Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

411

Straßburg (im Elsaß)

3 km westlich vom Rhein, an der Ill, die 2,5 km oberhalb von S. die Breusch aufnimmt, sich beim Eintritt in die Stadt in fünf Arme teilt und unterhalb derselben in den Rhein mündet, sowie an dem eine Fortsetzung des Rhein-Marne-Kanals bildenden Ill-Rhein-Kanal und dem den Rhein-Rhöne-Kanal und die Ill mit dem Ill-Rhein-Kanal verbindenden Umleitungskanal, 17 km von den östl. Abhängen der Vogesen, in 143 m Höhe, im tiefsten Teil der Rheinniederung. Das Klima ist mild, jedoch plötzlichen Schwankungen unterworfen; die mittlere Jahrestemperatur beträgt 10° C. (im Juli +19,2°, im Januar -0,3° C.); der mittlere Luftdruck 751 mm, die Niederschlagsmenge 677,7 mm. (Hierzu ein Stadtplan mit Verzeichnis der Straßen, Plätzen, s. w.)

^[Abb.]

Bevölkerung. Die ortsanwesende Bevölkerung betrug 1871: 85 654, 1880: 104 471, 1885: 111 987, 1890: 123 500, 1895: 135 608 (71 214 männl. [15493 Militärpersonen], 643 94 weibl.) E., darunter 67 690 Katholiken, 63 277 Evangelische, 543 andere Christen und 4098 Israeliten. Der Staatsangehörigkeit nach waren 78 017 Elsaß-Lothringer, 54 301 andere Reichsangehörige und 3290 Ausländer. Von der Civilbevölkerung (1895: 120 115) wohnen 86 212 E. innerhalb, 33 903 E. außerhalb der Stadtumwallung. Letztere verteilen sich auf Ruprechtsau (7678), Neudorf-Musau (13 836), Neuhof (2506), Kronenburg-Königshöfen (9883 E.). Die Zahl der Geburten betrug 1896: 4391, darunter 127 Totgeburten, der Eheschließungen 1239, der Todesfälle 2832. In Garnison liegen die Infanterieregimenter Nr. 132, 138, 143, 172, das 6. sächs. Infanterieregiment Nr. 105 König Wilhelm II. von Württemberg, 8. württemb. Infanterieregiment Nr. 126 Großherzog Friedrich von Baden, 2. rhein. Husarenregiment Nr. 9, nebst dem Detachement Jäger zu Pferde des 15. Armeekorps, Stab, 1. bis 3. Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 15, das Fußartillerieregiment Nr. 10, Stab und 2. Bataillon des bad. Fußartillerieregiments Nr. 14, die Pionierbataillone Nr. 15 und 19 und das Trainbataillon Nr. 15.

Anlage, Plätze, Denkmäler. Infolge einer 1880 vorgenommenen Stadterweiterung ist der Flächenraum der Stadt von 230 ha (Altstadt) auf 614 ha. angewachsen. Die Altstadt besitzt, mit Ausnahme der längs der Wasseradern sich hinziehenden, meist enge Straßen. Unter den zahlreichen Plätzen sind nennenswert der Kleber-, Gutenberg- und der Broglieplatz, seit dem 18. Jahrh. mit Bäumen bepflanzt; in der Neustadt liegen die Parkanlage Contades, der einstige Schießrain der Freien Reichsstadt, der städtische Garten Orangerie, der Kaiser-, Bahnhofs- und Universitätsplatz, sämtlich mit Gartenanlagen versehen. Die Stadt hat Erzstandbilder Klebers (1840) von Ph. Graß, Gutenbergs (1840) von David d'Angers und Lézay-Marnésias (1810-14 Präfekt des Depart. Niederrhein; 1856) von Graß, ein Kriegerdenkmal, einen Brunnen (1884) zur Erinnerung an die Ankunft der Züricher zum Freischießen 1576, mit Erzbüste Fischarts von Bergmann, ein Denkmal des Generals Desaix, Verteidiger des Rheinübergangs gegen die Österreicher 1796, und Erzbüsten von Goethe, König Ludwig I. von Bayern und Viktor Neßler.

