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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Osmanisches Reich (Verfassung und Verwaltung)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Osmanisches Reich (Verfassung und Verwaltung)'

(Kreishauptmann) verwaltet werden, und jeder Kaza besteht aus Nahije (Kantonen), die von Mudirs geleitet werden. Unter dem Mudir stehen die Muchtâr (Dorfschulzen). Die Stadt Konstantinopel ist ein besonderer Verwaltungsbezirk.

Die 7 europ. Wilajets mit ihren Sandschaks sind:

Einw. inEinw. in
WilajetqkmTausendWilajetqkmTausend
Konstantinopel1 100650Monastir11 400350
Tschataldscha1 90050Korica3 600125
Konstantinopel3 000700Dibra3 00075
Adrianopel6 600250Elbassan1 80050
Kirk-Kilisse8 300150Servia (selbständ.)7 500150
Rodosto4 600100Monastir27 300750
Gallipoli4 300100Üsküp (Skopje)11 700275
Dedeaghatsch5 300150Priština5 800200
Gümürdschina9 800250Peč (Ipek)2 600100
Adrianopel38 9001000Prizren3 900175
Drama3 000100Kosowo24 000750
Seres12 600400Berat5 500175
Saloniki19 800700Argyrokastron3 500150
Saloniki35 4501200Liaskowik2 400100
Skutari8 800160Jannina5 200175
Durazzo (Drač)2 90065Préveza1 60050
Skutari11 700225Jannina18 200650

Für die asiat. Türkei berechnet neuerdings Cuinet:

Zahl derEin-
WilajetsSandschaksqkmwohner
I. Kleinasien.
Ismid (Mutessariflik)111 130247 000
Khodawendikjar (Brussa)568 0001 300 000
Bigha (Mutessariflik)17 500129 000
Dschesairi-Bahri-Sefid (Archipel)412 860326 000
Kreta57 640294 000
Samos (Fürstentum)160048 5000
Aïdin (Smyrna)545 0001 390 000
Kastamuni450 0001 009 000
Angora483 700892 000
Konia591 6001 088 000
Adana437 500402 000
Siwas483 700996 000
Trapezunt431 3001 047 000
II. Armenien und Kurdistan.
Erzerum376 700645 700
Ma-Muret und Dersim337 800575 300
Diarbekr346 800471 400
Bitlis429 800388 600
Wan mit Halkiari240 000376 200
III. Mesopotamien.
Mosul375 700300 000
Bagdad3141 200850 000
Basra mit El-Hasa442 700200 000
IV. Syrien.
Haleb378 600994 600
Zor (Mutessariflik)1100 000100 000
Syrien362 200604 000
Beirut530 500400 000
Jerusalem (Mutessariflik)121 300333 000
Libanon15 700245 000

In Afrika zerfallen die türk. Besitzungen in die Wilajets Tripolis und Bengasi.

Das O. R. ist eine orient. Despotie, wenngleich 23. Dez. 1876 eine Verfassung verkündigt wurde. Der Herrscher, Sultan oder Padischah (Großherr), vereinigt die höchste weltliche mit der höchsten geistlichen Gewalt, dem Chalifat. Die Thronfolge ist in der männlichen Linie des Hauses Osman erblich, und zwar geht die Souveränität jedesmal auf den ältesten Prinzen über. Die Unterthanen besitzen Freiheit der Person, das Recht der Zulassung zu allen öffentlichen Ämtern, falls sie der türk. Sprache mächtig sind, und Gleichheit vor dem Gesetz. Staatsreligion ist der Islam, doch dürfen ↔ die anerkannten Kulte frei ausgeübt werden. Preßfreiheit besteht dem Namen nach. Das Parlament, ein Senat, dessen Mitglieder vom Sultan auf Lebenszeit ernannt werden, und ein Abgeordnetenhaus, zu welchem je 50000 Osmanen einen Deputierten auf 4 Jahre mittels geheimer Abstimmung wählen sollen, wurde nach zwei Sitzungen aufgelöst und ist nicht wieder berufen worden.

In der Regierung steht dem Sultan ein Ministerrat zur Seite, dessen Chef den Titel Großwesir (Sadrasam) führt. Seit 1878 wurde diese Benennung mit Premierminister (Basch-Wekil) vertauscht, aber seit 1882 für Said Pascha wieder eingeführt. Gleichen Rang besitzt der Scheich ul-Islam, der oberste Chef der moslem. Geistlichkeit und der Gesetzeskundigen, obwohl er selbst weder Priester noch Richter ist. An der Spitze der Verwaltung stehen außerdem die Staatsminister. Zu diesen gehören: der Minister des Innern, der Kriegsminister, der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, der Minister der Marine, der Präsident des Staatsrats, einer seit 1868 nach franz. Muster gebildeten Behörde, der Minister der Justiz und des Kultus, der Minister der frommen Stiftungen, der des öffentlichen Unterrichts, der der Finanzen, der der öffentlichen Arbeiten, der des Handels, Ackerbaues und der Minen. Daneben besteht noch ein Ministerium der Civilliste mit einer Kommission für die Verwaltung der kaiserl. Domänen, das Polizeiministerium und die Präfektur der Hauptstadt, Generaldirektion der Zölle und des Grundbuchwesens. Der Ministerrat (Diwan) versammelt sich wöchentlich im Gebäude der Hohen Pforte (Bab-i-Ali); fast alle Minister bedienen sich des Beirats eines Musteschar (Unterstaatssekretärs). Mit jedem Ministerium sind Kollegien mit beschlußfassender Befugnis verbunden; sie haben Vorlagen vorzubereiten und zu begutachten, bilden aber mehr ein Hindernis als ein Förderungsmittel der Reformen.

Die Beamten gliedern sich in drei Gruppen:

  • a. Diener des Gesetzes und des Kultus, die gelehrten Ausleger des Korans, welche Ulema genannt werden;
  • b. die Beamten der Feder, d. i. des Verwaltungsfachs, und
  • c. die Beamten des Säbels, d. i. des Heers und der Marine.

Rang und Titel sind unabhängig vom Amte. Jede der drei Beamtenklassen und das Militär besitzt ihre besondere Rangordnung. Der Paschatitel ist mit einigen hohen Ämtern ohne weiteres verbunden. Dagegen ist der Scheich ul-Islam niemals Pascha, sondern Efendi. Im allgemeinen führt der Beamte den Titel Efendi, der Subalternbeamte und Unteroffizier den Titel Aga. Doch gebührt der letztere auch den Palastbeamten. Unter diesen nimmt der Kyzlar-Agassy, der Chef der schwarzen Eunuchen, den höchsten Rang, den eines Muschirs, ein. Das Beamtenpersonal ging früher aus dem Übersetzungsbureau der Hohen Pforte hervor. Erst 1884 bestimmte Abd ul-Hamid II., daß nur solche Beamte künftig angestellt werden sollten, welche in der Mekteb-i-milkijê (Civilhochschule) oder der Rechtshochschule ihre Vorbildung erlangt hätten. Neuerdings ist eine École des langues eröffnet worden zur Ausbildung in den fremden Sprachen. Die allgemeine Bildung hat sich durch Gründung von Schulen nach franz. Muster gehoben. Auch Mädchenschulen sind errichtet worden.

Das türk. Reichswappen ist ein roter Schild mit wachsendem Sichelmond und Stern zwischen den Hörnern in Silber. An Stelle dieses Wappens