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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Rath; Rathaus; Rathenow

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Rath – Rathenow

(s. d.) verbunden, daß bei Ausfall einer oder mehrerer Raten die ganze Schuld fällig wird. Nach manchen Gesetzen, z. B. Code civil Art. 1244, kann auch der Richter wider den Willen des Gläubigers R. bewilligen, nicht in Deutschland. Ein Hauptfall vereinbarter R. ist das Abzahlungsgeschäft (s. d.). Das deutsche Reichsgesetz vom 16. Mai 1894 hat zum Schutze solcher Käufer, welche nicht als Kaufleute in das Handelsregister eingetragen sind, Bestimmungen getroffen: 1) Jeder Teil ist verpflichtet, dem andern Teil die empfangenen Leistungen Zug um Zug zurückzugeben, wenn der Verkäufer infolge getroffener Vereinbarung oder auf Grund gesetzlicher Bestimmungen zurücktritt, weil Käufer nicht zahlt. Wegen Vergütung für den Gebrauch vom Käufer zu vertretender Abnutzung und wegen Ersatz von Verwendungen sind Bestimmungen getroffen. Entgegenstehende Verabredungen sind ungültig. 2) Eine wegen Nichtzahlung verabredete und noch nicht geleistete Vertragsstrafe kann, wenn sie unverhältnismäßig hoch ist, vom Richter herabgesetzt werden. 3) Die Kassatorische Klausel kann rechtsgültig nur für den Fall verabredet werden, daß Käufer mit wenigstens zwei aufeinander folgenden R. ganz oder teilweise im Verzug ist und der verfallene Betrag mindestens dem zehnten Teil der übergebenen Kaufsumme gleichkommt. 4) Diese Bestimmungen finden auch Anwendung, wenn das Geschäft in die Form eines Mietvertrags gekleidet ist; auch wenn dem Mieter ein Recht, später Eigentum zu erwerben, nicht eingeräumt ist. 5) Hat der Verkäufer sich das Eigentum bis zur Bezahlung aller Raten vorbehalten und macht er von diesem Recht Gebrauch, so gilt das als Ausübung des Rücktritts. 6) Wer Lotterielose, Inhaberpapiere mit Prämien, oder Bezugs- oder Anteilscheine auf solche Lose oder Inhaberpapiere gegen Teilzahlungen verkauft oder durch sonstwie auf die gleichen Zwecke abzielende Verträge veräußert, wird mit Geldstrafe bis 500 M. bestraft. – Der österr. Entwurf betreffend die Veräußerung beweglicher Sachen gegen R. ist noch nicht Gesetz geworden. – Vgl. Fanta, Zur Reform des Ratenhandels in Österreich (Prag 1892).

Rath, Gerhard vom, Mineralog, geb. 20. Aug. 1830 zu Duisburg, studierte in Bonn, Genf und Berlin und habilitierte sich 1856 in Bonn, worauf 1863 seine Ernennung zum außerord., 1872 die zum ord. Professor und Direktor des Mineralogischen Museums folgte; die letztere Stellung legte er 1880 nieder; 1888 gab er auch seine ordentliche Professur auf und beschied sich mit der eines ord. Honorarprofessors. Er starb 23. April 1888 in Koblenz. R.s wissenschaftliche Arbeiten erstrecken sich über die gesamte Mineralogie und Petrographie und über viele Gebiete der Geologie; man verdankt ihm die genaue mineralog. und chem. Untersuchung vieler bemerkenswerter Gesteine des Rheinlandes, der Alpen und namentlich Italiens. Insbesondere hat R. sich durch die Entdeckung und Beschreibung sowie durch die Ermittelung der krystallographischen Verhältnisse einer großen Reihe von Mineralien verdient gemacht. Seine Arbeiten sind hauptsächlich in Poggendorffs «Annalen», in der «Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft», den «Monatsberichten» der Berliner Akademie und der «Zeitschrift für Krystallographie» veröffentlicht.

