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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Venedig (ehemalige Republik)

schwung. Doch erst als nach dem Dreissigjährigen Kriege Spanien zurücksank, seine Machtstellung in Italien zu schwanken anfing und sich Österreich von ihm unabhängig machte, blühte die neue Zeit eines glorreichen Kampfes im Orient auch für V. voll wieder auf. Zwar ging Candia trotz heldenmütigen Kampfes 1669 verloren; aber als vor Wien die Kraft der Osmanen gebrochen war, ging V. an Österreichs Seite siegreich vor; Sta. Maura, einige Plätze in Dalmatien, Morea, Ägina wurden wiedergewonnen, und wenn auch durch den Spanischen Erbfolgekrieg die Osmanen Gelegenheit bekamen, Morea wieder zurückzuerobern, so erhielt dafür V. im Paßarowitzer Frieden wenigstens Korfu und Dalmatien. Nach dieser Anstrengung zog sich die Republik in sich selbst zurück und ließ sich auch nicht durch den österr.-türk. Krieg von 1738 bis 1740 aus dieser Politik der bloßen Erhaltung des Besitzes und der Beschränkung auf den Schutz seiner Handelsinteressen herauslocken; ebenso überließ es Italien sich selbst und den aufstrebenden Savoyern. Als dann die Heere der Französischen Revolution in Italien einbrachen, suchte die Republik in äußerlicher Erhaltung der Neutralität bei thatsächlicher Begünstigung der Gegner Frankreichs ihr Heil. Aber Napoleon erklärte der Republik 1797 den Krieg, die nun durch Abschaffung der aristokratischen Verfassung und Aufrichtung einer Demokratie sich zu retten suchte; aber umsonst. Der Doge Manin sah die Unmöglichkeit des Widerstandes ein und dankte 12. Mai ab; am 16. Mai rückte der corsische Kriegsherr ein, errichtete an Stelle des Großen Rates eine provisorische Regierung, lieferte aber dann V. im Frieden von Campo-Formio an Österreich aus; nur das Gebiet jenseit der Etsch wurde zur Cisalpinischen Republik geschlagen. 1805 gab Napoleon jedoch V. und Dalmatien an das franz.-ital. Vicekönigreich Eugène Beauharnais’, und 1809 wurde Passerino und Istrien zu den illyrischen Provinzen des franz. Kaiserreichs geschlagen. Durch den ersten Pariser Frieden von 1814 und die Wiener Kongreßakte ward V. mit seinem Gebiet an Österreich zurückgegeben und mit der Lombardei zu dem sog. Lombardisch-Venetianischen Königreich (s. d.) 7. April 1815 vereinigt. Bei allen diesen Regierungswechsel hatte die Stadt V. an Handel und Reichtum mehr und mehr verloren, und in dem Maße, wie ihre Nebenbuhlerin Triest gewann, sank die ehemalige Königin des Adriatischen Meeres herab. Erst als V. 1830 einen Freihafen erhielt, begann es sich wieder zu heben. Am 22. März 1848 kam es in V. zu einem Aufstande; der Stadtkommandant Graf Zichy überlieferte die Stadt ohne Schwertstreich den Aufständischen, eine provisorische Regierung wurde gebildet, und 23. März erfolgte die Proklamation einer Venetianischen Republik (Republik San Marco), an deren Spitze Daniele Manin (s. d.) und Tommaseo traten. Am 4. Juni erklärte man sich fast einstimmig für den Anschluß an Sardinien, worauf Manin und Tommaseo zurücktraten und ein neues Ministerium, mit Castelli an der Spitze, die Regierung übernahm. Die Niederlage Sardiniens brachte indessen bald wieder die demokratische Partei zur Herrschaft. Am 10. Aug. erhob sich ein neuer Aufstand, der abermals Manin und Tommaseo ans Ruder brachte. Schon 13. Aug. trat wieder eine Assamblea zusammen, die sofort eine Diktatur in Form eines Triumvirats errichtete, in