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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Tieck

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Tieck (Ludwig)

der Front) und die auf Panthern reitenden Genien (Treppenwangen), außerdem die sitzende Marmorstatue Ifflands im Innern. 1819 Mitglied der Akademie zu Berlin geworden, griff T. seit 1820 in den regen Umschwung der Berliner Kunstakademie mit ein. Mehrere Jahre beschäftigte ihn die Herstellung der antiken Monumente für das königl. Museum, bei dem er seit der Eröffnung desselben als Direktor der Statuenabteilung angestellt war. Unter anderm modellierte er auch die 1829 in Erz gegossenen Gruppen der Dioskuren als Rossebändiger für den Überbau des königl. Museums nach den Vorbildern auf dem Monte-Cavallo zu Rom und 1836 in Dresden die Büste seines Bruders. Er starb 14. Mai 1851. Seine künstlerische Neigung war auf engern Anschluß an die Antike gerichtet, als dies bei Rauch der Fall war.

Tieck, Ludwig, Dichter, geb. 31. Mai 1773 zu Berlin als Sohn eines Seilermeisters, besuchte seit 1782 das Friedrichs-Werdersche Gymnasium, studierte seit 1792 in Halle, Göttingen und Erlangen Geschichte sowie ältere und neuere Litteratur und machte schon damals Shakespeare zum Mittelpunkt seiner Bestrebungen. Nach Berlin zurückgekehrt, lieferte er, wie seine Schwester Sophie, seit 1795 auf Veranlassung Nicolais für die von Musäus und J. G. Müller begonnenen "Straußfedern" eine Anzahl kleinere Erzählungen, erst nach franz. Mustern, dann originale Beiträge, unter denen "Die beiden merkwürdigsten Tage aus Siegmunds Leben" (1796) der bedeutendste war. Sein eigenstes Wesen, das damals der geistlosen romantischen Phantastik verfallen war, bekundete er in der wüsten Erzählung "Abdallah" (Berl. 1795) und in dem unerquicklichen, düstern Roman "William Lovell" (3 Bde., ebd. 1795-96). Dagegen zeichnen sich sein "Peter Lebrecht, eine Geschichte ohne Abenteuerlichkeiten" (2 Bde., Berl. 1795-96) und "Volksmärchen von Peter Lebrecht" (3 Bde., ebd. 1797) durch gewinnende Naivetät wie durch einen gesunden Humor aus. Eine originale Dichtung im Tone der Volkssage war das träumerisch melancholische Märchen "Der blonde Ekbert". Schon jetzt, in den Märchendramen "Blaubart" und "Der gestiefelte Kater", kämpfte T. mit satir. Laune ebenso gegen die Dichter der Aufklärung wie gegen das aufgeklärte Publikum. Derselben Polemik gab er eine andere Form in dem Lustspiel "Die verkehrte Welt" (1799). In den "Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders" (Berl. 1797), ursprünglich von seinem Jugendfreunde Wackenroder (gest. 1798), an welchen jedoch auch T. Anteil hatte, ferner in den "Phantasien über die Kunst" (Hamb. 1799), in welchen T. den Nachlaß Wackenroders mit einigen Aufsätzen vermehrt herausgab, besonders aber in dem Kunstroman "Franz Sternbalds Wanderungen" (2 Bde., Berl. 1798) sprach sich eine Liebe zur Kunst aus, die sich aller selbstgefälligen Kennerei und Spielerei mit dem Schönen und Erhabenen widersetzte, zugleich aber in Verbindung mit einer schwärmerischen Religiosität auftrat, welche über T.s Hinneigung zum Katholicismus keinen Zweifel übrigließ. Nicolai wandte sich deshalb von ihm ab; doch schloß sich T. eng an Aug. Wilh. von Schlegel an, den er 1798 in Berlin kennen gelernt hatte.

