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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Währung

die Goldmünzen: Goldwährung (s. d.). 2) Die Doppelwährung (s. d.), d. h. sowohl Gold- als auch Silbermünzen sind unter gesetzlicher Festsetzung eines Wertverhältnisses zwischen Gold und Silber als Courantmünzen anerkannt. Die Doppelwährung wird auch wohl als Alternativwährung bezeichnet, weil bei ihr je nach den Marktverhältnissen bald das eine, bald das andere Metall in den Vordergrund tritt. Nicht zu verwechseln damit ist die Parallelwährung, bei der Gold- und Silbermünzen gleichberechtigt umlaufen, ohne festes gesetzliches Wertverhältnis zwischen beiden Metallen.

Die Metallwährung wird zu einer Papierwährung, wenn das Papiergeld (s. d. und Banknoten) zeitweilig mit Zwangskurs ausgegeben und dessen Einlösung in dem Währungsmetall suspendiert wird; der von dem Metall losgelöste Wert solchen Kreditgeldes spricht sich dann in einem mehr oder weniger hohen Agio (s. d.) des Goldes, bei sehr entwerteter Valuta auch des Silbers aus.

Vollständig ist der Begriff der W. erst erfüllt, wenn den Privaten das Recht zusteht, sich aus dem Währungsmetall bei den staatlichen Münzanstalten, event. gegen Entrichtung einer Prägegebühr (des Schlagschatzes), Münzen prägen zu lassen. Man nennt diese Befugnis der Privaten die Prägefreiheit. Wird diese eingeschränkt oder ganz aufgehoben, so spricht man von geschlossener oder, was häufiger ist, von Hinkender Währung (s. d.). Dieser Ausdruck wird bisweilen auch in weiterm Sinne gebraucht für den Fall, das; die Courantmünzen oder ein Teil davon, zwar gesetzlich vollwertig, aber thatsächlich unterwertig sind. Über die Verbreitung der Gold-, der Silber- und der Doppelwährung s. die Artikel Goldwährung, Silberwährung und die Tabelle «Münzen und Münzsysteme» zum Artikel Münze. Die thatsächlichen Verhältnisse in Bezug auf die W. haben sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zu Gunsten der Goldwährung verschoben.

Die Frage, welche Art der W. zu wählen sei, bildet den allgemeinen Inhalt der Währungsfrage. Diese, in den letzten Jahren lebhaft, besonders auch mit Bezug auf Deutschland erörterte Frage erhält aber ihr eigentümliches Gepräge durch die Thatsache, daß seit Anfang der siebziger Jahre der Silberpreis auf dem Weltmarkt erst langsam, später aber immer schneller und unter heftigen Schwankungen gesunken ist (s. Silber).

Die Ursache der Wertverminderung des Silbers ist in letzter Linie ein Mißverhältnis zwischen Produktion und Bedarf, wie es sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Im Durchschnitt von 1866 bis 1870 war die Produktion von Gold rund 195000 kg, von Silber rund 1339000 kg, dagegen

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Jahre Gold kg Silber in Mill. kg

1892 208909 4,730

1893 236974 5,147

1894 273197 5,121

1895 299885 5,204

1896 305379 5,136

1897 350000 5,250

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Die Goldproduktion war von 1871 bis 1891 kleiner als im Durchschnitt von 1866 bis 1870, während die Silberproduktion in dieser Zeit fast unausgesetzt stark gewachsen war. Der Bedarf an Gold ist für Münz- und gewerbliche Zwecke stärker gestiegen als die Produktion, bei Silber dagegen langsamer. Ein Irrtum ist es, von einer Verminderung des Silberbedarfs für Münzzwecke in den siebziger und achtziger Jahren zu reden. Dem Minderbedarf einzelner Länder stehen so viel stärkere Silberausmünzungen in andern Ländern gegenüber, daß im ganzen die Periode von 1873 bis 1893 einen wesentlich höhern Silberbedarf für Münzzwecke aufweist. Die Silberausprägung der Periode 1853‒72 betrug 3629 Mill. M., die der Periode 1873‒92 dagegen 5782 Mill. M., also 62 Proz. mehr als in der Zeit vor dem Silbersturz; aber schneller als dieser Bedarf stieg immer wieder die Silberproduktion, und das mußte sich im Silberpreise äußern. Die Goldankäufe, die Deutschland infolge des Übergangs zur Goldwährung vornehmen mußte, sind nicht allein für die Silberentwertung verantwortlich zu machen, da auch Skandinavien, Holland, Italien, Österreich, Rußland, Indien und die Vereinigten Staaten von Amerika sehr viel Gold an sich zogen. Auch die Verkäufe des überflüssig gewordenen deutschen Silbers waren nicht entscheidend. Bis 16. Mai 1879 waren im ganzen 3552000 kg Silber von Deutschland verkauft; alsdann wurden die Verkäufe eingestellt und nur 1886 noch 50000 kg an Ägypten abgegeben. Der Silberpreis sank nach 1879 aber viel schneller als vorher. Er war 1880 um 13½ Proz. geringer als 1871, dagegen 1894 um über 45 Proz. Und 1897 zeitweise gar 55 Proz. niedriger als 1880.

Verhängnisvoll wurde dem Silber die Thatsache, daß die Lateinische Münzkonvention die Silbercourantprägung von 1874 bis 1877 einschränkte und 1878 einstellte. Den wichtigsten Halt für das Silber boten nach 1878 das Silberwährungsland Indien und Nordamerika, letzteres wegen der starken jährlichen Silberankäufe, die auf Grund der Blandbill (s. d.) vom 28. Febr. 1878 und der Sherman- oder Windombill (s. d.) vom 14. Juli 1890 erfolgten. Die Windombill wurde aber 1. Nov. 1893 aufgehoben, und Indien stellte laut Gesetz vom 26. Juni 1893 die Silberprägung für Privatrechnung ein. Infolgedessen entbehrt jetzt das Silber auf dem Weltmarkt eines ausreichenden Rückhaltes an der Münzpolitik der Kulturstaaten, und das Verhältnis der Produktion zum Bedarf kann fast uneingeschränkt zur Geltung kommen. Dabei ist nicht zu übersehen, daß diese Maßnahmen der Erkenntnis entsprangen, daß die einzelnen Länder nicht genügend Silber aufnehmen konnten, um bei der stetig wachsenden Produktion den Preis auf dem Weltmarkt zu halten.

Die Folgen der Silberentwertung werden in Deutschland, als einem kreditfähigen Lande, mit einem durch Gold gefestigten Währungssystem im innern Verkehr nicht empfunden, da die sehr unterwertigen Silbercourantmünzen (Thaler) und Silberscheidemünzen zum Nennwert umlaufen. Bei etwaiger Erschütterung des Kredits des Reichs würden aber bald die Goldmünzen ein Aufgeld (Agio) über den Nennwert hinaus erhalten, so daß alsdann die Silberentwertung auch im innern Verkehr fühlbar werden müßte. Immerhin hat Deutschland, da es nur etwa 403 Mill. M. Silbercourantmünze besitzt, weniger zu befürchten als die Länder, die noch viel Silbercourant haben, wie Österreich, Holland, Spanien, besonders aber die Vereinigten Staaten von Amerika und die Länder der Lateinischen Münzkonvention. Da die Silbermünzen im internationalen Verkehr, wenn überhaupt, nur zum wirklichen Metallwert angenommen werden, so werden diese Länder mehr und mehr genötigt, mit Gold auf dem Weltmarkt zu bezahlen, während das Silber sich