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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Vermehrung - Vernaleken

gebungen des Champlainsees (s. d.) uneben. Der beträchtlichste Bergzug, die Green-Mountains, von denen der Staat seinen franz. Namen hat, durchzieht das Land. Er besteht aus archäischen Gesteinen, an welche sich silurische Schichten anlegen. Die Hauptgewässer liegen an den Grenzen, im Osten der Connecticut, im Westen der Champlainsee, der dem Staat zu zwei Dritteln angehört. Das Klima ist gesund, im Winter sehr kalt. Der Boden eignet sich mehr zum Grasland als zum Getreidebau, weshalb die Viehzucht bedeutender ist. Die Waldbäume bilden eine Einnahmequelle, namentlich im Norden; Ahornzucker wird vielfach gewonnen. Viele Farmen werden nicht mehr bebaut und man sucht zu Kolonisationszwecken Skandinavier ins Land zu ziehen. Wichtig sind vor allem die 40 Marmorbrüche (Produktion die Hälfte der Gesamtproduktion der Union), namentlich bei Rutland und Sutherland-Falls, die Granitbrüche bei Barre u. s. w. Industrie und Handel sind weniger entwickelt als in den andern Neuengland-Staaten. Der Census von 1890 zählte 3031 industrielle Etablissements, die 38 Mill. Doll. Fabrikate lieferten. Davon entfielen 6,8 Mill. auf Sägemühlprodukte, 3,1 Mill. Marmor, 2,9 Mill. Mehle, 2,7 Mill. Wollwaren und 2,3 Mill. Papier. Die Länge der Bahnen beträgt 1633 km. V. ist in 14 Counties geteilt; Hauptstadt ist Montpelier; größer sind Burlington und Rutland, St. Albans und Brattleboro. Die 30 Senatoren, 243 Repräsentanten und der Gouverneur werden auf 2 Jahre gewählt. Zum Kongreß schickt V. zwei Senatoren und zwei Repräsentanten. Die Aktiva des Staates sind größer als seine Schulden. Die öffentlichen Schulen werden von den Distrikten unterhalten und durchschnittlich täglich von 45 000 Kindern besucht. Unter den höhern Unterrichtsanstalten ist die Staatsuniversität in Burlington und ein Frauencollege in Montpelier.

Zur Kolonialzeit bildete V., das etwa 1750 besiedelt wurde, den Gegenstand eines Streites zwischen Massachusetts, New-Hampshire und Neuyork, der 1764 zu Gunsten des letztern entschieden wurde. An dem Freiheitskampf nahm V. thätigen Anteil, und 17. Jan. 1777 erklärte es sich zu einem selbständigen Staat und gab sich eine Verfassung. Nachdem Neuyork seinen anfänglichen Widerspruch 1789 aufgegeben hatte, wurde V. 1791 als 14. Staat in die Union aufgenommen. Am 4. Jan. 1793 gab es sich eine neue Verfassung. Die wichtigste Veränderung war 1836 die Einführung des Zweikammersystems. - Vgl. R. E. Robinson, Vermont (Bost. 1892).

Vermuhrung, s. Schuttkegel.

Vermutung oder Präsumtion. Die sog. Beweisvermutungen (praesumtiones facti) sind Vorschriften, nach welchen unter bestimmten Voraussetzungen Thatsachen als mehr oder minder wahrscheinlich anzusehen sind. Solche sind mit der durch die Deutsche Civilprozeßordnung eingesetzten freien Beweiswürdigung unverträglich, deshalb durch §. 14 des Einführungsgesetzes ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Anders verhält es sich mit den sog. Rechtsvermutungen (praesumtiones juris), nach denen unter bestimmten Voraussetzungen bis zum Beweise des Gegenteils Thatsachen als gewiß anzusehen sind. Diese Vorschriften sind in dem Einführungsgesetze (§. 16) ausdrücklich aufrecht erhalten, z. B. eine Forderung, deren Entstehung vom Kläger erwiesen ist, gilt so lange als fortbestehend, bis der Schuldner die Tilgung beweist; jedermann gilt so lange als redlich, bis ihm die vom Gegner behauptete Unredlichkeit nachgewiesen wird; die von einem Kaufmann geschlossenen Verträge gelten im Zweifel als zum Betriebe des Handelsgewerbes gehörig (Handelsgesetzbuch von 1861, Art. 174, von 1897, §. 344). Praesumtiones juris et de jure sind solche Rechtsvermutungen, gegen welche ein Gegenbeweis nicht stattfindet, z. B. die Vorschrift des Preuß. Allg. Landrechts, daß der Inhalt des Grundbuchs als jedermann bekannt anzusehen ist.

