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Marcinelle – Marco Polo
Marcinelle (spr. -ßinéll), Ort in der belg. Provinz Hennegau, an der Sambre, 2 km südöstlich von Charleroi,
hat (1890) 11187 E., Kochofen, Kohlengruben, Steinbrüche, Eisen- und Ziegelindustrie.
Marcĭon, Gnostiker, der Stifter der Marcionīten, einer gnostischen Partei (s.
Gnosis) von vorherrschend ascetisch-praktischer Richtung und kirchenreformierender Tendenz, war der Sohn eines Bischofs von Sinope in Pontus.
Wegen seiner häretischen Ansichten von seinem Vater exkommuniziert, ging er um 140 nach Rom, schloß sich hier an den syr. Gnostiker Cerdon an und starb um 170. M.
nahm zwei Principien an: den höchsten guten Gott und den gerechten Weltschöpfer (Demiurg), der aus der Materie (Hyle) die Welt geschaffen habe. Unter der
Herrschaft des Demiurgen stand die vorchristl. Zeit. Das jüd. Volk wählte er sich zum Eigentum aus, gab ihm das Gesetz, strafte aber die Menschen nach seiner
strengen Gerechtigkeit mit Verdammung. Da erbarmte sich der höchste gute Gott der Menschheit und sandte seinen Sohn Christus auf die Erde, um die Juden und Heiden
zu erretten und zu erlösen. Mit einem Scheinkörper angethan, trat Christus plötzlich in Kapernaum auf, verkündigte zuerst den bis dahin völlig unbekannten
höchsten guten Gott, fand aber Widerstand bei dem Demiurgen. Derselbe veranlaßte die Kreuzigung Jesu, die jedoch, ebenso wie dessen Tod und Auferstehung, nur
Schein war. (S. Doketismus.) Als Bedingung der Seligkeit bezeichnet M. im Anschluß an Paulus den Glauben an Christus, woraus die freie Liebe
zum Guten hervorgehe; doch forderte er zur christl. Vollkommenheit ein streng ascetisches Leben mit Fasten und Enthaltung von der Ehe. Seine Anhänger teilten sich
in Gläubige und Katechumenen. Nach seinen Ansichten vom Judentum mußte er notwendig das Alte Testament verwerfen. Bei M. findet sich die früheste Spur einer
Sammlung neutestamentlicher Schriften (das Apostolikon, s. d. und Bibel, Bd. 2, S. 956a). Seine Anhänger verbreiteten sich
in Ägypten, Palästina u.s.w. und bestanden als kirchlich geordnete Partei unter vielen Spaltungen trotz strenger Gesetze bis ins 6. Jahrh., verschmolzen aber dann
mit den Manichäern (s. d.). – Vgl. Volckmar, Das Evangelium M.s (Lpz. 1852); Meyboom,
M. en de Marcionieten (Leid. 1888).
Maercker, Maximilian, Agrikulturchemiker, geb. 25. Okt. 1842 zu Calbe a.S., studierte Chemie in Greifswald und Tübingen, wurde 1866
Assistent an der landwirtschaftlichen Versuchsstation Braunschweig, 1867 an der Versuchsstation Weende-Göttingen, 1871 Vorsteher der agrikulturchem.
Versuchsstation der Provinz Sachsen zu Halle a.S., 1872 außerord. Professor an der dortigen Universität und 1891 ord. Professor. M. führte zahlreiche
Untersuchungen über die Düngung fast sämtlicher Kulturpflanzen aus; auch war er auf dem Gebiete der Gärungsgewerbe thätig und organisierte die Versuchsthätigkeit
der praktischen Landwirte auf dem Gebiete der Düngungs- und Fütterungslehre. Sein Hauptwerk ist: «Handbuch der Spiritusfabrikation» (6. Aufl., Berl. 1894); ferner
schrieb er: «Die Kalisalze» (ebd. 1880), «Wesen und Verwertung der Diffusionsrückstände der Zuckerfabriken» (mit Morgen, ebd. 1891), «Das Flußsäureverfahren in
der Spiritusfabrikation» (ebd. 1891), «Fütterung und Schlachtergebnis» (mit Morgen, ebd. 1893), «Die Kalidüngung in ihrem Wert für die Erhöhung und
↔ Verbilligung der landwirtschaftlichen Produktion» (2. Aufl., ebd. 1894).
