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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Schelling (Hermann von) - Schelling (Karoline)
aber waren Wissenschaftslehre und Naturphilosophie
so weit auseinander getreten, daß sie einer Versöh-
nung bedurften. Diese suchte S. zunächst in ent-
schiedener Abhängigkeit von den ästhetischen Ideen
Kants und Schillers und im Zusammenhange mit
der romantischen Bewegung (vgl. Noack, S. und die
Philosophie der Romantik, 2 Tle., Verl. 1859, und
Haym, Die romantische Schule, ebd. 1870) in dem
Wesen der Kunst und des Genies. Wenn das Leben
der Natur das unbewußte, das des Geistes das be-
wußte ist, so ist die Thätigkeit des künstlerischen Ge-
nies, das nach Kants Äusspruch wie eine Natur
wirkt, eine Vereinigung beider. Wie der Organis-
mus das Produkt der natürlichen Welt und die Hei-
mat der Intelligenz, so ist umgekehrt das Kunstwerk
ein Produkt der Intelligenz und in seiner sinnlichen
Gestalt ein Organismus. In der Knust also löst sich
das Weltrütsel: sie ist die höchste und vollkommenste
aller Gestalten. Diesen ästhetischen Idealismus ver-
kündete er in der Schrift "System des transcenden-
talen Idealismus" (Tüb. 1800) und in den erst nach
seinem Tode gedruckten, aber damals in Jena und
später in Würzburg gehaltenen "Vorlesungen über
die Philosophie der Kunst". Den geineinsamen Grund
des geistigen und des uatürlichen Lebens fand S. in
dem Begriff des Unendlichen oder des Absoluten,
d. h. der Gottheit. Er nannte das Absolute die Iden-
tität oder Indifferenz des Realen und des Idealen,
und suchte daraus die Reihe der endlichen Erschei-
nungen in der Weise abzuleiten, daß das Absolute
zwar in allen Erscheinungen gleich gegenwärtig sei,
aber doch in jeder einzelnen mit einem Übergewicht
bald des realen, bald des idealen Faktors. So ent-
wickelt er aus der Gottheit die beiden Reihen des
Realen und des Idealen als verschiedener "Poten-
zen" ; jene von der Materie anhebend und im mensch-
lichen Organismus endend, diese vom Ich beginnend
und in der künstlerischen Produktion sich vollendend.
Auf diese Weise verwandelt sich der ästhetische in
den absoluten Idealismus oder die Identi-
tätsphilosophie. Er legte diese Gedanken nieder
in der "Darstellung meines Systems der Philo-
sophie" (1801), in dem Dialog "Bruno oder über die
göttlichen und natürlichen Principien der Dinge"
(Berl. 1802), in dem "System der gesamten Philo-
sophie und der Naturphilosophie insbesondere", das
nach seinem Tode gedruckt ist, endlich in einer Reihe
von meist polemischen Abhandlungen in seinen Jour-
nalen. Die Aufgabe, die S. hier stellt, vom Begriff
des Absoluten aus das gesamte Universum in den
beiden Reihen des Realen und des Idealen zu ent-
wickeln, wurde später von Hegel durchgeführt. S.
selbst kam davon ab und geriet auf diese Weise auch
mit Hegel in den entschiedensten Gegensatz. Es voll-
zog sich in ihm allmählich eine Umbildung seiner
Lehre, die ihn immer mehr auf theosophifche Bahnen
brachte. Durch Eschenmayers Vorwurf des Pan-
theismus veranlaßt, gab S. 1804 die Schrift "Philo-
sophie und Religion" (Tüb. 1804) heraus, und nach-
dem er sich auf Vaaders Anregung mitIakob Böhme
beschäftigt hatte, erschienen 1809 seine "Untersuchun-
gen über das Wesen der menschlichen Freiheit".
Diese Schrift erfuhr durch F. H. Iacobi einen hef-
tigen Angriff, der von S. in feinem "Denkmal der
Schrift von den göttlichen Dingen und ihrer Offen-
barung des Herrn F. H. Iacobi" (Tüb. 1812) in
grober, aber vernichtender Weise beantwortet wurde.
Außer einigen andern polemischen Aufsätzen und
tlemen mytholog. Arbeiten veröffentlichte dann S.
jahrzehntelang nichts. Erst nach Hegels Tode lenkte
sich auf S. wieder die öffentliche Aufmerksamkeit.
