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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spanien (Geschichte 1792-1833)

Eroberungen in Amerika die Kolonialmacht S.s begründet. Mit der Thronbesteigung seines Sohnes Philipp II. (s. d., 1556-98) begann der Verfall der span. Monarchie, zu der eben durch jene österr. Heirat damals außer S. die Niederlande, das Königreich beider Sicilien, Mailand, Sardinien, die Franche-Comté und der ungeheure Kolonialbesitz in Amerika gehörten. Während er 1580 Portugal nach dem Aussterben der unechten burgundischen Linie (s. Sebastian) erwarb, veranlaßte er den Abfall der Niederlande. Überhaupt war er im ganzen nicht glücklich in seinen Kriegen mit den Türken, mit England, Frankreich und den Niederlanden. Ebensowenig vermochte er trotz grausamer Mittel die Ketzerei auszurotten. Zwar unterdrückte er in S. vermittelst der Inquisition jede Ausbreitung des Protestantismus und suchte die Reste des Mohammedanismus zu vertilgen; aber in den nördl. Niederlanden vermochte er den Sieg des Protestantismus nicht zu verhindern und selbst in seinen ital. Besitzungen die Einführung der span. Inquisition nicht durchzusetzen. Am meisten gelang ihm die Unterdrückung der noch in S., besonders in Aragonien (s. Perez, Antonio), bestehenden Freiheiten. Die vielen Kriege und die verkehrte Wirtschaft Philipps brachten das Land, trotz der aus Amerika fliehenden ungeheuren Schätze, an den Rand finanziellen Abgrundes; bloß der äußere Glanz dauerte unverändert fort. Span. Kunst und Litteratur feierten damals und noch eine kurze Zeit weiter ihr goldenes Zeitalter. Sein Sohn Philipp III. (1598-1621) ließ sich ganz von seinem Günstling, dem Grafen Lerma (s. d.), und von der Geistlichkeit leiten. Auf Andrängen der letztern wurden 1609 sämtliche noch in S. befindliche Moriscos, etwa 800 000, aus dem Lande vertrieben, was der Industrie und dem Volkswohlstande großen Schaden brachte. Unter seinem Sohn Philipp IV. (s. d., 1621-65), unter dem der Herzog von Olivarez (s. d.) lange Jahre als Günstling und Minister regierte, ward der Zustand des Landes noch trauriger. Kriege in Deutschland, Italien, den Niederlanden und mit Frankreich zehrten das Mark des Landes auf und führten zu den härtesten Bedrückungen, die einen zehnjährigen Bürgerkrieg in Catalonien und Aufstände in Andalusien, Neapel u. s. w. veranlaßten. Das Königreich Portugal schüttelte 1640 die span. Herrschaft wieder ab. Im Westfälischen Frieden 1648 mußte endlich die Unabhängigkeit der niederländ. Republik förmlich anerkannt werden, und im Pyrenäischen Frieden 1659 wurden span. Gebiete an Frankreich abgetreten. Unter Philipps IV. Sohn und Nachfolger, dem an Geist und Körper schwachen Karl II. (1665-1700), traten die Folgen des Systems deutlich hervor. Der Geldmangel war aufs höchste gestiegen, die Regierung im Innern und in den Kolonien ohne Kraft und Ansehen und unglücklich in ihren Kriegen gegen Frankreich, an welches im Frieden zu Aachen 1668 bereits 12 niederländ. Festungen, in dem von Nimwegen 1679 die Franche-Comté und weitere niederländ. Besitzungen verloren gingen.

