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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Österreichisch-Ungarische Monarchie (Geschichte)

Kompromisses mit den böhm. Großgrundbesitzern, sein Werk auch der Eintritt der Czechen in den Reichsrat, der aber nur unter einer Rechtsverwahrung erfolgte. Infolge dieser Vorgänge ergab sich in dem im Juni und Juli neu gewählten Abgeordnetenhause eine Mehrheit der nationalen, feudalen und klerikalen Elemente. Den 168 Konservativen standen 145 Liberale nebst 40 Wilden gegenüber.

Das Kabinett reichte 11. Juli seine Entlassung ein. Der Kaiser nahm sie an und ernannte 12. Aug. Taaffe zum Ministerpräsidenten und Minister des Innern; Stremayr übernahm die Justiz und provisorisch Kultus und Unterricht, Falckenhayn den Ackerbau, Korb-Weidenheim den Handel, Horst die Landesverteidigung, Chertek provisorisch die Finanzen, Pražak (Czeche) und Ziemialkowski (Pole) waren Minister ohne Portefeuille. Es war dies ein Koalitionsministerium, das über den Parteien die Versöhnung der verschiedenen Völker anstreben wollte.

Die Verfassungspartei schadete sich aufs neue dadurch, daß sie das vorgelegte Wehrgesetz, zu dessen Zustandekommen eine Zweidrittelmehrheit notwendig war, nicht auf 10 Jahre, sondern nur auf ein Jahr bewilligen wollte. Diese Haltung der Partei nötigte die Regierung, sich immer mehr auf die Rechte zu stützen und ihr eine Reihe wichtiger Zugeständnisse zu machen. Die für Böhmen und Mähren 27. April 1880 erlassene Sprachverordnung, worin den Beamten befohlen wurde, im Verkehr mit den Parteien sich der Sprache zu bedienen, die letztere gebrauchten, mußte die Folge haben, daß in jenen Ländern besonders bei den Gerichten ein der czech. Sprache nicht kundiger Beamte nicht mehr angestellt werden konnte. Endlich traten 27. Juni die Minister, die es mit dem gemäßigten Teile der Verfassungspartei hielten, zurück. Stremayr, der das Unterrichtsministerium schon früher an Freiherrn Konrad von Eybesfeld hatte abgeben müssen, wurde als Justizminister durch Streit, Korb-Weidenheim durch von Kremer, Horst durch Graf Welfersheimb ersetzt. Finanzminister wurde der Pole Dunajewski, der fortan, zugleich als Sprechminister, einen großen Einfluß im Kabinett ausübte. Kremer und Streit nahmen 14. Jan. 1881 ihre Entlassung, da sie mit der Berufung ausgesprochener Parteimänner der Rechten in das Herrenhaus nicht einverstanden waren. Handelsminister wurde nun Baron Pino, Pražak Leiter des Justizministeriums. Auch das Präsidium des Abgeordnetenhauses ging an die Föderalisten über, da der 1879 durch Kompromiß gewählte Graf Coronini es 11. März 1881 niederlegte, worauf der Pole Smolka zum Präsidenten gewählt wurde. Um auch im Herrenhause, das in seiner Mehrheit liberal und centralistisch war, dem herrschenden System die Majorität zu verschaffen, wurden im Laufe des J. 1881 nicht weniger als 36 neue Mitglieder in dasselbe berufen.