Rathaus, Stadthaus (frz. Hôtel de ville; engl. Guildhall; ital. Palazzo municipale oder pubblico oder comunale), seit den Zeiten des Mittelalters ein für die städtischen Verwaltungsbehörden eingerichtetes Gebäude, dessen Äußeres (Façade, Turm) von der Baukunst mit Vorliebe monumental in Sandstein, Backstein u.s. w. ausgestaltet, dessen Inneres mit Monumentalmalereien geschmückt wurde. (Hierzu die Tafeln: Rathäuser Ⅰ und Ⅱ.) Die italienischen R. sind zum großen Teil in jenem massigen Stil, der die dortigen Adelspaläste kennzeichnet, gehalten; so der durch Arnolfo di Cambio 1298 aufgeführte Palazzo Vecchio zu Florenz mit Wehrgang und Zinnen und einem 94 m hohen Turm, der Palazzo pubblico zu Siena, ein gewaltiger Backsteinbau aus dem Ende des 13. Jahrh., das um die Wende des 13. Jahrh. erbaute Stadthaus zu Perugia. Hier wäre auch zu nennen der berühmte Dogenpalast zu Venedig (s. Tafel: Italienische Kunst Ⅱ, Fig. 1), der aus dem 15. Jahrh. stammt. Ferner sind hervorzuheben von R. got. Stils aus dem 14. bis 15. Jahrh. die zu Brügge, Brüssel (s. Tafel: Rathäuser Ⅰ, Fig. 5), Löwen (s. Tafel: Niederländische Kunst Ⅱ, Fig. 3), Gent, Oudenaarde; zu Tangermünde, Lübeck (beides Backsteinbauten), Breslau (s. Tafel: Rathäuser Ⅰ, Fig. 1), Braunschweig, Goslar, Münster, Prag, Basel, Überlingen; sowie das zu Compiègne. Aus der Renaissancezeit giebt es in Deutschland eine Reihe reich gruppierter R., von denen das R. zu Bremen im Anfang des 17. Jahrh. im Renaissancestil umgebaut wurde (s. Taf. Ⅰ, Fig. 2). Das R. zu Altenburg (1563) zeigt einen Treppenturm in der Mitte der Façade, das R. zu Lemgo (Ende des 16. Jahrh.) besitzt zwei große Erker, das R. zu Paderborn (Anfang des 17. Jahrh.) einen gewaltigen Giebel und zwei auf Arkaden vorspringende Pavillons. Ebenso prächtig ausgestattet sind die R. zu Nürnberg, Augsburg (von Elias Holl, mit dem Goldenen Saal), Straßburg, Köln, Amsterdam, Lyon (alle aus dem 17. Jahrh.). Das R. zu Antwerpen (s. Taf. Ⅰ, Fig. 4) stammt bereits aus dem 16. Jahrh. Im 19. Jahrh. sind in den Hauptstilarten schöne R. gebaut worden, so zu Berlin (von Wäsemann, 1861‒70), München (von Hauberrisser, 1880), Wien (von Friedr. Schmidt, 1872‒83; s. Taf. Ⅱ, Fig. 1), Paris (an die Formen des 1871 zerstörten Gebäudes aus dem 17. Jahrh. sich anlehnend, von Ballu und De Perthes, 1872‒82; s. Taf. Ⅱ, Fig. 2), Winterthur (von Semper, 1865‒66), Wiesbaden (von Hauberrisser, 1884‒87; s. Taf. Ⅰ, Fig. 3), Hamburg (1886‒95).

Rathenow, früher auch Rathenau, Kreisstadt im Kreis Westhavelland des preuß. Reg.-Bez. Potsdam, rechts an der Havel und an der Linie Berlin-Hannover der Preuß. Staatsbahnen, Sitz des Landratsamtes des Kreises Westhavelland, eines Amtsgerichts (Landgericht Potsdam), Steuer- und Katasteramtes, hat (1890) 16353 (8524 männl., 7829 weibl.) E., darunter 335 Katholiken und 68 Israeliten, in Garnison das Husarenregiment von Zieten Nr. 3, Postamt erster Klasse, Telegraph, Fernsprechverbindung, mehrere Havelbrücken, Denkmal des Großen Kurfürsten aus Sandstein (1738) von Glume, evang. Marien-Andreaskirche, ursprünglich roman. Basilika, 1517‒89 im got. Stil umgebaut, mit got. Turm (1828), kath. St. Georgskirche (1893), Bankgebäude, Kreishaus in Backsteinrohbau (1894) von Schwechten, Realprogym- ^[folgende Seite]

^[Abb. Wappen von Rathenow]