welchem Manin in thatsächlich unabhängiger Stellung das Civil-, Cavedalis das Militär-, Graziani das Marinewesen übernahmen. Der Widerstand gegen die Österreicher, welche die Stadt bereits blockierten, ward mit Energie fortgesetzt. Dagegen bewirkte 5. März ein Pöbeltumult die formelle Beseitigung der Diktatur und die Einsetzung eines verantwortlichen Ministeriums. Manin, zu dessen Präsidenten gewählt und mit der Exekutivgewalt betraut, trieb die Verteidigung der Stadt aufs äußerste, obwohl nach der Niederlage Sardiniens bei Novara keine Hoffnung mehr war. Nach tapferster Gegenwehr, während deren die Bevölkerung durch das Bombardement, Hunger und Cholera furchtbar litt, trat endlich Manin in Unterhandlungen, denen zufolge sich V. 22. Aug. auf milde Bedingungen hin ergab. Am 30. Aug. 1849 hielt Radetzky seinen Einzug in die Stadt. Es gelang nicht, die Venetianer mit der österr. Herrschaft auszusöhnen; andererseits gingen aber die Hoffnungen, welche Napoleon III. beim Ausbruch des Krieges von 1859 erweckte, nicht in Erfüllung. V. mit dem Gebiete bis jenseit des Mincio blieb bei Österreich; die Stimmung verschlimmerte sich seitdem immer mehr. Deshalb erhielt bei den konstitutionellen Reformen seit 1860 unter allen österr. Kronlanden V. allein keine Landesvertretung; andererseits erschien kein venet. Abgeordneter im österr. Reichsrat. Endlich erfüllte der Krieg von 1866 auch die Wünsche der Venetianer. Zwar wurden die Italiener, als sie den Mincio überschritten, bei Custozza zurückgeschlagen; aber nach den Niederlagen in Böhmen trat Kaiser Franz Joseph 4. Juli V. an Napoleon III. ab und rief seine Truppen aus der Provinz zurück. Der österr.-ital. Friedensvertrag zu Wien 3. Okt. bestätigte diese Abtretung, die österr. Truppen räumten die Festungen und 17. Okt. die Stadt V. Am 18. Okt. übergab der Kommissar des franz. Kaisers, General Leboeuf, die Stadt im Namen seines Kaisers einer Kommission des Gemeinderates, und die ital. Truppen rückten ein. In Gemäßheit der Verabredungen zwischen Frankreich und Italien fand in ganz V. eine allgemeine Volksabstimmung 21. und 22. Okt. statt, wobei sich 651758 Stimmen für den Anschluß an das Königreich Italien und nur 69 dagegen erklärten. Darauf vollzog König Victor Emanuel II. 4. Nov. das Besitzergreifungs-Dekret und zog 7. Nov. 1866 in die Stadt V. ein.

Litteratur. Tentori, Saggio sulla storia di Venezia (12 Bde., Vened. 1785-90); Daru, Histoire de la république de Venise (7 Bde., Par. 1819-21 u. ö.; deutsch im Auszuge von Bolzenthal, 3 Bde., Lpz. 1825-27); Romanin, Storia documentata di Venezia (10 Bde., Vened. 1853-61); Cicogna, I dogi di Venezia (3. Aufl., 2 Bde., ebd. 1867); Romanin, Lezioni di storia veneta (2 Bde., Flor. 1875); P. G. Molmenti, La storia di Venezia nella vita privata (bis 1797; 2. Aufl., Tur. 1880); E. Lentz, Das Verhältnis V.s zu Byzanz nach dem Fall des Exarchats bis Ende des 9. Jahrh. (Bd. 1, Berl. 1892); Zwiedineck-Südenhorst, Die Politik der Republik V. während des Dreißigjährigen Krieges (2 Bde., Stuttg. 1882-85); P. Molmenti, La grandezza di Venezia (14. Jahrh.; Vened. 1892); L. von Ranke, Über die Verschwörung gegen V. im J. 1618 (Berl. 1831); Hain, Der Doge von V. seit dem Sturze der Orseoler 1032 bis zur Ermordung Vitale Michiels II. 1172 (Königsb. 1883); V. Marchesi, Settant’ anni di storia di Venezia, 1798-1866 (Tur. 1892); V. Malamani, Il settecento a Venezia (ebd. 1892); Memoriale storico della dominazione