Nun glaubten die verschiedenen Parteien der Rechten alles durchsetzen zu können und benutzten jede Gelegenheit, um die Regierung zu neuen Zugeständnissen zu nötigen. Die Polen wurden durch materielle Vorteile und durch die Preisgebung der Ruthenen befriedigt. Die Czechen und Slowenen wie die Kroaten in Dalmatien und Istrien ließen sich, wenigstens vorübergehend, abfinden durch die Slawisierung zahlreicher Mittelschulen, durch die Teilung der bisher vorwiegend deutschen Universität Prag in eine czech. und eine deutsche Abteilung (1882), durch Sprachverordnungen für die slowen. Gebiete und für Schlesien (29. April und 20. Okt. 1882), wodurch bei Gerichten auch slaw. Eingaben gestattet wurden, durch die Auflösung des böhm. Landtags 1883, wo nun mit Hilfe der Regierung die Czechen und Feudalen die Majorität erhielten. Am wenigsten erreichten die Klerikalen für ihre der Regierung und den Slawen geleistete Unterstützung. Sie strebten vor allem die Wiederherstellung der konfessionellen Schule und deren Unterordnung unter die Geistlichkeit an, teilweise auch die Herabsetzung der Dauer der Schulpflicht von 8 auf 6 Jahre. Aber ein Antrag des Abgeordneten Lienbacher, der das Recht dieser Verkürzung den Landtagen zuwies, ward 1881 vom Herrenhause trotz wiederholter Pairsschübe zweimal abgelehnt. Erst 1883 fand auf Antrag der Regierung eine Novelle zum Schulgesetz in beiden Häusern Annahme, die die Entscheidung über die Herabsetzung der Schulpflicht auf 6 Jahre wesentlich von den Gemeinden abhängig machte und verfügte, daß der Leiter der Volksschule der Konfession der Mehrheit der Schüler angehören und zur Erteilung des Religionsunterrichts befähigt sein müsse.

Das Vorgehen der Regierung erweckte endlich doch auch in den liberalen Deutschen die Überzeugung, daß sie alle ihre Kräfte sammeln müßten. 1880 wurde der Deutsche Schulverein (s. d.) gegründet, der auch in Deutschland werkthätige Hilfe fand. Die beiden Klubs der Verfassungspartei, die Liberalen und die Fortschrittspartei, konstituierten sich im Nov. 1881 in einer Stärke von etwa 150 Mitgliedern als Vereinigte Linke zum Schutze des Deutschtums und des österr. Staatsgedankens. Gleichzeitig traten aus dem unter Führung Hohenwarts stehenden Klub der Rechtspartei die klerikalen Deutschen aus und konstituierten sich als Centrumsklub unter dem Prinzen Alfred Liechtenstein und Lienbacher, um ihren besondern Wünschen auf dem Gebiet der Schule größeres Gewicht zu verleihen. Ein provisorisches Wehrgesetz vom 24. Okt. 1881, durch das die Wehrpflicht auch auf Bosnien und die Herzegowina sowie auf die Bocchesen der Krivošije Süddalmatiens ausgedehnt wurde, erregte unter diesen einen allgemeinen Aufstand, der sich auch nach der Herzegowina fortpflanzte und 1882 durch den Feldmarschalllieutenant Jovanović mit Waffengewalt niedergeschlagen werden mußte.

Die Neuwahlen zum Abgeordnetenhause im Mai und Juni 1885 brachten der Vereinigten Linken den Verlust von 15 Mandaten. Die slaw.-feudalklerikale Partei zählte 192, die deutschliberale 132, die Antisemiten, Demokraten, Italiener und andere kleinere Gruppen 29 Mitglieder. Statt nun wenigstens fest zusammenzuhalten, spaltete sich die Vereinigte Linke schon am Vorabend der Eröffnung des Reichsrates in den Deutsch-Österreichischen und den Deutschen Klub, von dem sich später noch die Deutsche Nationalpartei abzweigte. (S. diese Artikel.) Die Regierung war jetzt noch mehr aus die Unterstützung der Rechten angewiesen, und das Verhandeln und Handeln mit den verschiedenen Fraktionen derselben dauerte fort. Der Unterrichtsminister Konrad von Eybesfeld mußte schon 5. Nov. 1885 der Abneigung der Klerikalen und Czechen weichen. An dessen Stelle wurde der politisch farblose Gautsch von Frankenthurn ernannt. Der vom Deutsch-Österreichischen Klub ausgehende, von 116 Mitgliedern unterschriebene Antrag des Abgeordneten von Scharschmid, wonach die deutsche Sprache als Staatssprache erklärt und ihr Anwendungs-^[folgende Seite]