Es verlautete nach seinen Vorlesungen, daß er ein
System habe, das den Hegelianismus widerlege,
und dies zu verkünden, wurde er nach Berlin be-
rufen. Seine Berliner Vorlesungen wurden teils
durch Frauenstädt ("S.s Vorlesungen in Berlin",
Verl. 1842), teils durch Paulus ("Die endlich offenbar
gewordene positive Philosophie der Offenbarung",
Darmst. 1843) bekannt. Der Grundgedanke war
der, die Notwendigkeit der Geschichte der Religionen
aus der Notwendigkeit der göttlichen Lebensentsal-
tung zu begreifen. S.s Bedeutung für die Geschichte
der deutschen Philosophie besteht somit nicht in der
Aufstellung bleibender Grundlagen der wissenschaft-
lichen Forschung, sondern in der Anregung, die er
durch die großen Gesichtspunkte seiner Spekulation
auf seine Zeitgenossen ausgeübt hat.
Vgl. Rosenkranz, S., Vorlesungen (Danz. 1843);
Kuno Fischer, Friedrich Wilhelm Joseph S. (Bd. 6
der "Geschichte der neuern Philosophie", Heidelb.
1872 u. 1877; 2. Aufl. 1895); Beckers, S.s Geistes-
entwicklung in ihrem innern Zusammenhana (Etuttg.
1875); Pfleiderer, Friedrich Wilhelm Joseph S.
(Münch.1875); C. Frantz, S.s positive Philosophie
(Cöthen 1880).
Schelling, Hermann von, preuß. Iustizminister,
geb. 19. April 1824 in Erlangen, jüngster Sohn des
Philosophen S., studierte zuerst Philologie, dann
die Rechte, trat 1844 in den preuß. Iustizdienst und
wurde, nachdem er 1861-64 die Stelle des ersten
Staatsanwalts beim Stadtgericht zu Berlin bekleidet
hatte, als Hilfsarbeiter ins Justizministerium be-
rufen. Hier verfaßte er den "Entwurf einer Straf-
prozeßordnung für den preuß. Staat" (Berl. 1865),
der 25. Juni 1867 in den neuerworbenen Provinzen
Geltung erhielt. Seit 1866 vortragender Rat, ver-
blieb S. im Justizministerium, auch nachdem er 1874
zum Präsidenten des Appellationsgerichts zu Halber-
stadt ernannt worden war, ging aber 1875 als Vice-
präsident zum preuß. Obertribunal über, wo er den
Vorsitz in einem Civilsenat führte. 1877 wurde er
Unterstaatssekretär im Justizministerium und leitete
hier die Ausarbeituug der preuß. Ausführungsge-
setze zu den Reichsjustizgesetzen. 1879 zum Staats-
sekretär des Reichsjustizamtes ernannt, leitete S. die
Ausarbeitung der Aktiengesetznovelle von 1884 und
des Genossenschaftsgesetzes von 1889. Am 31. Jan.
1889 wurde er zum preuh. Staats- und Iustiz-
minister ernannt. Schon 1874 war er Vorsitzender
der Kommission zur Beratung von Plan und Me-
thode des neuen bürgert. Gesetzbuches. Unter seiner
Verwaltung erfolgte 1889 die Stellungnahme der
preuß. Negierung zu dem Entwurf erster Lesung;
auch wurde der dem Reichstage vorgelegte Entwurf
einer Revision der Strafprozeßordnung und Vor-
arbeiten zu einer Revision der Civilprozeßordnung
unter seiner Leitung hergestellt. Im Nov. 1894 nahm
S. seine Entlassung.
Schelling, Karoline, eine der geistreichsten
Frauen ihrer Zeit, geb. 2. Sept. 1763 zu Göttingen
als Tochter des Orientalisten I. D. Michaelis,
vermählte sich 1784 mit dem Bergmedikus Vöhmer
in Clausthal, nach dessen Tode (1788) sie nach Göt-
tingen zurückkehrte, wo sie zu Bürger und A. W.
Schlegel in freundschaftliche Beziehungen trat. 1791
ging sie nach Mainz, wo sie sich 1792 mit G. Forster
den Klubbisten anschloß und kurze Zeit in Haft kam.
1796 vermählte sie sich mit Schlegel und, nachdem