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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Militärstraßen - Militärtransportordnungen

Außer diesem Verfahren giebt es noch ein besonderes spruchgerichtliches Verfahren über Militärbeamte (Instanzengerichte) und ein durch Gesetz vom 21. Juli 1867 eingeführtes, abweichendes kriegsgerichtliches Verfahren im Felde.

Die bayrische Militärstrafgerichtsordnung vom 29. April 1869 stellt den Grundsatz auf: "Das M. richtet sich nach den für das bürgerliche Strafverfahren geltenden gesetzlichen Bestimmungen, insoweit nicht im gegenwärtigen Gesetze anders verordnet ist." Das M. ist öffentlich und mündlich mit einem ständigen Ankläger und einem Verteidiger. Die Militärbezirksgerichte urteilen über alle Verbrechen und Vergehen, welche nicht vor die Standgerichte gehören, unter Zuziehung von Geschworenen. Im Kriege treten Feldgerichte an ihre Stelle. Die Standgerichte bestehen aus einem Vorstande und zwölf Richtern und treten vorübergehend nach vorheriger Verkündigung des Standrechtes zur Aburteilung ganz bestimmter militär. Verbrechen zusammen; die Militäruntergerichte urteilen über die Übertretungen. Als Kassationshof urteilt das Militärobergericht.

Eine einheitliche Regelung des M. gehört zu den Grundgedanken der Reichsverfassung, und deren Notwendigkeit wird allseitig anerkannt. Nach den neuern Verhandlungen im Reichstage gewinnt es den Anschein, als ob der Erlaß einer deutschen Reichs-Militärstrafprozeßordnung von den verbündeten Regierungen in Aussicht genommen sei. - Vgl. Marck, Der Militärstrafprozeß in Deutschland und seine Reform (Berl. 1893 fg.).

Militärstraßen, Straßen, welche ausschließlich oder vorzugsweise für militär. Zwecke angelegt werden. In früherer Zeit geschah dies häufig, und die Römerstraßen sind ein Beispiel, in wie großartiger Weise schon im Altertum M. angelegt worden sind, um die Märsche der Truppen nach entfernten Provinzen und bedrohten Grenzlanden abzukürzen und zu beschleunigen. Beispiele aus neuerer Zeit sind die von Wladikawkas durch den Centralkaukasus nach Tiflis führende Militärstraße sowie die russischen M. in Turkestan und am Amur.

Militärtaxe, s. Wehrsteuer.

Militärtelegraphenschule zu Berlin, bildet Offiziere und Mannschaften, namentlich der Kavallerie, im Telegraphendienst aus. Sie steht unter dem Inspecteur der Militärtelegraphie, hat einen Stabsoffizier zum Direktor und mehrere Ingenieuroffiziere zu Lehrern. Die Schüler werden mit dem Morseschen Schreibapparat und mit Vibrier- und Klopfapparat vertraut gemacht, dagegen sind die durch Magnetoinduktion betriebenen Zeigertelegraphen sowie die Spiegeltelegraphen u. s. w. Unterrichtsgegenstände nur für die technischen Truppen.

Militärtelegraphie, Kriegstelegraphie, die gesamte Thätigkeit der Telegraphen im Dienste der Heere während des Krieges (s. Feldtelegraphen). Die M. gliedert sich nach den verschiedenen Zonen, in welche sie zur Thätigkeit kommt, in folgender Weise: 1) der Dienst auf den ständigen Linien (Kriegstelegraphie im besondern); 2) die Verbindung der ständigen Linien mit den Hauptquartieren (Etappentelegraphie); 3) die Verbindung der Hauptquartiere mit den einzelnen Teilen des Heers: Korps-, Divisions- und Brigadestäben (Feldtelegraphie); 4) die Fortsetzung der Telegraphenlinien bis zu den dem Feinde nächsten Abteilungen, den Vorposten und Observationsposten. Die unter die beiden letzten Gruppen gehörenden Arbeiten werden von militärisch organisierten Abteilungen (Telegraphentruppen) mit dem mitgeführten, besonders den militär. Zwecken entsprechenden Material ausgeführt (s. Militärtelegraphenschule).

Militärtopographenschule, s. Topographenkorps.

Militärtransport, s. Truppentransporte.

Militärtransportordnungen. Mit der Vermehrung der Armeen ist die Bedeutung der Eisenbahnen, der "Festungen der Neuzeit" wie man sie auch genannt hat, für den Aufmarsch (Mobilmachung) und die Schlagfertigkeit der Truppen im Kriegsfalle mehr und mehr erkannt und gewürdigt worden. Bis 1861 waren die Eisenbahnen nur mittelbar als Rüstzeug des Krieges aufgetreten, denn die Truppenbeförderung in Deutschland, Österreich und Frankreich während des dän., des ital. und des Krimkrieges geschahen sämtlich außerhalb der feindlichen Standgebiete. Erfahrungen über Behandlung, Benutzung und Schutz der Bahnen wurden zuerst im amerik. Secessionskriege gemacht, als der von der Regierung zu Washington zum Military Director of Railroads ernannte General MacClellan 1862 das große amerik. Eisenbahnnetz militärisch ordnete und mit seiner Feldeisenbahnabteilung auf mehr als 2000 km Eisenbahnen in Feindesland den Betrieb führte. Auf dem europ. Festlande errichtete zuerst Preußen Feldeisenbahnabteilungen (s. Eisenbahntruppen).

Als ein sehr wichtiges Mittel zur Kriegführung bewiesen sich die Eisenbahnen im Kriege von 1870 und 1871. Die Mobilmachung, welche 16. Juli 1870 begann, war 26. Juli vollständig beendigt, und vom 27. Juli bis 3. Aug. wurde eine Armee von nahe einer halben Million Mann nebst dem ungeheuren Kriegsgerät teilweise auf Entfernungen von 1500 km nach der franz. Grenze meist durch die Eisenbahn geschafft. Der Nachschub von fast ebenso viel Mann, die Beförderung des Belagerungsmaterials nach Straßburg, Metz und Paris, die Besorgung der Zufuhr von Lebensmitteln, die Beförderung der franz. Kriegsgefangenen bis an die östlichsten Grenzen Deutschlands und deren spätere Zurückbeförderung, die Beförderung der Verwundeten in besondern Zügen mit Krankenwagen, dies alles waren großartige Leistungen der deutschen Eisenbahnen. Es bestanden für die obere Leitung des Betriebes eine Central-Eisenbahnexekutivkommission in Berlin mit einem Vertreter im Hauptquartier und besondere Eisenbahnlinienkommissionen (s. Linienkommissionen) für jede der durchgehenden größern Eisenbahnlinien. Das Ergebnis der nach dem Kriege angestellten Ermittelungen, um die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen künftig noch steigern zu können, ist die Militärtransportordnung für Eisenbahnen im Frieden (Friedenstransportordnung) vom 11. Febr. 1888 und die Militärtransportordnung für Eisenbahnen im Kriege (Kriegstransportordnung) vom 26. Jan. 1887. Beide Transportordnungen, die für alle Eisenbahnen des Reichsgebietes mit Lokomotivbetrieb gelten und auf die Beförderung des Heers, der Marine und im Kriegsfalle, auf Anordnung der Militärverwaltung, auch von Streitkräften mit dem Reiche verbündeter Staaten sowie auf die Berechnung und Zahlung der Vergütung für die Leistungen der Eisenbahnen Anwendung finden, zerfallen in sechs Abschnitte. Abschnitt 1 enthält allgemeine Bestimmungen und ordnet insbesondere die Einteilung des Eisenbahnnetzes zum