wien und Budapest werden nach Beendigung der Cirkulation die Kündigungsscheine im Börsensekretariat abgegeben, woselbst auf Grund derselben amtlich die Berechnung der Differenzbeträge erfolgt, und woselbst die Legitimationsscheine auf den Namen des zur Übernahme der Waren berechtigten und verpflichteten Interessenten ausgestellt werden.

Die L. besorgen nicht nur die Kassenführung und Abrechnung für ihre Mitglieder, sondern sie garantieren auch gegen Provision beiden Parteien die ordnungsmäßige Erfüllung der Geschäfte. Die Garantie erfolgt dadurch, daß der bei der Kasse zugelassene Makler sofort nach Abschluß des Geschäfts jedem Kontrahenten gestempelte Schlußnoten erteilt,