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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Wallis

Thalstufen der Rhône, die den Kanton seiner ganzen Länge nach, vom Rhônegletscher bis zum Genfer See 162 km, durchströmt. Das W. ist ein wildes Bergland mit großartigen Fels- und Eiswildnissen, tief eingeschnittenen malerischen Thälern, durch welche die zahlreichen, von Gletschern gespeisten Flüsse als wilde Bergwasser in zahllosen Wasserfällen und Stromschnellen hinabeilen, mit grünen Alpenweiden und Nadelwäldern in den obern, Obstgärten, Weinbergen und Getreidefeldern in den untern Stufen und der ebenen Sohle des Rhônethals. Vom höchsten Punkte, der Dufourspitze am Monte-Rosa (4638 m), bis zum Spiegel des Genfer Sees (375 m) beträgt der senkrechte Abstand 4263 m. Den Höhenlagen entsprechend ist das Klima der einzelnen Landesteile sehr verschieden. Die Schneegrenze erreicht in W. nahezu 3000 m, während zahlreiche Gletscher bis gegen 1800 m, der Aletschgletscher sogar bis zu 1353 m hinabsteigen. Die Waldgrenze liegt bei etwa 2200 m, die des Getreidebaues bei 1800 m, die Weingrenze bei 950 m ü. d. M.

Bevölkerung. Der Kanton hatte 1880: 100190, 1888: 101985 (51253 männl., 50732 weibl.) E., darunter 825 Evangelische; ferner 15461 bewohnte Häuser und 22051 Haushaltungen in 165 Gemeinden. Im Kanton geboren sind 98828, in der übrigen Eidgenossenschaft 1332, im Auslande 1825; Bürger ihrer Wohngemeinde sind 79085, einer andern Gemeinde des Kantons 17909, eines andern Kantons 2052, Ausländer 2939. Der Muttersprache nach sind 68602 Franzosen, 32471 Deutsche, 883 Italiener, 4 Romanen und 25 andere. Die Zahl der Geburten (einschließlich Totgeburten) betrug (1894) 3089, der Eheschließungen 608, der Sterbefälle 2455. Die Sprachgrenze zwischen dem deutschen Oberwallis und dem franz. Unterwallis zieht sich bei Siders quer durch das Rhônethal. Die Oberwalliser sind ein kräftiger Volksschlag, ebenso die Bergbewohner des Unterwallis, weniger kräftig ist die Bevölkerung des untern Rhônethals.

Der Kanton zerfällt in 13 Bezirke:

