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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Sklaverei

Parlamentssitzung von 1833 wagte endlich die brit. Regierung, unterstützt von der öffentlichen Meinung, die letzte Hand an die Beseitigung der S. zu legen. Lord Stanley brachte 14. Mai im Parlament einen Gesetzentwurf ein, der die Emancipation aller brit. Sklaven vom 1. Aug. 1834 beantragte. Doch war für jeden Sklaven eine Art Lehrzeit vorgesehen, die für den Haussklaven bis zum 1. Aug. 1838, für den Feldsklaven bis 1840 dauern sollte. Den Pflanzern wurde die Summe von 20 Mill. Pfd. St. als Entschädigung aus Staatsmitteln bewilligt. Am 28. Aug. 1833 wurde die Bill vom Könige bestätigt. Das Institut der Lehrzeit erwies sich freilich als Mißgriff; am 1. Aug. 1838 erfolgte deshalb die völlige Freilassung sämtlicher Sklaven in den engl. Kolonien. Die Zahl der Befreiten belief sich auf 639000, von denen 322000 allein auf Jamaika kamen. Die Freilassung der Sklaven lähmte allerdings einige Jahre das wirtschaftliche Leben der brit. Kolonien; allein die Emancipation selbst war in geringerm Maße die Ursache der Krisis als der Raubbau, der von den Plantagenaufsehern getrieben war. Um dem Plantagenbau Arbeitskräfte zuzuführen, schritt man dann zur Einführung der Kulis (s. d.) aus Ostindien.

Ein Schritt vorwärts im Kampfe gegen den Sklavenhandel wurde mit dem Abschluß des Quintupelvertrags gethan, zu dem sich 20. Dez. 1841 zu London die fünf Großmächte vereinigten. Nur Frankreich, in dessen Kammern sich ein Sturm gegen das bereits ein Jahrzehnt von franz. Schiffen geübte Durchsuchungsrecht erhob, ratifizierte den Vertrag nicht. Der Inhalt des Abkommens waren im wesentlichen die Bestimmungen der 1831 und 1833 zwischen England und Frankreich geschlossenen Verträge, denen bereits eine Reihe anderer Staaten beigetreten war (Dänemark und Sardinien 1834, die deutschen Hansestädte 9. Juni 1837, Toscana und Neapel 1837 und 1838). Die kontrahierenden Staaten räumten sich das Recht wechselseitiger Durchsuchung und Beschlagnahme verdächtiger Schiffe ein in einem Seegebiete, das den Atlantischen Ocean vom 32.° nördl. Br. bis zum 45.° südl. Br., den Indischen Ocean von der afrik.-asiat. Küste bis zum 45.° südl. Br. und zum 80.° östl. L. von Greenwich umfaßte. 1848 trat Belgien dem Quintupelvertrag bei, und 29. März 1879 ist das Deutsche Reich in die Vertragsrechte und Pflichten des preuß. Staates eingetreten. Frankreich gestand 1845 in einem Vertrage mit England als dürftigen Ersatz der Abmachungen von 1831 die Kooperation beiderseitiger Kreuzergeschwader zu, ein schwaches Vertragsband, das 1855 bereits wieder zerriß. Bei der geringen Initiative Frankreichs in der Sklavenfrage geschah in den franz. Kolonien für die Beseitigung der S. ernstlich nichts. Durch die Eroberung von Algerien (1830) wurde zwar dem dreisten Menschenraub, den die Barbaresken auf dem Mittelmeer trieben, ein Ende gemacht, aber die Negersklaverei in Algerien blieb noch bestehen. Ein Gesetz vom 21. April 1834 schaffte endlich das harte Gesetzbuch Ludwigs XIV., den "Code noir", ab, und eine Reihe von Bestimmungen, welche die socialen Verhältnisse der Sklaven regelten, milderten zwar deren Lage, konnten aber das Institut der S. nicht erschüttern. Erst die Revolution von 1848 brachte allen Sklaven der franz. Kolonien (250000 bis 300000 an Zahl) die Freiheit und gab ihnen die vollen Rechte der Weißen. Bei dem unvorbereiteten Eintreten dieser Umwälzung konnte eine schwere Krisis nicht ausbleiben. Erst allmählich gelang die Herstellung der Ordnung und die Herbeiführung einer freien Arbeitsthätigkeit. Ein im Mai 1854 publizierter Senatsbeschluß sprach die Abschaffung der S. in den franz. Kolonien für alle Zeiten aus.

