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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Schweden

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Schweden (Geschichte)

(1721) Livland, Esthland, Ingermanland und einen Teil von Wiborgslän an Rußland abtreten, dann im Frieden mit Dänemark zu Frederiksborg (1720) auf die Befreiung vom Sundzoll verzichten.

Vom Tode Karls XII. 1718 an war S., besonders seit 1739, ein Tummelplatz der Parteistreitigkeiten, die sich auf den Reichstagen unter franz., russ. oder engl. Einfluß entwickelten. Dem König Karl XII. folgte auf dem Throne seine jüngere Schwester Ulrike Eleonore, doch nicht sowohl durch Erbrecht als durch freie Wahl der Stände, die eine neue Konstitution (Regierungsform 1719 und 1720) annahmen, wodurch die königl. Macht sehr beschränkt wurde. Ihr Gemahl war Friedrich von Hessen-Cassel, der mit Bewilligung der Stände 1720 die Regierung übernahm und sie bis 1751 führte. Als ein schwacher Fürst vermochte er nicht das Ansehen des Königtums zu erhalten und wurde vom Reichsrat beherrscht. S. war bis auf den Namen eine aristokratische Ständerepublik. Auch diese Epoche war nicht von Kriegen frei. Auf Anstiften einiger erhitzter Köpfe aus der sog. Partei der Hüte begann man 1741, um die an Rußland abgetretenen Provinzen wiederzuerlangen, abermals einen Krieg, den 1743 der schimpfliche Friede zu Åbo beendete, in dem ein Teil Finlands bis an den Kymenefluß verloren ging und die Thronfolge in S., da die Königin kinderlos war, dem Herzog Adolf Friedrich (s. d.) von Holstein, Bischof von Lübeck, zugesichert ward.

Unter des letztern Regierung, 1751-71, nahm S. seit 1757 einen schwachen und erfolglosen Anteil am Siebenjährigen Kriege. Im Innern zerrütteten die unter dem Namen der Hüte (s. d.) und Mützen bekannten Parteien das Reich, und die königl. Gewalt sank immer mehr zum Schattenbilde herab. Als Gustav III. (s. d.) 1771 seinem Vater in der Regierung gefolgt war, ließ er es 1772 sein erstes Geschäft sein, die Königsgewalt wieder zu erheben (Konstitution von 1772) und dem Parteiwesen ein Ende zu machen. Er unternahm auch gegen Rußland einen zwar erfolglosen, aber nicht ruhmlosen Krieg, erweiterte 1789 die königl. Macht durch die sog. «Sicherheitsakte», wurde jedoch deswegen 1792 das Opfer einer Verschwörung. Ihm folgte unter der Vormundschaft seines Oheims, des Herzogs Karl von Södermanland, sein Sohn Gustav IV. Adolf (s. d.), der durch seinen Starrsinn, womit er S.s Interessen durch seinen Widerstand gegen Napoleon und Rußland schädigte, die unblutige Revolution von 1809 hervorrief, durch die er den Thron verlor, den der Herzog von Södermanland unter dem Namen Karl XIII. (s. d.) bestieg. Diese Revolution beendete für S. den Streit zwischen Monarchie und aristokratischer Vielherrschaft (Konstitution von 1809), und während man die königl. Macht hinlänglich zu kräftigen, dabei aber eine Garantie gegen die Eingriffe in die Rechte und Freiheiten des Volks festzusetzen suchte, glaubte man eine allen Forderungen genügende Verfassung aufgestellt zu haben. Da der alte König kinderlos war, wählte man den Prinzen Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg zu des Königs künftigem Nachfolger. Mit Rußland schloß man den Frieden zu Fredrikshamn 17. Sept. 1809, in dem ganz Finland und Westerbotten bis zum Torneå- und Munioflusse nebst den Ålandsinseln abgetreten wurde, mit Dänemark den zu Jönköping 10. Dez. 1809 und mit Frankreich den zu Paris 6. Jan. 1810, in dem S. dem Kontinentalsystem beitrat. Inzwischen starb der Kronprinz eines plötzlichen Todes, und der Reichstag zu Örebro wählte Aug. 1810 den Marschall Bernadotte zum Thronfolger. Auf Andringen Napoleons mußte S. England den Krieg erklären. Doch das Drückende dieses Kriegszustandes sowie die immer steigenden Anmaßungen Frankreichs führten 1812 dahin, daß sich S. Rußland näherte und sich an dem letzten Bündnis gegen Napoleon und dem Kriege beteiligte, durch den dieser gestürzt wurde. (S. Russisch-Deutsch-Französischer Krieg von 1812 bis 1815.) Durch den Frieden mit Dänemark zu Kiel 14. Jan. 1814 sollte S. zu dem Besitz Norwegens gelangen; dagegen trat es seinen Anteil an Pommern und die Insel Rügen ab, die später an Preußen kamen.

