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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ostindien (Vorderindien)

die brit. Truppen in Indien mit dem Magazingewehr ausgerüstet sind, haben sämtliche ind. Regimenter im Laufe der letzten Jahre Henry-Martini-Gewehre erhalten. Die Kavallerieregimenter sind meist mit Lanze (zuweilen nur das erste Glied), Karabiner oder Pistole oder Säbel bewaffnet und tragen Reiterstiefeln, verschiedenfarbige, langschößige Blusen und Turbans; die irregulären Reiterregimenter tragen Nationaltracht und werden von eingeborenen Offizieren befehligt. Die Kavallerie remontiert sich aus Belutschistan, Afghanistan und Kaschgar, bezieht jedoch auch Pferde aus den ind. Landgestüten. In Adschmir besteht ein besonderes, mit Kamelen berittenes Ordonnanzkorps (Camel Sowars). Die wenigen leichten Feld- und Gebirgsbatterien werden aus Europäern und Gebirgsbewohnern ergänzt und von Engländern befehligt. Die Gebirgsbatterien führen 4 siebenpfündige Stahlgeschütze von 200 Pfd. Gewicht. Die eingeborenen Offiziere gehen aus den Unteroffizieren hervor. Stäbe, taktische Ausbildung und Organisation im Kriege sind entsprechend wie in der brit. Armee. Eine Infanteriebrigade besteht in der Regel aus 1 brit. und 3 eingeborenen Bataillonen. Die Befehlsverhältnisse der drei Armeen haben seit dem Weggang des bisherigen Oberkommandierenden, Generals Roberts, eine Änderung erfahren. Während die Armeen von Madras und Bombay bisher unter direkter Oberaufsicht der bezüglichen Verwaltungspräsidenten standen, sind sie aus diesem Verhältnis heraus dem direkten und alleinigen Oberbefehl des Oberkommandierenden, Befehlshabers der Armee von Bengalen, General White, unterstellt worden.

Die ind. Truppen verursachen nur verhältnismäßig geringe Ausgaben. Im Durchschnitt betrugen die Heeresbudgets der neuesten Zeit wenig über 21 Mill. Pfd. St., in dem Budget für 1893/94: 23,01 Mill. Pfd. St. Die Unterhaltungskosten (Sold, Bekleidung, Ausrüstung, Krankenpflege u. s. w.) eines Infanteriebataillons stellen sich im Frieden auf 183651, eines Kavallerieregiments auf 327816 Rupien jährlich. Nach Abzug der hohen Besoldungen und sonstigen Bezüge der brit. Offiziere kostet durchschnittlich ein ind. Soldat, einschließlich der ind. Offiziere, jährlich bei der Infanterie 225 M., bei der Kavallerie mit Einschluß der Remontierung 651 M. Aber der ind. Soldat steht sich dabei doch erheblich besser und ist besser verpflegt, bekleidet und untergebracht als der Arbeiter, und genießt noch mancherlei andere Vorteile, unter anderm freie Eisenbahnfahrt bei Beurlaubung, Soldzulagen beim Weiterdienen. Die ind. Offiziere beziehen zwar viel geringeres Diensteinkommen als die britischen, sind jedoch ungefähr so wie der wohlhabendere Bürgerstand gestellt. Sowohl die Offiziere wie die Mannschaften sind deshalb zufrieden, und es würde leicht eine bedeutend größere Zahl tauglicher Ersatzmannschaften in Indien angeworben werden können, falls die Regierung eine Verstärkung des Heers für notwendig halten sollte.

Die Kriegsflotte für Britisch-Indien zählte Ende 1895 folgende Schiffe: 2 im J. 1870 gebaute zweitürmige Panzermonitors, 2 Torpedobootzerstörer, 1890 und 1891 erbaut, 7 Torpedoboote erster Klasse, 1 Radaviso, 8 Truppentransportschiffe, ferner 9 Raddampfer, darunter 1 Jacht, 3 Flußdampfer, 1 Vermessungsschiff, 2 Schlepper und 2 Flußkanonenboote mit Heckrad.

