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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Napoleon II. - Napoleon III.

gewiesen wurde. Die Generale Bertrand, Gourgaud, Montholon, Graf Las Cases u. a. durften seine Verbannung teilen, in der er sich vorzugsweise mit Abfassung seiner Denkwürdigkeiten beschäftigte. Mit dem Gouverneur der Insel, Sir Hudson Lowe (s. d.), der den Gefangenen streng bewachte, lebte er in fortwährendem Streite. Nach längerer Kränklichkeit starb er 5. Mai 1821 am Magenkrebs. 1840 wurde, nach Verständigung zwischen der engl. und franz. Regierung, sein Grab geöffnet und der Leichnam durch den Prinzen von Joinville nach Paris geführt, wo man ihn 15. Dez. 1840 in einer Gruft unter der Kuppel des Invalidendoms in einem prächtigen Sandsteinsarkophag beisetzte. Von den ihm errichteten Standbildern sind zu erwähnen: Das Bronzestandbild in röm. Kaiserornat (von Dumont) auf der Vendômesäule zu Paris, das Reiterstandbild, umgeben von seinen Brüdern, in Ajaccio (von Barye) und das Reiterstandbild zu Cherbourg (von Le Veel).

Die histor. Wertschätzung N.s hat, insbesondere in Frankreich, vielfach seit seinem Tode gewechselt. Das unvernünftige Regiment Karls X., das selbstsüchtige Ludwig Philipps und seiner Bourgeoisie hatten N.s Namen zu hohen Ehren gebracht und ihm einen legendenhaften Glanz verliehen, der auch seinem Neffen, Napoleon III., zu gute kam. Als aber dieser mit seiner Politik gescheitert war und die republikanische Opposition siegte, da verblaßte der Glanz der Bonapartischen Legende, und die kritische Wissenschaft trat in ihr Recht, bis in der neuesten Zeit die Sehnsucht des revanchelustigen Teils der Nation nach einer militär. Größe das Bild des genialen Imperators aufs neue erhöhten.

