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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Luzern (Stadt)

Farnbühl und die erdigen Eisenquellen von Rigi-Kaltbad und Knutwyl.

Industrie, Handel, Verkehrswesen. Die Industrie erstreckt sich auf Baumwollspinnerei und -Zwirnerei, Florettseidespinnerei, Seidenzwirnerei, -Winderei und-Weberei, Halbleinen- und Wollwarenfabrikation, Eisen-, Kupfer- und Messingblechwerke, Maschinenfabrik mit Gießerei, ferner Fabrikation von Papier, Holzstoff, Cigarren und Cigaretten. Hauptindustrieorte sind Kriens, Reiden, Emmen, Dagmersellen, Triengen, Littau und Perlen. Die Strohflechterei ist besonders an der aargauischen Grenze verbreitet. 1888 bestanden 70 Fabriken, darunter 58 mit Motoren (2173 Wasser-, 703 Dampfpferdestärken), mit 2788 (1674 männl., 1114 weibl.) Arbeitern, darunter 536 (229 männl., 307 weibl.) unter 18 Jahren. 12 Brauereien brauten (1891) 70 350 hl Bier. Der Handel erstreckt sich auf Getreide, Käse, Vieh, Kirschwasser, Salz, Öl, Kolonialwaren, Holz und Metalle sowie besonders auf Durchfuhr nach Italien mittels der Gotthardbahn.

Verfassung und Verwaltung. Die Verfassung vom 28. Febr. 1875 (revidiert 11. Okt. 1882 und 26. Nov. 1890) ist repräsentativ-demokratisch. Die Souveränität wird vom Großen Rat ausgeübt. Dieser wird von den 55 Wahlkreisen, je ein Mitglied auf 1000 Seelen der Wohnbevölkerung, auf vier Jahre gewählt. Gesetze, Verträge und Finanzdekrete müssen auf innerhalb 40Tagen geäußertes Verlangen von 5000 Bürgern der Volksentscheidung unterstellt werden (fakultatives Referendum). Der Große Rat führt die Oberaufsicht über die Verwaltung, setzt das jährliche Budget und die Steuern fest, genehmigt Verträge und Anleihen u. s. w. Vollziehende Behörde ist der Regierungsrat, welcher aus sieben Mitgliedern besteht. Diese dürfen nicht Mitglieder des Großen Rates sein, müssen aber an den Sitzungen desselben teilnehmen, können Anträge stellen und mit beraten. In administrativer Hinsicht teilt sich der Kanton in fünf Amtsbezirke; an der Spitze jedes Amtsbezirks steht ein Amtsstatthalter; jeder Gemeinde steht ein Gemeinderat vor und ein Gemeindeammann als Polizeibeamter. Der Gemeindeschreiber ist zugleich Civilstandesbeamter. Für das Gerichtswesen zerfällt der Kanton in 92 Friedensrichterkreise und in 19 Bezirksgerichte (7 Mitglieder), über denen als höchste Instanz das Obergericht (9 Mitglieder) in L. steht. Die Kriminalsachen werden in erster Instanz von dem Kriminalgericht (5 Mitglieder) erledigt. Die Amtsdauer beträgt für alle Behörden vier Jahre. Die Staatseinnahmen beliefen sich (1894) auf 1,830 Mill., die Ausgaben auf 1,968 Mill. Frs., die Staatsschuld auf 5,553, das reine Staatsvermögen auf 6,572 Mill. Frs. In militär. Beziehung gehört der Kanton zum Stammbezirk der 4. Division. Das Wappen ist ein von Blau und Silber senkrecht geteilter Schild.