Unter den Bourbonen bis zur Französischen Revolution. Karl II., der letzte span. Habsburger, hatte in seinem Testament Philipp (V.) von Anjou, einen Enkel seiner mit König Ludwig XIV. von Frankreich vermählten ältern Schwester, zum alleinigen Erben aller seiner Reiche eingesetzt, um die von England, Holland und Frankreich beschlossene Teilung der span. Monarchie zu verhindern. Wirklich ward Philipp V. (s. d., 1701-46), nach Karls Tode, ohne Widerstand in der gesamten span. Monarchie als König anerkannt. Aber nun entbrannte der zwölfjährige Spanische Erbfolgekrieg (s. d.), in dem Philipp V. nach manchem Wechsel des Glücks gegen seinen österr. Gegenkönig Karl (den nachmaligen Kaiser Karl VI.) auf dem span. Thron sich behauptete. Allein im Utrechter Frieden 1713 mußte er die span. Nebenländer Neapel, Sardinien, Mailand und die Niederlande an Österreich und Sicilien an Savoyen abtreten; auch behielten die Engländer Gibraltar und Menorca. Unter den Bourbons verlor die Nation ihre letzten Verfassungsrechte; denn Aragonien, Catalonien und Valencia, die sich für den Gegenkönig Karl erhoben hatten, wurden von Philipp V. als eroberte Länder behandelt. Der letzte Reichstag ward in Castilien 1713 und in Aragonien 1720 gehalten. Nur die bask. Provinzen und Navarra behielten ihre althergebrachten Landesprivilegien (s. Fueros). Philipp V. nahm an den Staatsgeschäften wenig Anteil und folgte ganz der Führung der Fürstin Orsini; aber seine energische und geistvolle zweite Gemahlin, Elisabeth (s. Elisabeth Farnese) von Parma, mit ihren Ratgebern Alberoni (s. d.) und Ripperda kehrte zu der alten Großmachtpolitik zurück, reformierte den Staatshaushalt, vermehrte die Marine und gewann wieder in Italien das Königreich beider Sicilien 1735 und das Herzogtum Parma 1748 als span. Sekundogenituren. Unter Philipps gemütskrankem Sohne und Nachfolger Ferdinand VI. (s. d., 1746-59) erholte sich das Land finanziell während der friedlichen Zustände. Insbesondere beschränkte das Konkordat von 1753 die großen Geldbezüge der Kurie aus Spanien. Erst unter Karl III. (s. d., 1759-88), einem aufgeklärten Fürsten, brach für S. eine bessere Zeit an. Zwar verwickelte diesen sein Ehrgeiz und der bourbonische Familienvertrag von 1761 zum Nachteil des Landes in den franz.-engl. Krieg, und es mißlang die in der Kriegsgeschichte so merkwürdige dreijährige Belagerung von Gibraltar (s. d.), während die Insel Menorca wiedererobert wurde (5. Febr. 1782). Doch störte dies den Gang der innern Verwaltung nicht, an deren Verbesserung Männer wie Aranda, Campomanes und Florida-Blanca (s. d.) arbeiteten. Diese sorgten vorzüglich für die Beförderung des Ackerbaues, des Kunstfleißes und des Handels. Auch die Inquisition ward beschränkt, die geistliche Censur aufgehoben, das königl. Placet für alle päpstl. Schriftstücke vorbehalten, die geistlichen Orden strengerer Zucht unterworfen und der Jesuitenorden durch die Pragmatische Sanktion vom 2. April 1767 aus allen span. Ländern verwiesen und seine Güter eingezogen. Der Fortschritt zum Bessern war auch noch im Anfang der Regierung Karls IV. (s. d., 1788-1808) sichtbar. Endlich wurde Florida-Blanca 1792 durch Godoy (s. d.), Herzog von Alcudia, verdrängt, mit dem eine für den Staat sehr nachteilige Günstlingsregierung eintrat.

Während der Revolutionszeit. Anfangs nahm S. mit großer Anstrengung an dem Kriege gegen die Republik Frankreich Anteil; aber in dem Frieden zu Basel (22. Juli 1795) mußte S. seine Hälfte von Santo Domingo abtreten. Dann schloß Alcudia, der "Friedensfürst", mit der franz. Republik den verhängnisvollen Schutz- und Trutzbund