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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Senat
nicht curulischen Magistrats gab wenigstens eine Art
Anwartschaft auf Aufnahme in den S. Bald er-
hielten auch die Volkstribunen und Adilen, durch
Sulla endlich die Quästoren die Anwartschaft, und
der S. ward geradezu zu einer Versammlung der ge-
wesenen, vom Volke gewählten Beamten. Die alte
Normalzahl von 300 Mitgliedern wurde dabei ge-
legentlich wohl überschritten. Nach dem Bundes'
genossen- und dem ersten Bürgerkrieg sank die Zahl;
Sulla erhöhte sie wieder und brachte den S. auf 600
Mitglieder: diese Zahl galt von nun an als normal.
Cäsar und später die Triumvirn nahmen zwar will-
kürliche Vermehrungen des S. auf 900 und 1000 Mit-
qlieder vor, Augustus stellte aber in seiner Verfas-
sungsreform durch eine Reinigung des S. von den un-
lautern Elementen der Revolutionszeit 29 v. Chr. die
alte Zahl wieder her. Augustus hat auch zuerst einen
bestimmten Census von zuerst 800000 Sesterzen, spä-
ier 1 Mill. Sesterzen für den Senator verlangt und
damit ausdrücklich einen Senatorenstand (oi-äo 86-
natm-iuä) geschaffen, der neben den Ritterstand und
den Stand der Plebs tritt und in der spätern Kaiser-
zeit auch einen besondern Titel mit sich bringt (vir
olarizzjmuZ). Thatsächlich war ein solcher Stand
allerdings schon vorhanden; bereits 218 verbot eine
I6x ^lanäia. den Senatoren Handelsgeschäfte zu trei-
ben. Das von den Senatoren geforderte Mindest-
alter hat mit der wechselnden Zusammensetzung ge-
schwankt. Seit die Quästur das Anrecht auf den Sitz
im S. gab, sank das geforderte Alter von 60 Jahren
auf 27, 30, schließlich 25 Jahre. Man unterschied
innerhalb des S. mehrere Rangklassen. Zu den cu-
ru1e8 gehörten Konsularen, Prätoren, curulische Adi-
len. Unter den pLä^rü begriff man anfangs die nur
Zur Abstimmung, nicht zur Meinungsäußerung zu-
gelassenen Plebejer im S., dann die Mitglieder, die
noch kein curulisches Amt bekleidet hatten; zu ibnen
gehörten die plebejischen Adilen, Tribunen, Quä-
storen. Die sog. llälecti wurden von den Censoren
oder später von den Kaisern ohne Amtsbekleidung
in den S. aufgenommen, sofern nicht der Kaiser (in
der Republik kommt dergleichen nicht vor) ihnen eine
höhere Rangklasse (inter praetoi-ioZ u. s.w.) anwies.
An der Spitze des S., aber ohne Präsidentenrechte,
stand der 1'l-inc6p8 86NHw8. - Die Tracht der Se-
natoren zeichnete sich aus durch die Tunika mit brei-
tem Purpurstreifen, besondere Sckuhe und einen
goldenen Ring. Dazu kamen verschiedene Ebren-
Vorrechte, wie der besondere Platz bei öffentlichen
Spielen und Aufführungen u. s. w.
Das Recht, den S. zu berufen (co^ere 86nawm),
kam nur den höchsten Magistraten zu. Die Volks-
tribunen erlangten nicht nur frühzeitig den Zutritt zu
den Verhandlungen, sondern bald auch, vielleicht um
287 v. Chr., das Recht der Berufung des S. Die Be-
rufung geschah durch Präconen (viawi-63) oder auch
mittels Edikts. Regelmäßige Vcrsammlungstage an
den Kalenden und Idus jeden Monats richtete erst
Augustus ein. Der Ort der Versammlung war ge-
wöhnlich die angeblich vom König Tullus Hostilius
zu diesem Zweck am Komitium gebaute Curia Hosti-
lia, an deren Stelle, nachdem sie 52 abgebrannt war,
später die Curia Julia trat; häusig aber fanden auch
die Versammlungen in Göttertempeln statt, und stets
mußte der Ort ein Templum im röm. Sinne, d. h. ein
inaugurierter sein. Die Abstimmung geschah (nach-
dem die Senatoren ihre Stimme in bestimmter
Reihenfolge abgegeben hatten) durch Auseinander-
treten in Gruppen (äi3c633io ^itio^ in pHi-t63). Da-
mit ein Beschluß gültig würde, war die Anwesenheit
einer, jedoch nicht immer gleichen Anzahl von Se-
natoren in der Sitzung erforderlich.