Bernadotte, der nach dem Tode Karls XIII. 1818 als Karl XIV. Johann (s. d.) den Thron bestieg, war vor allem bemüht, den materiellen Zustand des Landes zu heben. Doch gelang es ihm nicht, im Lande ganz heimisch zu werden; Preßprozesse riefen namentlich im Sommer 1838 tumultuarische Scenen in der Hauptstadt hervor, die den reaktionären Einflüssen, unter denen der König stand, neuen Anlaß gaben, ihn mit Mißtrauen gegen das Volk zu erfüllen. Am 8. März 1844 starb Karl Johann, und es folgte ihm sein Sohn Oskar I. (s. d.), unter dem sogleich im Juli ein von einem bereits früher eingesetzten Konstitutionsausschuß entworfener Verfassungsreformentwurf im Reichstag zur Beratung kam, der jedoch vom Adel und Klerus abgelehnt wurde. Dagegen setzte der König (1845) eine Reform der Kriminalgesetzgebung und eine Veränderung der Erbgesetze ins Werk, und auch die Abschaffung des Zunftzwanges, die größere Förderung von Handel und Gewerbe, die Vorbereitung von Eisenbahnanlagen wurden zu gleicher Zeit durchgeführt. In die Beratungen des Reichstags über einen neuen Verfassungsentwurf fiel die polit. Bewegung vom Febr. 1848, die auch S. nicht unberührt ließ. Das nächste Ergebnis war (April) ein Wechsel im Ministerium zu Gunsten des Liberalismus und die Zusage einer baldigen Entscheidung der Verfassungsangelegenbeit. Schon 1. Mai ward hierauf den Ständen der Entwurf der neuen Nationalrepräsentation übergeben, wonach nur noch zwei Kammern bestehen sollten. Dieser Entwurf ward von dem Verfassungsausschuß angenommen, aber die definitive Entscheidung, der Verfassung gemäß, erst dem nächsten Reichstage vorbehalten.

Inzwischen brach der Streit um Schleswig-Holstein zwischen Dänemark und Deutschland aus, in dem S. nicht unbeteiligt bleiben zu können glaubte. Schon seit Jahren hatte sich in der Nation, namentlich unter der Jugend, eine skandinav. Einheitstendenz geltend gemacht, die dem alten Haß zwischen Schweden und Dänen ein Ende machte, und die nun dazu beitrug, die dän. Sache populär zu machen. Es kam ein enges Bündnis zwischen S. und Dänemark zu stande, infolgedessen schwed. Truppen nach Fünen abgingen. Unter schwed. Vermittelung wurde 26. Aug. 1848 der Waffenstillstand zu Malmö abgeschlossen. Aber bald erkaltete die Teilnahme für die dän. Sache, so daß Dänemark 1849 vergeblich versuchte, die Schweden zu einer thätigen Mitwirkung zu bringen. S. blieb neutral, und es ward ihm deshalb bei dem Waffenstillstand vom 10. Juli 1849 die Besetzung Nordschleswigs übertragen. Als Nov. 1850 der Reichstag zusammentrat, fand der Verfassungsentwurf von 1848 nur beim Bürger-^[folgende Seite]