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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Rhein (Strom)

linie 700 km. Er entspringt im Schweizer Kanton Graubünden aus zwei Hauptquellen, dem Vorder- und dem Hinterrhein, die ihre Wasser aus etwa 150 Gletschern sammeln. Der Vorderrhein kommt aus dem 2344 m hoch gelegenen Tomasee am Fuße des Ladusstocks und wird bald durch zwei Gletscherbäche verstärkt, von denen der eine rechts vom Corneragipfel durch das Cornerathal und der andere links vom Crispalt durch das Gämerthal zufließt. In östl. Laufe durcheilt er das 12 km lange Tavetschthal und nimmt hier eine große Anzahl Bäche auf. Nach kurzer Wanderung nach Norden erhält er Disentis gegenüber aus dem Medelser Thal rechts den Medelser R. oder Mittelrhein, der aus dem 2453 m hohen im Westen des Lukmanier gelegenen Skurosee kommt. Von Disentis an heißt der Fluß R. des Oberlandes (Rin Surselva) und nimmt in seinem 70 km langen nordöstl. Laufe rechts das Wasser des Somvixer Thals, bei Ilanz den Glenner (s. d.) oder Lugnetzer R. und unterhalb Versam die vom Bärenhorn kommende Rabbiusa auf. Bei Reichenau vereinigt er sich mit seinem zweiten Quellfluß, dem Hinterrhein. Dieser entsteht aus den Wassern des unweit des Bernhardiner Passes befindlichen Zapportgletschers am Marscholhorn in 2902 m Meereshöhe; er durchbricht die schauerliche Felsschlucht der Hölle, durchfließt das Rheinwaldthal (Val Rhin, deutsch korrumpiert Rheinwald) mit Nufenen und Splügen, welches er durch die Schlucht La Rufna (Ruffla) verläßt, und biegt nach Norden um in das Schams. Durch die Via mala gelangt er bei Thusis in seine unterste Thalstufe, das Domleschg, das er in breitem, jetzt teilweise korrigiertem Bette durchströmt. Von seinen Zuflüßen sind die wichtigsten: rechts der Averser R. (s. Avers) und die Albula (s. d.), links der gefährliche Wildbach Nolla, der bei Thusis mündet und mit seinem schwarzen Wasser den Hinterrhein bis Reichenau hinab dunkel färbt. Das Flußgebiet umfaßt 1694,4 qkm, wovon 70,5 qkm auf Gletscher fallen; die Flußlänge beträgt 56 km.

Der von Reichenau ab etwa 45 m breite Fluß, der nun R. heißt, wird flößbar und, nachdem er rechts die Plessur aufgenommen hat, für ganz kleine Kähne schiffbar. Hier wendet er sich nach Norden und verläßt, durch die Landquart (s. d.) verstärkt, Graubünden, macht alsdann die Grenze zwischen dem schweiz. Kanton St. Gallen einer- und Lichtenstein und Vorarlberg andererseits, nimmt links die Tamina, rechts die Ill auf und geht unterhalb Rheineck in den Bodensee (s. d.), den er bei Konstanz wieder verläßt. 6 km weiter unterhalb erweitert er sich zum Zeller See oder Untersee. Von da fließt er in westl. Richtung zwischen hohen Ufern und mit wechselnder Breite (60-130 m) bis Schaffhausen, wo er den vielgerühmten Rheinfall bildet. Nachdem der Strom etwa 375 m oberhalb Laufen, Wirbel ziehend und über große, aus seinem Bett hervorragende Kalkfelsen dahinströmend, sein Gefälle schon bedeutend vergrößert hat, stürzt er endlich (3 km unterhalb Schaffhausen, beim Schlosse Laufen) 115 m breit, 15-19 m tief zwischen hochaufragenden steilen Felsen mit donnerähnlichem Geräusch in einen breiten Kessel hinab, wobei er natürlich die Schiffahrt, die auf dem Bodensee und bei Schaffhausen schon mit Kähnen von 4000 Ctr. betrieben wird, unterbricht. Auf seinem im allgemeinen bis Basel westlich gerichteten Laufe bildet er noch einigemal Fälle und Stromschnellen, so den Kleinen Laufen unterhalb Zurzach, den Großen Laufen bei Laufenburg (s. d.) und im sog. Gewild oberhalb Rheinfelden den Höllenhaken. Regelmäßige Schiffahrt findet daher erst wieder unterhalb Basel statt. Er nimmt bis hierher an Nebenflüssen links die Thur, Töß, Glatt, Aare und Birs, rechts die Wutach, Alb und die Wehra auf. Von Reichenau bis Basel beträgt die Länge 299 km.