Marc-Monnier, franz. Schriftsteller, s. Monnier.
Marcobrunnen, Markobrunnen, eigentlich Markbrunnen, ein Brunnen
im Rheingaukreis des preuß. Reg.-Bez. Wiesbaden, mit einer in Stein gehauenen Überschrift, an der Grenze der Gemarkungen von Erbach und Hattenheim. Im anliegenden
Weingebiete, das schon in einer Urkunde von 1104 erwähnt und jetzt von der Eisenbahn durchschnitten wird, wächst der
Markobrunner, einer der geschätztesten, besonders im Alter hochedeln Rheinweine ersten Ranges.
Marco Polo, der bedeutendste Reisende im Mittelalter, der Sohn des Venetianers Nicolo Polo, geb. 1254.
Sein Vater hatte in der Begleitung seines Bruders Maffeo eine Reise zum Großchan der Mongolen, Chubilai (Kublai), gemacht, war
dort wohlwollend empfangen, viele Jahre geblieben und 1269 nach Italien zurückgekehrt, um dem Wunsche des Chans gemäß den Papst um Zusendung einiger christl.
Missionare zu bitten. 1271 gingen sie in Begleitung zweier Dominikaner und des jungen M. P. zum zweitenmal nach Asien, die Geistlichen blieben aber schon in
Armenien zurück. Die Polo zogen über Bagdad zum Persischen Meere, von Ormus aus quer durch Iran zum obern Oxus und über das Hochland Pamir am Lob-nor vorbei nach
China (Kathai) zur «Stadt des Chan» (Kaanbali), das als Cambalu lange mit den Vorstellungen größter Fürstenpracht verbunden wurde. Der junge M. P. gewann die
Gunst des Großchans in hohem Grade, machte in dessen Angelegenheiten Reisen im Chinesischen Reiche und wurde sogar Statthalter der Provinz Kiang-nan. Ungern
entließ ihn der Chan nebst seinem Vater und Oheim, als die Sehnsucht sie endlich nach dem Vaterlande zurückzog. Sie fuhren (1295) im Gefolge einer Prinzessin des
kaiserl. Hauses, die sich mit Argun-Chan, dem Großneffen Chubilais, in Persien vermählen sollte, zu Schiff durch das Südchinesische Meer, besuchten die
Sunda-Inseln und Vorderindien und landeten in Ormus. Von hier kehrten die Reisenden über Persien, Armenien und Trapezunt nach Venedig zurück, wo sie 1295
anlangten. (S. Karten zur Geschichte der Geographie II, beim Artikel Geographie.) M. P.s
fernere Schicksale sind, 250 Jahre später, von Ramusio aus Erzählungen und Sagen anderer zusammengestellt worden. 1298 geriet M. P. in dem Seetreffen bei Curzola
in die Gefangenschaft der Genuesen, von denen er mit großer Auszeichnung behandelt wurde. Während dieser Gefangenschaft diktierte er dem gelehrten Rusticiano de
Pisa seinen Reisebericht, und zwar in franz. Sprache. Nach 1299 zurückerlangter Freiheit wurde er Mitglied des Großen Rats in seiner Vaterstadt Venedig und starb
daselbst 1323, sieben Jahre nach dem Tode seines Vaters Nicolo.
Sein Reisebericht ist von höchster Wichtigkeit, denn M. P. war der erste Reisende, der ganz Asien der Länge nach durchzog und die einzelnen Länder beschrieb. Sein
Blick reichte von Japan bis Madagaskar, von Sibirien bis Sumatra. Er schilderte zuerst Hochasien und das von Menschen wimmelnde China und erwähnt den Gebrauch der
Steinkohlen und des Papiergeldes. Er gab überhaupt eine Menge von Nachrichten über die ethnogr. und polit. Verhältnisse in der Zeit, wo das von Dschingis-Chan
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 581.