Kirchen- und Bildungswesen. In kirchlicher Hinsicht gehört der Kanton, der noch zwei Chorherrenstifte in L. und Münster sowie fünf Klöster zählt, zum Bistum Basel. Das Unterrichtswesen besorgt ein Erziehungsrat von fünf Mitgliedern, dessen Präsident aus der Mitte des Regierungsrates gewählt wird. Von höhern Lehranstalten bestehen Realschulen und Progymnasien zu Willisau, Sursee und Münster, ein Lehrerseminar in Hitzkirch und mehrere Lehranstalten in der Hauptstadt L. (s. unten). 1893 bestanden in 171 Schulgemeinden 328 Primärschulen, 8 Kleinkinderschulen, 39 Sekundärschulen, 3 Mittelschulen, 1 Kantonsschule mit Anschluß an das akademische Studium, eine Lehrerbildungsanstalt, endlich eine kunstgewerbliche, gewerbliche und industrielle Schule, 1 Winterschule und 63 Fortbildungsschulen. Von Wohlthätigkeitsanstalten sind zu erwähnen die große Irrenanstalt in der ehemaligen Cistercienserabtei St. Urban, die Taubstummenanstalt Hohenrain, die kath. Rettungsanstalt Sonnenberg und die Erziehungsanstalten für arme Kinder in Rathausen, Sursee und Marienburg.

2) Bezirk im Kanton L. (s. oben, Tabelle).

3) Hauptstadt des Kantons L., am Ausfluß der Neuß aus der Luzerner Bucht des Vierwaldstätter Sees, in 438 m Höhe, an den Linien Zürich-Zug-L. (67 km) der Nordostbahn, Basel-L. (95 km) der Jura-Simplon-Bahn,L.-Bellinzona (176 km) der Gotthardbahn und L.-Brienz (58 km) der Brünigbahn, mit Dampfstraßenbahn nach Kriens (3 km), ist Sitz der Kantonsbehörden sowie der Direktion der Gotthardbahn und hat (1888) 20 314 E., darunter 2757 Evangelische und 182 Israeliten; 31. Dez. 1895: 25 721 E.

^[Abb.]

Die Stadt wird durch die Reuß in zwei ungleiche Hälften geteilt. Von den fünf Brücken ist die 1870 vollendete monumentale Seebrücke die schönste; die um das J. 1333 erbaute Kapellbrücke, die, vom Wasserturm (in demselben das Archiv) gestützt, sich schief und winklig über die Neuß zieht, die älteste und merkwürdigste. Mit seinen stattlichen Quais (Schweizerhofquai, 1852 angelegt) und Brücken, seinen großartigen Neubauten, vielen Türmen und altertümlichen Ringmauern bietet L. eins der schönsten Städtebilder der Schweiz. Auf dem linken Ufer in der Kleinstadt liegen der neue Bahnhof, ein stattlicher Kuppelbau, die Post und das Telegraphenamt, das Theater, das ehemalige Jesuitenkollegium, jetzt Regierungsgebäude, mit schönem Hof, Staatsarchiv und Münzsammlung, die an Helveticis reiche Bürgerbibliothek, die Jesuitenkirche, ein Barockbau von 1667, die got. Barfüßerkirche, das Museum mit der Kantonsbibliothek (90 000 Bde.) und dem Naturalienkabinett, das Kantonsschulgebäude, der spätgot. Weinmarktbrunnen (1481), hübsche Wohnhäuser des 16. und 17. Jahrh., das Zeughaus, Waisenhaus, Schlachthaus, die Kaserne, Reitschule und Strafanstalt. Die auf dem rechten Ufer gelegene Großstadt hat in ihren ältern, zwischen der Reuß und dem Hügelrücken der Musegg eingeengten Teilen schmale, unregelmäßige Gassen mit altertümlichen, neuerdings schön bemalten Häusern, während die neuern Quartiere nördlich vom See breite Straßen, große Plätze und von Alleen beschattete Quais aufweisen, die nachts elektrisch beleuchtet werden. Bemerkenswerte Gebäude sind das Rathaus (1601) mit der Kunst- und der Antiquarischen Sammlung, die neue Knabenschule auf der Musegg, der Kursaal und die palastähnlichen Hotels der Quais, das Verwaltungsgebäude der Gotthardbahn, das neue Kantonsschulgebäude, die evang. Kirche, ein zierlicher engl.-got. Bau, 1865 vollendet, und die zweitürmige Hof- oder Stiftskirche St. Leodegar, im 17. Jahrh. hergestellt, mit zwei schlanken Türmen (1506), der Kursaal am Nationalquai; im nördl. Teile der Stadt das Rigi- und Pilatusdiorama, das große