Bezirke Einwohner Evangelische Katholiken Israeliten Andere

Brig (Brigue) 5566 43 5523 - -

Conthey (Gundis) 8363 24 8339 - -

Entremont 9760 8 9729 - 23

Goms (Conches) 4192 1 4191 - -

Hérens (Ering) 6521 - 6521 - -

Leuk (Loèche) 6441 29 6410 - 2

Martigny (Martinach) 11535 104 11415 1 15

Monthey 10119 179 9939 - 1

Raron (Rarogne) 5912 4 5908 - -

St. Maurice (St. Moritz) 6517 56 6456 - 5

Sierre (Siders) 10138 53 10083 - 2

Sion (Sitten) 9911 312 9597 - 2

Visp (Viège) 7010 12 6997 - 1

Land- und Forstwirtschaft. Von der Fläche sind 2409,9 qkm, d. i. 45,93 Proz., produktives Land: 625 qkm Waldungen, 11,4 Rebland und 1773,2 Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven Lande sind 971,7 qkm Gletscher, 17,4 Seen, 5,7 Städte und Dörfer, 32,2 Flüsse und Bäche, 10,7 Schienen- und Straßenwege und 1800 Felsen und Schutthalden. Getreide-, Obst- und Weinbau, in den obern Stufen Alpenwirtschaft sind die Haupterwerbsquellen. Die Landwirtschaft ist in bedeutendem Aufschwung begriffen; in Unterwallis wird Mais, Gemüse und Krapp angebaut. Wein und Obst, in den wärmsten Gegenden auch Südfrüchte liefert der Kanton über den Bedarf; die geschätztesten Weine wachsen in der Umgegend von Siders, Sitten und Martigny. Es wird viel Wein exportiert, Trauben besonders aus Sitten und Siders. Große Sorgfalt wird auf die Bewässerung der Alpen durch lange, oft kühn angelegte Wasserleitungen verwendet. Die Viehzucht ist sehr lohnend. Nach der Zählung von 1896 besitzt der Kanton 2019 Pferde, 2526 Maultiere und 611 Esel, 65656 Rinder, 25180 Schweine, 50961 Schafe, 36883 Ziegen und 7155 Bienenstöcke. Die Waldungen stehen unter der Aufsicht des Bundes. Der Bergbau beschränkt sich jetzt fast ausschließlich auf die Ausbeutung der zahlreichen Anthracitgruben, Marmor-, Kalkstein-, Schiefer- und Topfsteinbrüche. Goldminen kommen in Gondo vor. Von Mineralquellen sind zu erwähnen die Gipsthermen von Lenk, die erdige Jodquelle von Saxon und das Stahlwasser von Morgin.

Industrie, Handel und Verkehr. Die Industrie ist im Zunehmen begriffen und wird durch bedeutende Wasserkräfte unterstützt; zu erwähnen sind die Glashütte und Seifenfabrik zu Monthey, die Konservenfabrik zu Saxon, Dynamitfabrik Gamsen-Brig, die Tabakfabriken Sitten und Monthey, Marmorbrüche in Saillon, ferner Stein- und Schieferbrüche. Der wichtigste Handelsartikel ist der Wein, der vorzügliche Sorten aufweist. Von Bedeutung ist ferner der Warentransit über den Simplon sowie der sehr lebhafte Fremdenverkehr der südl. Walliser Thäler, der Simplon-, der Furka- und der Grimselstraße. Vom Genfer See bis Brig wird der Kanton von der Eisenbahn Bouveret-St. Maurice-Sitten-Brig durchzogen, von der bei Visp die Bahn nach Zermatt abzweigt; eine Fortsetzung durch den Simplon nach Domo d’Ossola ist geplant. Mit dem Kanton Uri ist das W. durch die Poststraße über die Furka verbunden. Die wichtigsten Orte sind die Hauptstadt Sitten, im Oberwallis die Flecken Siders, Leuk, Visp und Brig, im Unterwallis Martigny, St. Maurice und Monthey.

Verfassung und Verwaltung. Die Verfassung, zuletzt 1876 revidiert, ist repräsentativ-demokratisch mit Finanzreferendum. Der Große Rat, je ein Mitglied auf 1000 E., vom Volke auf vier Jahre gewählt, ist gesetzgebende, der Staatsrat, 5 Mitglieder vom Großen Rat gewählt, vollziehende Behörde. Die Staatseinnahmen betrugen 1895: 1,287, die Ausgaben 1,335, die Staatsschulden 6,091, das Vermögen 3,485 Mill. Frs. In administrativer Hinsicht zerfällt der Kanton in 13 Bezirke (Zehnten, s. oben Tabelle), von denen 7 dem Oberwallis, 6 dem Unterwallis angehören. Jede Gemeinde besitzt ein Friedensrichteramt, jeder Bezirk ein Bezirksgericht. Als letzte Instanz besteht ein kantonaler Appellationshof von sieben Mitgliedern. In kirchlicher Hinsicht bildet der Kanton, der 8 Klöster zählt, das Bistum Sitten, mit Ausnahme der selbständigen Abtei St. Maurice, zu der auch das Hospiz des Großen St. Bernhard gehört. Für Unterricht sorgen (1895) 543 Primärschulen mit 18712 Schülern und Schülerinnen, 5 Kleinkinderschulen, 3 Sekundärschulen mit 112 Schülern und Schülerinnen, 1 Mittelschule (Lyceum in Sitten) mit und 2 ohne Anschluß an das akademische Studium und 4 Lehrerbildungsanstalten, ein Priesterseminar zu Sitten, die Kollegien von St. Maurice, Brig und Sitten, letzteres mit einer Realschule verbunden und eine Taubstummenanstalt in Geronde. In militär. Beziehung gehört das Unterwallis zum Stammbezirk der 1., das Ober-^[folgende Seite]