Unterrichtswesen. Von der Gesamtbevölkerung waren 246 Mill. erwachsene Analphabeten, 3,19 Mill. wurden unterrichtet, für 25 Mill. fehlte der Ausweis. Die Bemühungen der Regierung, der städtischen Behörden und Privaten zeigen sich am deutlichsten in dem Anschwellen der Ausgaben für öffentlichen Unterricht, diese betrugen 1858: 394000, 1865: 671000 und 1893/94: 32,5 Mill. Rupien. Seit 1883 versucht man die Gründung von Privatschulen zu fördern, Mädchenschulen, die bisher vernachlässigt waren, und solche für Mohammedaner, die fast ganz fehlten, zu errichten. Doch sind die Erfolge noch sehr gering; nur etwa 21 Proz. der Knaben und etwa 2,2 Proz. der Mädchen im Schulalter haben Unterricht. Es bestehen für Knaben 91785 Primär-, 4665 Sekundär- und 575 höhere Fachschulen mit mediz., gewerblichen, technischen Kursen u. s. w. Für Mädchen sind die Ziffern 5613, 432 und 53. Dazu kommen 42822 und 1489 Privatunternehmungen. Auch hat man Normalschulen als Lehrerseminare errichtet. Die fünf Universitäten in Kalkutta, Bombay, Madras, Allahabad und im Pandschab sind nur Prüfungsbehörden, denen aber zahlreiche Colleges (152 für männl., 4 für weibl. Studenten) affiliert sind. (S. auch Hindubewegung.)

Zeitungswesen. Die Presse hat in der neuesten Zeit einen bedeutenden Aufschwung genommen. In ganz O. erscheinen ungefähr 1180 Zeitschriften, Zeitungen, Magazine u. s. w. An eigentlichen Zeitungen werden 750 gezählt. 290 Zeitungen werden in engl. Sprache gedruckt, während gegen 547 in den verschiedenen Landessprachen erscheinen, hauptsächlich in Hindustani, Mahrati, Tamil, Urdu, Telugu und einige in Sanskrit und in arab. Sprache. Ungefähr 60 Zeitungen sind zweisprachig. Die engl. Zeitungen stehen der Bedeutung und der Auflage (2-4000) nach obenan. Sie werden mit wenigen Ausnahmen von Engländern redigiert. Einige stehen unter ind. Leitung, z. B. "The Indian Mirror" in Kalkutta, und dienen dann meistens der Opposition. Die leitende Stelle nimmt die Presse von Kalkutta ein, besonders: "The Calcutta Englishman", 1821 als "John Bull in the East" begründet, und die seit 1864 erscheinenden "Indian Daily News". In Bombay sind die "Bombay Gazette" und die "Times of India" die täglichen Zeitungen. In Puna erscheint täglich "The Deccan Herald and Daily Telegraph" und "The Poona Observer". Im Pandschab giebt es nur eine tägliche engl. Zeitung "The Tribune" (1500 Exemplare). Die 1868 gegründete "Madras Mail" und die 1856 ins Leben getretene "Madras Times", "The Allahabad Morning Post" und der 1856 begründete "Allahabad Pioneer'" sind tägliche Blätter. In Dehli erscheint die tägliche "Delhi Gazette" und in Lakhnau dreimal wöchentlich der "Lucknow Express". Diese angloind. Blätter, obwohl verschiedener Parteirichtungen, sind regierungsfreundlich. Die ind. Blätter ("The Vernacular-Press") sind durchweg regierungsfeindlich und antienglisch. "Indien für die Indier" ist ihr Schlachtruf. Meistens sind diese Blätter der Billigkeit und der umständlichen Schriftzeichen halber nur lithographiert. Beinahe allwöchentlich entstehen und vergehen neue Blätter. Nur 30 dieser Blätter haben Auflagen von über 2000 Exemplaren. Sie erscheinen meist einmal wöchentlich. Das wichtigste Blatt für die Eingeborenen ist der "Bangabasi" in Kalkutta (angeblich 20000 Exemplare). In Bombay ist der 1851 begründete "Rast Goftar" sehr angesehen