Vern., hinter der lat. Benennung fossiler Tierformen Abkürzung für Philipp Edouard Verneuil (spr. wärrnöj), einen franz. Naturforscher, besonders Geologen und Paläontologen, geb. 1805 zu Paris, gest. 1873.

Vernageln, ein Geschützrohr durch Eintreiben eines mit Widerhaken versehenen Nagels in das Zündloch auf Zeit unbrauchbar machen. Bei Hinterladern ist das V. überflüssig, da die Wegnahme oder die Zerstörung eines wesentlichen Teils des Verschlusses genügt. Das V. geschah beim eigenen Material, wenn man gezwungen war, dasselbe im Stich zu lassen, bei erbeutetem feindlichem, wenn man es nicht fortzuschaffen oder zu behaupten vermochte.

Vernageln, eine bei dem Beschlagen der Pferde mitunter vorkommende Verletzung des Hufs, die darin besteht, daß ein Hufnagel, anstatt nur durch die toten Teile (das Hufwandhorn) zu gehen, auch die lebenden Teile (die Huflederhaut) trifft. Lahmgehen ist die Folge. Das Pferd zeigt bei tiefern Verletzungen V. sofort dadurch an, daß es mit dem Fuße während des V. zuckt. Behandlung: sofortiges Ausziehen des Nagels. Wird das V. während des Beschlags nicht bemerkt, sondern erst nach demselben, indem Entzündungserscheinungen und Lahmheit sich einstellen, dann muß die verletzte Stelle durch Abtragen des Hornes in der Umgebung freigelegt werden, damit der Eiter abfließen kann.

Vernagtferner, Gletscher der Ötzthaler Alpen, westlich vom Wildspitz, 17,1 qkm groß, setzt sich aus zwei Firnfeldern, Hochvernagt- und Gaslarfirn, zusammen, deren Abflüsse sich in ungefähr 2700 m Höhe vereinen. Das Zungenende liegt in einem steil geneigten (12-24°), schluchtartigen Seitengraben des Rofner Thales. Bei seinen Vorstößen hat der Gletscher diesen Seitengraben ausgefüllt und sich quer über das Rofner Thal gelegt, wodurch der Bach abgesperrt und thalaufwärts ein See (Rofner Eissee) gebildet wurde, der in wiederholten Durchbrüchen unter und neben dem Gletscher sich entleerte, was gewaltige Hochwässer durch das Ötzthal hin erzeugte. - Vgl. Richter, Die Gletscher der Ostalpen (Stuttg. 1888).

Vernaleken, Theodor, Pädagog, geb. 28. Jan. 1812 in Volkmarsen (Westfalen), erhielt seine Ausbildung zu Warburg, Paderborn, Fulda, besuchte die Hochschule in Zürich und das Seminar in Küßnacht, wurde Sekundarlehrer in Rickenbach und war seit 1840 in Zürich als pädagogischer Schriftsteller thätig. 1850 wurde V. nach Wien berufen, um bei der Erneuerung des Volksschulwesens und zur Schaffung realistischer Mittelschulen mitzuwirken. Auch wirkte er anfangs an der Vorschule des Polytechnikums, dann an der Oberrealschule Schottenfeld als Lehrer der deutschen Sprache und Litteratur, war Schulinspektor und Prüfungskommissar. 1870 wurde er Direktor der Hauptnormalschule des Reichs (St. Anna), um dem neuen Unterrichtsgesetze gemäß die erste Lehrerbildungsanstalt zu gründen. 1877 zog er