Der Oberrhein (bis Basel wird der R. der Schweizer R. genannt) wird von Basel bis Bingen gerechnet. Er ist in dieser Strecke 361 km lang, durchströmt in nördl. Richtung von Basel bis Mainz in einem breiten Thal die Oberrheinische Tiefebene (s. d.), trennt Elsaß von Baden und dieses von der bayr. Pfalz und fließt dann durch das Großherzogtum Hessen; auf dieser Strecke wird er links von den Vogesen und der Hardt und rechts vom Schwarzwald und dem Odenwald mit der Bergstraße begrenzt. Nach dem Plan des bad. Ingenieurs Tulla hat man dem auf diesem Teil seines Laufs in viele Arme geteilten und vielfach gekrümmten R. in den J. 1818-72 ein mehr gerades, geschlossenes Rinnsal gegeben, wodurch sein Lauf um 85 km verkürzt, und sein Gefälle erheblich verstärkt worden ist. Die Geschwindigkeit ist in 1 Sekunde bei mittlerm Wasserstand unterhalb Basel auf 4, bei Kehl auf 3,1, bei Lauterburg auf 2,2, bei Mannheim auf 1,3 m berechnet. Seine Breite wächst von Basel bis Mainz von 200 bis 576 m an. Die Schiffahrt von Basel bis Kehl ist noch unbedeutend; es gehen dort nur Schiffe von 320 bis 400 Ctr. Tragfähigkeit. Die größere Rheinschiffahrt mit beladenen Schiffen hebt erst bei Plittersdorf an. Von Kehl bis dort gehen Schiffe von 2000 bis 3000 Ctr., zwischen Plittersdorf und Mannheim von 3000 bis 12000 Ctr. Ladung. An Kanalverbindungen des R. auf dieser Strecke sind zu nennen: Hüninger-, Breisacher- und der Ill-Rhein-Kanal, die ihn mit dem reichsländischen Wasserstraßennetz verbinden, und der Frankenthaler Kanal. An wichtigen Nebenflüssen enthält der R. in der Oberrheinischen Tiefebene links die Ill, Moder, Sauer, den Selzbach, die Lauter und den Queich, rechts die Wiese oder Wiesen, die Elz, Kinzig, Rench, Murg, Alb, Pfinz, Kraich und den Neckar und endlich bei Mainz den Main. Bei Mainz wendet sich der Strom 30 km weit westwärts nach Bingen, auf der Grenze von Rheinhessen und dem preuß. Reg.-Bez. Wiesbaden, und tritt, nach Nordwesten sich wendend, nach Preußen über, indem er erst Hessen-Nassau von der Rheinprovinz scheidet, dann aber in diese übergeht und sie bis an die niederländ. Grenze durchschneidet. Auf der Strecke von Mainz bis Bingen, im weinberühmten Rheingau (s. d.), wird der R. auf der rechten Seite vom Taunus begleitet.

Von Bingen bis Köln reicht der 159 km lange Mittelrhein, mit den an Naturschönheiten überreichen Strecken Bingen-Koblenz, wo der Durchbruch zwischen Taunus und Hunsrück, sowie Koblenz-Bonn, wo er zwischen Westerwald und Siebengebirge (rechts) und der Eifel (links) erfolgt. Als für die Schiffahrt gefährlich galten früher auf dem Mittelrhein das Binger Loch, Stellen bei Bacharach (Wildes Gefähr), Caub, Oberwesel (Loreley), der Kleine und Große Unkelstein, die Bank von St. Goar u. a. Die Verbesserung der Fahrt durch das Binger Loch soll schon unter Kaiser Heinrich IV. betrieben sein. Die ersten Sprengungen dort werden in das 17. Jahrh. verlegt und auf das Betreiben des Frankfurter Handelshauses van Stockum zurückgeführt. Der Große Unkelstein wurde unter franz. Herrschaft