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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Spanien (Geschichte 1833-68)

Neuwahlen die Exaltados (Radikalen) über die Gemäßigten (Moderados) gesiegt und die Majorität in den Cortes von 1822 erlangt; auch das Ministerium Martinez hatte einem Exaltado-Kabinett unter Riegos Vorsitz weichen müssen. Dadurch ward der Konflikt mit dem Auslande beschleunigt.

Der Kongreß zu Verona (s. d.) trat im Okt. 1822 hauptsächlich wegen der span. Verhältnisse zusammen; Frankreich vereinigte sich dort mit den Höfen des Ostens zu einer Einmischung in die span. Angelegenheiten. Das Ansinnen einer Verfassungsänderung und Herstellung der königl. Souveränität wurde im Jan. 1823 von der span. Regierung und den Cortes zurückgewiesen, worauf die Gesandten von Österreich, Preußen, Rußland und Frankreich aus Madrid abreisten und Frankreich zur militär. Intervention schritt. Am 7. April 1823 überschritt der Herzog von Angoulême als Oberanführer des franz. Interventionsheers mit 95 000 Mann den Grenzfluß Bidassoa. Die Provinzen Castilien, Aragonien und Obercatalonien wurden fast ohne Kampf von den Franzosen besetzt, und der Herzog von Angoulême zog 24. Mai in Madrid ein. Eine von ihm eingesetzte Regentschaft unter dem Herzog von Infantado begann sogleich das Werk der Restauration. Das konstitutionelle Ministerium und die Cortes hatten den König trotz allen Widerstrebens bereits 20. März nach Sevilla entführt. Vom eindringenden Feinde bedroht, verlegten die Cortes ihren Sitz von Sevilla nach Cadiz, wohin der König sie 13. Juni begleiten mußte. Cadiz war indes zu Land und zur See blockiert worden. Angoulême erstürmte 31. Aug. den Trocadero, und die Stadt ward eng eingeschlossen und bombardiert. Noch vor dem drohenden Sturm beschlossen die Cortes (28. Sept.), sich aufzulösen und den König freizulassen, der daraus 1. Okt. sich in das franz. Lager begab. Die Kompromittierten schifften sich nach England oder Amerika ein; die Franzosen besetzten 3. Okt. Cadiz, und damit war der Krieg beendigt. Auch Mina, der in Catalonien einen Gebirgskrieg gegen die Franzosen geführt hatte, schloß 1. Nov. eine Kapitulation, wie dies die andern Generale bereits gethan hatten. Die schon von der Regentschaft begonnene polit. Verfolgung nahm jetzt noch größern Umfang an. Ferdinand VII. hob alle Beschlüsse der konstitutionellen Regierung vom 7. März 1820 bis zum 1. Okt. 1823 auf und bestätigte die der Regentschaft, deren Minister von ihm beibehalten wurden. Zugleich wurden die Gefängnisse gefüllt, Riego 7. Nov. 1823 hingerichtet und die brutalsten Grausamkeiten gegen Mißliebige begangen. Gleichwohl galt Ferdinand VII. bei den fanatischen Priestern und Absolutisten noch nicht für energisch genug; es bildete sich in diesem Kreise eine Partei, die auf die Erhebung seines Bruders Don Carlos hinarbeitete, den man als ein blindes Werkzeug der apostolischen Faktion kannte. Von dieser Seite wurden nun mehrere Schilderhebungen angestellt, unter denen der Aufstand der sog. Agraviados (s. d.) in Catalonien 1827 am bedeutendsten war; doch wurden dieselben unterdrückt. Zu Anfang 1828 zogen die franz. Occupationstruppen endlich aus S. ab. Inzwischen hatten die span. Kolonien in Amerika ihren Unabhängigkeitskampf durchgekämpft und waren von Großbritannien und den Vereinigten Staaten als selbständige Republiken anerkannt worden. Die letzten span. Waffenplätze auf dem amerik. Festlande, das Fort San Juan de Ulloa (23. Nov. 1825) und Callao bei Lima (22. Jan. 1826), gingen verloren. Nur die westind. Inseln Cuba und Portoriko und die Philippinen im ostasiat. Archipel blieben unter span. Herrschaft.