Die Willenserklärung des S. überhaupt hieß
5uictoi-ita8; trat kein Hindernis, wie z. V. die In-
tercession der Tribunen, ein, so erlangte sie die Kraft
eines förmlichen Beschlusses oder 86N3.W8 con8u1tuiu,
(s. d.). Die Senatskonsulte waren jedoch keine Gesetze,
denn die Einwirkung des S. auf die Gesetzgebung be-
ruhte nur auf dem Herkommen, daß über alle Ge-
setzesvorschläge, ehe sie an die Komitien gelangten,
im S. beraten und ein Vorbeschluh gefaßt wurde.
Die eigentliche Thätigkeit des S. ging mehr auf die
Verwaltung. So kam ihm eine Oberaufsicht zu über
die Staatsreligion und ihre Ausübung, über das
Llrarium (den Staatsschatz), die Finanzen und deren
Verwaltung, die Leitung der Beziehungen zu den
Unterthanen und Bundesgenossen sowie zum Aus-
lande und daher die Absendung und Annahme von
Gesandtschaften. Die Magistrate waren ihm nicht
unterthänig, hingen aber mannigfach von ihm ab,
da ihm die Verteilung der Geschäfte, besonders der
Kriegsämter, der Provinzen, die Verfügung über die
nötigen Mittel zur Führung des Amtes sowie das
Recht der Instruktion zustand. Bei dringender Ge-
fahr war der S. auch berechtigt, in die Leitung des
Staates überhaupt einzugreifen. Einflußreich war
der S. auch noch dadurch, daß bis auf Gajus Sem-
pronius Gracchus die Geschworenengerichte aus-
schließlich mit Senatoren besetzt wurden.
Augustus teilte die Reichsregierung dem Namen
nach zwischen dem Kaiser und dem S., der auch
jedem neuen Kaiser seine Herrschaftsrechte neu be-
willigte. Das Recht, den S., dessen Princeps stets
der Kaiser selbst war, zu berufen, stand nock den
republikanischen Magistraten, aber auch dem Kaiser
zu, kratt der ihm verliehenen tribunicischen Gewalt.
Für die Verhandlungen, über die wahrscheinlich
schon in der Republik Protokolle (acw) geführt
wurden (erst Cäsar veranlaßte eine offizielle Re-
daktion und ließ diese veröffentlichen), die Um-
frage und die Abstimmung blieben im ganzen die
alten Formen. Seiner Thätigkeit nach erscheint der
S. nun vorzüglich als ein Reichsrat der Kaiser, die
ihn, gelegentlich durch einen aus Senatoren gebil-
deten Staatsrat, über Staatsgeschäfte befragten,
namentlich hinsichtlich der Gesetzgebung, für die bei
dem Schwinden der 1^63 die Senatskonsulte eine
wichtige Quelle wurden. Ein Teil der Provinzen
war durch Augustus dem S. überlassen; die Magi-
strate, die sie verwalteten, standen zunächst unter
diesem Kollegium, und die Einkünfte aus ihnen
flössen in das seiner Verwaltung überwiesene 6lra-
rium (s. d.), von dem nun der Fiskus unterschieden
wurde. Hierzu kamen seit Tiberius die Wahlen der
altrepublikanischen Magistrate, nachdem bereits
Augustus dem S. eine regelmäßige Kriminalgerichts-
barkeit, namentlich wegen gesetzwidriger Verwaltung
der Provinzen und wegen Kapitalverbrechen seiner
Mitglieder, überwiesen hatte. Seinen Einfluß auf
die Wahl des Kaisers teilte er bald mit den Sol-
daten, wie denn überhaupt sein Ansehen unter den
despotischen Kaisern immer mehr sank. Die Provin-
zen wurden ihm schon im 3. Jahrh, entzogen, das Ara-
rium ward eine städtische Kasse; auch andere Rechte
schwanden dahin. Seit Diocletian und Konstantin,
der in Konstantinopel ebenfalls einen S. einrichtete,
wirkte der S. nur noch zum Schein bei der Gesetz-
gebung und der Strafrechtspflege mit. Als städtische
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