Die eigenen Schriften N.s erschienen nach seinem Tode mehrmals gesammelt ("Œuvres", 6 Bde., Par. 1821-22; 6 Bde., Stuttg. und Tüb. 1822-23). Außerdem veröffentlichten die Generale Gourgaud und Montholon die sog. "Dictées de Ste. Hélène" ("Mémoires pour servir à l’histoire de France sous N., écrits à Ste. Hélène, sous la dictée de l’empereur", 8 Bde., Lond. und Par. 1822-25; 2. Aufl., 9 Bde., Par. 1830; deutsch, 9 Bde., Berl. 1823-25). Hierzu kam die auf Befehl Napoleons III. veranstaltete Sammlung der "Correspondance de N. I<sup>er</sup>" (32 Bde., Par. 1858-70; deutsche Auswahl von Kurz, 3 Bde., Hildburgh. 1868, dazu neuerdings mehrfache Ergänzungen); "Ungedruckte Briefe N.s aus den J. 1796 und 1797" gab Hüffer (Wien 1873) heraus; ferner erschien: "Correspondance militaire de N. I<sup>er</sup>" (10 Bde., Par. 1875-77, ein Auszug aus der großen Korrespondenz) und "Œuvres littéraires", hg. von Martel (4 Bde., ebd. 1887-88). Zu den wichtigsten Quellenschriften für die Geschichte des ersten Kaiserreichs gehören auch die zahlreichen Memoiren der Brüder und Feldherren N.s und anderer Personen aus dessen Umgebung. Von den sehr vielen biogr. Darstellungen sind hervorzuheben die von Stendhal (Par. 1843; Fragment), Norvins (4 Bde., ebd. 1827 u. ö.), Walter Scott (9 Bde., Edinb. 1827 u. ö.), Jomini (4 Bde., Par. 1827 u. ö.), Thibaudeau (6 Bde., ebd. 1827-28), Lanfrey (5 Bde., ebd. 1867-75; deutsch, 7 Bde., Mind. 1884-87), Seeley (Lond. 1886); ferner die Werke von Bignon (s. d.), Thiers (s. d.), Schlosser (3 Bde., Frankf. 1832-35), Fournier (3 Bde., Prag und Lpz. 1886-89) und Silvagni, Napoleone Bonaparte e i suoi tempi (Rom 1894-95). Eine illustr. Biographie ist Dayot, N. raconté par l’image (Par. 1895, deutsch Lpz. 1895). Hierzu kommen von Schriften über einzelne Lebensepochen und Wirkungskreise des Kaisers: Coston, Biographie des premières années de N. (2 Bde., Par. und Valence 1840); Nasica, Mémoires sur l’enfance et la jeunesse de N. (Par. 1852); Libri-Carrucci, Souvenirs de la jeunesse de N. I<sup>er</sup> (ebd. 1842); Böhtlingk, N. Bonaparte, seine Jugend und sein Emporkommen (2. Ausg., 2 Bde., Lpz. 1883); Jung, Bonaparte et son temps (1769-99) d’après des documents inédits (3 Bde., Par. 1880-81); Edmond-Blanc, N. I<sup>er</sup>, ses institutions civiles et administratives (ebd. 1880); Browning, England and N. in 1803 (Lond. 1887); P. Bertrand, Lettres inédites de Talleyrand à N. I<sup>er</sup> (Par. 1889); Welschinger, Le divorce de N. I<sup>er</sup> (ebd. 1889); Rocquain, N. I<sup>er</sup> et le roi Louis (ebd. 1875); Benjamin Constant, Mémoires sur les Cent Jours (2 Tle., ebd. 1820); Forsyth, History of the captivity of N. at St. Helena (3 Bde., Lond. 1853); Firmin-Didot, La captivité de Sainte-Hélène (ebd. 1894); Yorck von Wartenburg, N. als Feldherr (2. Aufl., 2 Bde., Berl. 1887-88); Tatitscheff, Alexandre I<sup>er</sup> et N., d’après leur correspondance inédite (Par. 1891); Vandal, N. et Alexandre I<sup>er</sup> (3 Bde., ebd. 1891-96); Pelet de la Lozère, Opinions de N. sur divers sujets de politique et d’administration (ebd. 1833); Welschinger, La censure sous le premier empire (ebd. 1882); Guillois, N., l’homme, le politique, l’orateur d’après sa correspondance et ses œuvres (2 Bde., ebd. 1889); Taine, Le régime moderne (2 Bde., ebd. 1891-94); Houssaye, 1814 (ebd. 1889); ders., 1815 (Bd. 1, ebd. 1894); Chaptal, Mes souvenirs sur N. (ebd. 1893); Lévy, N. intime (ebd. 1893); Masson, N. I<sup>er</sup> et les femmes (ebd. 1893; deutsch Lpz. 1895); ders., N. chez lui (Par. 1894; deutsch Lpz. 1895); ders. und Biagi, N. inconnu. Papiers inédits, 1786-93 (2 Bde., Par. 1895); Sorel, Bonaparte et Hoche en 1797 (ebd. 1896); Damas Hinard, Dictionnaire N. (2. Aufl., ebd. 1854). Eine Bibliographie bietet Fournier in den litterar. Anmerkungen seiner Biographie N.s, einen Nachweis aller die Person und die Zeit N.s betreffenden Schriften A. Lumbroso, Saggio di una bibliografia raggionata dell’ epoca Napoleonica (Heft 1 fg., Modena 1894 fg.).

Napoleon II., s. Reichstadt, Herzog von.

Napoleon III., Kaiser der Franzosen, der dritte Sohn des Königs Ludwig Bonaparte (s. d., Bd. 3, S. 275 b) von Holland und der Königin Hortense (Beauharnais), geb. 20. April 1808 zu Paris, folgte nach der zweiten Restauration seiner Mutter in die Verbannung, zuerst nach Genf, dann nach Augsburg, wo er das Gymnasium besuchte, zuletzt nach Arenenberg am Bodensee. Durch die Bewegung des J. 1830 wurde N. zuerst in das öffentliche Leben hineingezogen und beteiligte sich mit seinem ältern Bruder Napoleon Ludwig an dem Aufstandsversuche Ciro Menottis in der Romagna und den benachbarten Herzogtümern; der ältere Bruder starb 17. März 1831 zu Forlì. Nach der Schweiz zurückgekehrt, beschäftigte sich N., der abwechselnd auf Arenenberg und dem Schlosse Gottlieben unweit Konstanz wohnte und als Hauptmann der Artillerie in die schweiz. Miliz eintrat, vorzugsweise mit schriftstellerischen Arbeiten. Zuerst erschienen von ihm 1832 "Rêveries politiques", worin er geradezu aussprach, daß eine Wiedergeburt Frankreichs nur durch Wiederherstellung des Napoleonischen Kaisertums mit demokratischen Institutionen möglich sei.