In diese ungünstigen Verhältnisse warf König Ferdinand VII. neuen Stoff der Zerrüttung, indem er, der bisher kinderlos gewesen war, zum viertenmal vermählt (1829) mit Maria Christina (s. d.) von Neapel, durch eine pragmatische Sanktion vom 29. März 1830 das 12. Mai 1713 erlassene Salische Gesetz des bourbonischen Hauses aufhob, wonach die Frauen erst nach dem völligen Aussterben des Mannsstammes thronfähig sein sollten. Die 10. Okt. 1830 von Christina geborene Infantin Isabella (s. Isabella II.) ward zur Thronfolgerin, Maria Christina zur Regentin ernannt. Die von Ferdinand nach Madrid berufenen Cortes leisteten 20. Juni 1833 Isabella als Thronfolgerin den Eid der Treue. Am 29. Sept. 1833 starb Ferdinand VII.

Während der Regentschaft. Der Tod des Königs ward das Signal für die seit lange vorbereitete Erhebung der Karlisten (s. Carlos, Don C. Maria Jose Isidoro). Auf dem platten Lande, namentlich in den bask. Provinzen, war das Volk für Don Carlos; er wurde unter dem Namen Karl V. als König ausgerufen. Infolgedessen mußte sich die Regentin der bisher verfolgten Liberalen, die im Mittelstande, in den Städten und im Heer großen Anhang hatten, als Verbündeter zu versichern suchen und ihren Forderungen nachgeben. Daher wurde 15. Jan. 1834 Zea-Bermudez, der Vertreter des gemilderten Absolutismus, durch den gemäßigt Liberalen Martinez de la Rosa ersetzt und 10. April 1834 das Estatuto real (s. d.) erlassen. Die neuen Cortes wurden einberufen, eine ausgedehnte Amnestie verkündigt. Zugleich verband sich S. mit England, Frankreich und Portugal zur Quadrupelallianz vom 22. April 1834, deren nächster Zweck die Aufrechterhaltung der konstitutionellen Ordnung gegen Dom Miguel (s. d.) und Don Carlos war.

Inzwischen war Don Carlos, der sich aus Portugal nach England und dann nach Frankreich geflüchtet hatte, im Juli 1834 in Navarra erschienen. Auch in Catalonien regte sich für ihn eine Partei, unter der besonders Cabrera (s. d.) sich bald einen hervorragenden Namen machte. Dagegen erfolgte jetzt ein Beschluß beider Kammern der Cortes 3. Sept. und 8. Okt. 1834, welcher Don Carlos nebst seiner Nachkommenschaft auf immer von der span. Thronfolge ausschloß. Der Bürgerkrieg zwischen den Karlisten und den Christinos (Anhängern der Regentin) wurde mit Erbitterung auf beiden Seiten geführt. Aber die Feldherren der Regentin, Rodil, Mina und Valdes, waren nicht glücklich; der letztere wurde in den viertägigen Gefechten vom 21. bis 24. April 1835 von dem Basken Zumalacarreguy geschlagen und nach Logrono zurückgedrängt. Der Tod Zumalacarreguys vor Bilbao 24. Juni 1835 gab der Sache der Karlisten, die in diesem ihren tüchtigsten Feldherrn verloren, eine nachteilige Wendung. Doch errang der im Juli 1835 neu ernannte Oberbefehlshaber der Christinos, General Cordova (s. d.), durch ein engl. Soldheer von 10 000 Mann unter General Evans verstärkt, trotz seines Sieges bei Mendigorria 15. Juli, keine großen Erfolge. Als in Barcelona und in andern Städten Cataloniens und Aragoniens Junten errichtet wurden, welche die Konstitution von 1812