Nachdem sich T. 1798 mit einer Tochter des Hamburger Pastors Alberti vermählt hatte, ging er 1799 nach Jena, wo er an Novalis einen neuen Freund erwarb. Damals veröffentlichte er "Romantische Dichtungen" (2 Bde., Jena 1799-1800), in denen außer dem "Zerbino" noch die Tragödie "Leben und Tod der Genoveva" erschien. Im "Zerbino", einer Fortsetzung des "Gestiefelten Katers", wnrde die materielle, antipoet. Denkart mit Ironie geschildert, während sich darin zugleich die Verehrung der romantischen Poesie in allen ihren Farben spiegelte. Seine Übersetzung des "Don Quixote" (4 Bde., Berl. 1799-1801; 3. Aufl. 1831; neue Ausg. 1852) übertraf weit alle bisherigen Versuche. Endlich erschien 1804 sein längst erwarteter "Kaiser Octavianus", der nur in Einzelheiten schöne Gipfelpunkt seiner romantischen Schöpfungen. Neben diesen dichterischen Arbeiten widmete er sich dem Studium der Litteratur des deutschen Mittelalters und veröffentlichte 1803 aus Bodmers Pariser Liederhandschrift "Minnelieder aus der schwäb. Vorzeit". Sein äußeres Leben verlief ziemlich unruhig: 1801-2 hielt er sich in Dresden, dann auf dem Gute seines Freundes Burgsdorff, Ziebingen bei Frankfurt a. O., auf; 1804 führten ihn mittelalterliche Studien nach München, dann nach Rom; im Sommer 1806 heimgekehrt, lebte er wieder meist in Ziebingen, wo er 1811 Solgers Freundschaft gewann, die von großem Einfluß auf seine Zukunft wurde.

T. war jetzt bei einem Wendepunkte seines Lebens angekommen. Er hatte sich losgerungen von den mystischen Elementen, die ihn früher beherrschten, und begann festere Kunstformen zu suchen, wie sich dies zunächst im "Phantasus" (3 Bde., Berl. 1812-17; neue Aufl. 1844-15) zeigte. In diesem Werke vereinigte er den Inhalt von "Peter Lebrechts Volksmärchen" mit manchem Neuen, worunter das Drama "Fortunat", zu einem kunstreichen Ganzen nach Art von Boccaccios "Decamerone". Sein "Frauendienst oder Geschichte und Liebe des Ritters und Sängers Ulrich von Lichtenstein" (Tüb. 1812) trug, wie die Minnelieder, viel zur Wiederbelebung der ältern deutschen Dichtkunst bei. Auch sein "Deutsches Theater" (2 Bde., Berl. 1817), eine Sammlung älterer deutscher Schauspiele, war litterarhistorisch verdienstvoll. Mit seinem Freunde Burgsdorff machte er 1817 eine Reise nach England, wo er neue Materialien für Shakespeare sammelte, von dem er bereits sechs Stücke übersetzt und in dem Werke "Altengl. Theater oder Supplemente zum Shakspear" (2 Bde., Berl. 1811) veröffentlicht hatte. 1819 wandte er sich nach Dresden, wo er besonders als Novellendichter sehr fruchtbar war; die Novellen erschienen teils in verschiedenen Taschenbüchern, zuletzt meist in der "Urania", teils als "Novellenkranz" (4. Jahrg., Berl. 1831-35), teils gesammelt (14 Bde., Bresl. 1835-42; vollständig, 12 Bde., Berl. 1853-54). Unter ihnen sind die bedeutendsten "Dichterleben" und "Der Tod des Dichters". Noch höher steht der umfangreichere, aber unvollendete "Aufruhr in den Cevennen" (Berl. 1826), während "Der junge Tischlermeister" (2 Bde., ebd. 1836) nicht gleichen Beifall finden konnte. Unterschätzt wird meist sein eigenartiger Roman "Vittoria Accorombona" (2 Bde., Bresl. 1840; neue Aufl. 1841). In den Novellen der Dresdener Zeit zeigt sich von T.s früherer Romantik kaum eine Spur. Vorherrschend ist der geistreiche Dialog über Litteratur und Leben der Gegenwart, vielfach von der feinsten und schärfsten Ironie durchdrungen. Die berühmten Abendzirkel in Dresden, wo T. sein seltenes Talent als Vorleser entfaltete, waren ein leben-^[folgende Seite]