Kirchen. Das Münster (Monasterium beatae Mariae Virginis; s. Tafel: Deutsche Kunst II, Fig. 10) spiegelt die mittelalterliche Baukunst vom frühroman. bis spätgot. Stil wider. Chor und Querschiff gehören dem roman. (Ostteil der Krypta aus dem Anfang des 11. Jahrh.), das Langhaus (vollendet 1275) dem frühgot. Stil, die westl. Vorderseite (1277-1365 bis zum zweiten Stockwerk unter Meister Erwin entstanden) und der Turm (142 m, 1439 vollendet) der Blüte der got. Baukunst an. 1772-78 wurden die an das Langhaus angebauten Verkaufsbuden durch spätgot. Arkaden ersetzt, 1878 die roman. Vierungskuppel ausgebaut. Zahlreiche, vielfach vorzügliche Bildhauerarbeiten befinden sich besonders an der westl. Vorderseite (Fensterrose von 13,5 m Durchmesser) und am Nord- und Südthor des Querhauses. Das Innere ist 110 m lang, 41 m breit, das Mittelschiff 30 m hoch und der innere Flächenraum 4087 qm groß. Es enthält schöne Glasmalereien (12. bis 15. Jahrh.), eine Kanzel von 1485 und im Chor Fresken von Steinle. An der Ostwand des südl. Querschiffs befindet sich eine astronom. Uhr, schon Mitte des 14. Jahrh. vorhanden und 1839-42 erneuert. Die evang. Wilhelmerkirche hat Steindenkmäler der Landgrafen des Elsasses Philipp und Ulrich von Werd (gest. 1332 und 1343), von Wölfelin von Rufach; die evang. Thomaskirche das prächtige Grabdenkmal des Marschalls Moritz von Sachsen von Pigalle (1776); die evang. Neukirche, roman. Neubau an Stelle der bei der Beschießung von 1870 abgebrannten ehemaligen Dominikanerkirche, den Grabstein J. Taulers. Bedeutend ist die neue kath. Jung-St. Peter-(Herz-Jesu-)Kirche (1893), eine Verschmelzung von Frührenaissancemotiven mit den Formen des Übergangsstiles, mit Kuppel. Eine evang. Garnisonkirche ist 1897 vollendet, eine katholische im Bau.

Weltliche Bauten. Bemerkenswert in der Altstadt sind: das Hotel du Commerce, bis zur Französischen Revolution Rathaus, ein schöner Renaissancebau, 1582-85 von Paul Maurer aus Zürich und Jörg Schmidt aus Schaffhausen erbaut, das Frauenhaus (Dombauhütte, 1571), die Große Metzig, jetzt Markthalle und (im Oberstock) Kunstgewerbemuseum, 1587 von P. Maurer nach den Plänen Hans Schochs erbaut, das ehemalige bischöfl. Schloß, 1872-95 Universitäts- und Landesbibliothek, 1731-41 von Massol für den Kardinal Rohan erbaut, der Statthalterpalast, vormals Präfekturgebäude, 1730-36 für den Prätor Klinglin erbaut, das Stadthaus (bis zur Französischen Revolution Hessen-Darmstädtischer Hof), 1736 von Massol erbaut, das Generalkommandogebäude (bis zur Französischen Revolution Zweibrücker Hof), um die Mitte des 18. Jahrh. erbaut, das Theater (1824 vollendet, 1870 ausgebrannt, wiederhergestellt und 1888 erweitert) und das Aubettegebäude (1870 ausgebrannt, wobei die städtische Gemäldesammlung vernichtet wurde), das im Erdgeschoß Verkaufsläden und die Hauptwache, in den obern Räumen zwei Konzertsäle und das städtische Konservatorium enthält, das Kammerzellsche Haus (Erdgeschoß 1465, obere Teile 1589 erbaut, stilvoll erneuert). In der Neustadt befinden sich: der Kaiserpalast, 1883-88 für 2,6 Mill. M. aus Reichsmitteln nach den Plänen Herm. Eggerts erbaut, ein Rustikabau von zwei Geschossen, 73 m Länge, 56 m Tiefe, im Stil der Florentiner Renaissance, in Form eines Rechtecks mit Säulenvorbau an der Vorderseite, halbkreisförmigem Säulenausbau an der nach dem Palastgarten gelegenen Rückseite und 35 m hoher Kuppel, die durch eine Fahnengruppe in getriebenem Kupfer gekrönt wird. Die 1884 eingeweihten Bauten