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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sankt Gallen

Landwirtschaft, Bergbau. Von der Fläche sind 1713,5 qkm, d. i. 84,87 Proz., produktives Land: 331,2 qkm Waldungen, 7,3 Weinland, 1375 qkm Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven Lande sind 7,4 qkm Gletscher, 76,8 Seen, 13,1 Städte, Dörfer und Gebäude, 9,2 Schienen- und Straßenwege, 19,5 Flüsse und Bäche und 179,5 qkm Felsen und Schutthalden. Der Ackerbau, der in den ebenen Teilen neben der Industrie die Haupterwerbsquelle bildet, liefert nicht genug Getreide für den eigenen Bedarf; Weinbau wird namentlich im Rheinthal betrieben. Der Obstbau ist im nördl. Hügellande, im Rheinthal und im Gaster am ergiebigsten. Nach der Viehzählung vom 21. April 1886 zählte der Kanton 5719 Pferde, 58397 Rinder, 18272 Schweine, 11758 Schafe, 20051 Ziegen und 13907 Bienenstöcke. 1891-92 wurden in den 4 Fischzuchtanstalten des Kantons 30500 Eier der Fluß- und Bachforelle und 13000 der Regenbogenforelle eingesetzt, 26000 Fluß- und Bachforellen, 5500 Regenbogenforellen ausgesetzt. Der Bergbau liefert schöne Sandsteine, Mühlsteine, Kalksteine, Dachschiefer und Schieferkohlen; dagegen werden die altberühmten Eisengruben des Gonzen nicht mehr regelmäßig ausgebeutet. - Unter den Mineralquellen ist die Therme von Pfäfers (s. d.) die bedeutendste.

Die wichtigsten Industriezweige sind Stickerei und Baumwollweberei mit ihren Nebengewerben, der Spinnerei, Bleicherei, Färberei und Druckerei. Hauptsitze der Fabrikation sind das mittlere und untere Toggenburg, das Oberrheinthal und Werdenberg; außerdem steht auch der Appenzellische Gewerbfleiß teilweise im Dienste der St. Gallischen Industrie. 49 Brauereien brauten (1892) 157000 hl Bier. - Dem Handel dient ein gut entwickeltes Straßennetz, die Dampferlinien des Boden- und des Züricher Sees und das System der Vereinigten Schweizerbahnen. Die Kantonalbank in S. G. (6 Mill. Frs. staatliche Dotation, 1,381 Mill. Reserven) hatte (1892) 358339 Frs. Reingewinn: die Bank in S. G. (6,750 Mill., 1,8 Mill. Frs.) 362704 Frs. Reingewinn. Die wichtigsten Handelsplätze sind, außer der Hauptstadt, Rorschach am Bodensee und Wattwyl im Toggenburg. Von den andern Wohnplätzen sind zu erwähnen die Städte Rapperschwyl, Weesen, Wallenstadt, Wyl, Lichtensteig und Altstätten. Die Linie Winterthur-S. G.-Rorschach, von der südlich die Toggenburger Bahn, die Appenzeller Bahn und die Bergbahn Rorschach-Heiden, nördlich die Linie Gossau-Sulgen abzweigen, durchschneidet das nördl. Hügelland. Die Linie Rorschach-Sargans-Chur durchzieht das Rheinthal, vereinigt sich bei Sargans mit der Linie Zürich-Rapperschwyl-Chur und schließt sich bei St. Margrethen und Buchs an die Vorarlberger und Arlbergbahn.

Verfassung und Verwaltung. Die Verfassung ist repräsentativ und demokratisch. Gesetzgebende Behörde ist der Große Rat, je ein Mitglied auf 1500 E. in den Gemeinden gewählt; dem Volke steht jedoch das fakultative Referendum zu, d. h. auf Begehren von 4000 stimmfähigen Bürgern müssen Gesetze u. s. w. der Volksabstimmung unterstellt werden. Vollziehende Behörde ist der Regierungsrat (sieben Mitglieder), welcher vom Volke gewählt wird. In administrativer Hinsicht zerfällt der Kanton in 15 Bezirke (s. obige Tabelle). Jeder Bezirk hat ein Bezirksgericht; höchste Instanz ist das Kantonsgericht in S. G. Die Staatseinnahmen betrugen 1893: 3,726, die Ausgaben 3,487 Mill. Frs., die Staatsschuld 26,800, das Staatsvermögen 34,315 Mill. Frs. In militär. Beziehung gehört der Kanton zum Stammbezirk der 7. Division. Das Wappen zeigt im grünen Felde ein Bündel silberne Fasces.