In den Vereinigten Staaten wurde die Kluft zwischen Nord und Süd mit jedem Jahre größer. Die Gegensätze stießen in nationalökonomischen Fragen wie auf dem Gebiete der äußern Politik aufeinander. Die Bewegung gegen die S. schuf sich eine immer breitere Grundlage. 1831 wurde die erste Gesellschaft der Abolitionisten (s. d.) gegründet, an ihrer Spitze die religiösen Schwärmer Tappan und Garrison (s. d.); sie eröffnete eine umfangreiche Propaganda durch Wort und Schrift in den Südstaaten. Zwar gelang es dem Süden nicht, die Abolitionisten zu unterdrücken, allein wichtige Grundrechte des Volks wurden erheblich beschränkt; 1838 setzten die Südstaaten die sog. "Atherton Gag" durch, welche die Nichtberücksichtigung aller auf die S. bezüglichen Petitionen seitens des Kongresses bestimmte. Aus den Kämpfen um die Aufnahme von Texas (1845) ging die neue entschiedene Antisklavereipartei der Freibodenmänner (s. d.) hervor. In dem Kompromiß von 1850 wurde der Streit um die Pacifischen Gebiete dahin beigelegt, daß Kalifornien mit einer die S. ausschließenden Verfassung zugelassen wurde, während für Utah und Neumexiko die Frage der S. von den künftigen Verfassungen abhängig sein sollte. Durch dasselbe Gesetz wurde endlich auch der Sklavenmarkt in Washington unterdrückt, der bis dahin offen in der Bundeshauptstadt unterhalten war. Eine tiefgehende Erregung riefen besonders die gehässigen Bestimmungen der Sklavenfluchtgesetze (s. d.) hervor. Der bedrohliche Sieg der Sklavenhalterpartei durch die Kansas-Nebraska-Bill (s. d.), die das Missouri-Kompromiß aufhob, gab die Veranlassung zur Begründung der Republikanischen Partei (s. d.), die den Ausschluß der S. aus allen Territorien und Einschränkung derselben auf ihre bisherigen Grenzen als Grundsatz ihrer Politik aufstellte. Sie unterlag zwar noch 1856, setzte aber 1860 die Wahl Lincolns zum Präsidenten der Vereinigten Staaten durch. Die Folge war die Secession der Südstaaten und der Bürgerkrieg (1861-65), in dem die Bundesregierung anfangs nur für die territoriale Wiederherstellung der Union kämpfte. (S. Vereinigte Staaten von Amerika.) Aber bald sah sie sich gezwungen, weiter zu gehen. Am 22. Sept. 1862 erließ Lincoln die Emancipationsproklamation, durch die sämtliche Sklaven in den insurgierten Staaten vom 1. Jan. 1863 an für frei erklärt wurden. 1864 und 1865 nahmen Senat und Repräsentantenhaus das Amendement zur Verfassung an, das die S. in den Vereinigten Staaten aufhob. Gegen Ende des Krieges war man auch dazu geschritten, Sklaven in die Bundesarmee einzureihen. Die 1865 erfolgte vollständige Niederlage der Secession brachte die Emancipation im ganzen Gebiete der Vereinigten Staaten zur thatsächlichen Geltung. Die Zahl der Sklaven hatte 1820 1½ Mill. betragen, 1860 waren in den Südstaaten 3949557 farbige Sklaven gezählt. Der Kongreß hat es sich angelegen sein lassen, die Emancipation durch wirksame Gesetze praktisch zu vervollständigen und ihr ihren vollen Inhalt zu geben. Diese Ausführungsgesetze stießen aber auf den Widerstand des Präsidenten Johnson, der mit Hilfe der Demokratischen Partei die Emancipation