Kirchen- und Bildungswesen. In kirchlicher Hinsicht stehen die Katholiken, die in neun Bezirken die Mehrheit bilden, unter dem kath. Administrationsrat und dem Bischof von S. G., dessen Diöcese 1824 aus Teilen der Bistümer Chur und Konstanz gebildet und mit dem Bistum Chur vereinigt, 1836 von demselben abgetrennt und 1845 durch Konkordat als selbständiges Bistum konstituiert wurde. Die reform. Kirche wird von der Synode und dem evang. Kirchenrat geleitet. 1891 bestanden in 214 Schulgemeinden 529 Primärschulen mit 497 Lehrern, 23 Lehrerinnen und 36286 (17796 männl., 18490 weibl.) Schülern, 32 Kleinkinderschulen mit 39 Lehrerinnen und 1731 Kindern, 33 Sekundärschulen mit 70 Lehrern, 18 Lehrerinnen, 1247 Schülern und 827 Schülerinnen, und 1 Mittelschule mit Anschluß an das akademische Studium (27 Lehrer, 206 Schüler), endlich 7 gewerbliche und industrielle Schulen (33 Lehrer, 467 Schüler) und 159 Fortbildungsschulen (2928 Schüler) sowie zahlreiche Waisenanstalten. Von Lehranstalten bestehen das Lehrerseminar Mariaberg bei Rorschach, die Kantonsschule (Gymnasium und Industrieschule), die Zeichenschule am Gewerbemuseum, die höhere Mädchenschule zu S. G., je eine Molkereischule und Milchversuchsstation in Sorenthal, Webschule in Wattwyl, Stickfachschule in Grabs und Frauenarbeitsschule in S. G. Bei den Rekrutenprüfungen von 1892 nahm der Kanton den 13. Rang ein; von 100 Geprüften hatten 23 in mehr als zwei Fächern die beste Note und 14 in mehr als einem Fach die schlechteste Note.

2) Bezirk im Kanton S. G., umfaßt die Stadt S. G. - 3) Hauptstadt des Kantons S. G., in 673 m Höhe, eine der höchst gelegenen größern Städte Europas, im Thale der Steinach, 10 km südwestlich von deren Mündung in den Bodensee, an der Linie Winterthur-Rorschach der Vereinigten Schweizerbahnen, hat (1888) 27842 E., darunter 15764 Evangelische, 11542 Katholiken, 415 Israeliten und 121 Andersgläubige, Post und Telegraph. Die früher von Mauern umgebene Altstadt hat größtenteils enge und krumme Straßen, während die neuen im Thalgrund der Steinach gelegenen Stadtteile und Vorstädte des Bahnhofs, der Brühl u. s. w. regelmäßig angelegt sind. Die Benediktinerabtei, im 7. Jahrh. vom heil. Gallus, einem irischen Mönch, gegründet, im 8. bis 10. Jahrh. eine der ersten Gelehrtenschulen Europas, im 18. Jahrh. neu aufgeführt, 1805 aufgehoben, ist Sitz der Kantonsbehörden und eines kath. Bischofs (seit 1846). Die ehemalige Stiftskirche (1750-65), im Barockstil ausgeschmückt, enthält geschnitzte Chorstühle und ein schmiedeeisernes Gitter, das anstoßende Klostergebäude die berühmte Stiftsbibliothek (30000 Bände, 1558 Inkunabeln, 1725 Bände wertvoller Handschriften, darunter Psalter Notker Labeos aus dem 10. Jahrh., Handschrift B des Nibelungenliedes aus dem 13. Jahrh. u. a.). Von andern Gebäuden sind zu nennen die reformierte got. St. Laurenzkirche,

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