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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Weichtiere

häuse, nach dem die W. wohl auch Schalentiere oder Konchylien genannt werden, und das in den meisten Fällen vorhanden ist, absondert. Es besteht in vollkommener Ansbildung ans einer oberflächlichen, leicht verloren gehenden Hornschicht oder Epidermis, einer darunter gelegenen weißen, aus prismatischen Stäbchen gebildeten Kalkschicht und ans der innersten oder Perlmutterschicht, die aus wellenförmig gebogenen Kalkfasern zusammengesetzt ist und dieser Struktur ihren Perlmutterglanz als eine lediglich optische, durch keinen besondern Farbstoff hervorgerufene Erscheinung verdankt. Die bunten Färbungen vieler Weichtiergehäuse haben ihren Sitz in den oberflächlichen Lagen der mittlern Kalkschicht. Im übrigen ist die Haut der W. nackt, schleimig, drüsenreich und sehr muskulös. Die Bewegungen vermitteln besondere Verdickungen des Hautmuskelschlauches (Fuß).

Man unterscheidet fünf Hauptklassen, deren vier erste den Glossophoren zufallen: I. Die Cephalopoden (Cephalopoda), Kraken oder Kopffüßer (s. Tafel: Kopffüßer), mit einem scharf in Kopf und Rumpf geschiedenen Körper. Ersterer trägt eine Anzahl muskulöse, um den Mund gestellte Kriech- und Greifarme, und zwar bei den Zweikiemern acht oder zehn, bei den Vierkiemern, zu denen von den lebenden allein der Nautilus (s. Tafel: Körperbedeckung der Tiere I, Fig. 34) gehört, sehr viele. Bei den Zweikiemern haben sie zahlreiche Saugnäpfe. Zu ihnen gehören: die Argonaute (Argonauta Argo L., s. Tafel: Kopffüßer, Fig. 1), der gemeine Kalmar (Loligo vulgaris Lam., Fig. 2), die gemeine Krake (Octopus vulgaris L., Fig. 4) und die gemeine Sepie (Sepia officinalis Lam., Fig. 5). Die meisten Zweikiemer besitzen die auf kontraktilen Hautzellen (Chromatophoren, s. Tafel: Körperbedeckung der Tiere I, Fig. 35) beruhende Fähigkeit des Farbenwechsels. II. Die Gastropoden (Cephalophora s. Gastropoda), Bauchfüßer oder Schnecken, mit noch leidlich deutlichem Kopf und mit einer flachen, muskulösen, an der Bauchseite gelegenen Hautverdickung, der zum Kriechen oder Gleiten geeigneten Sohle, die nur bei den pelagisch lebenden Flossen- oder Kielfüßern (z. B. bei Cavolina tridentata Lam., s. Tafel: Weichtiere II, Fig. 2, und Pterotrachea coronata Forsk., Fig. 14) zu Ruderwerkzeugen umgewandelt ist. Landbewohnende Gastropoden sind z. B. unsere Schnirkelschnecken (Helix arbustorum L., hortensis L., nemoralis L., Fig. 9, 10, 11), Formen des Süßwassers die Schlammschnecke Limnea stagnalis L., Fig. 12) und die Sumpfschnecke (Paludina vivipara L, Fig. 13). In der westl. Ostsee finden sich: die Kugelschnecke (Acer abullata O. F. Müll., s. Taf. I, Fig. 4 a, b, c), die Schildkrötenschnecke (Tectura testudinalis O. F. Müll., Fig. 6), Velutina haliotidea (Fig. 7), die Fischreuse (Nassa reticulata Lam., Fig. 8), das Wellhorn (Buccinum undatum L., Fig. 9). Bemerkenswerte ausländische Arten sind: das Seeohr (Haliotis tuberculata L., s. Taf. II, Fig. 1), die Olivenschnecke (Oliva figura Lam., Fig. 3), die Nabelschnecke (Natica canrena L., Fig. 4), die gescheckte Kegelschnecke (Conus marmoreus L., Fig. 5), die Mondschnecke (Turbo marmoratus L., Fig. 6), die Stachelschnecke (Murex tenuispina Lam., Fig. 7) und die Turmschnecke (Faunus ater Lam., Fig. 8). Nacktschnecken der Ostsee sind: die Fadenschnecke (Aeolis papillosa L., s. Taf. I, Fig. 1), die Bäumchenschnecke (Dendronotus arborescens O. F. Müll., Fig. 2) und die Sternschnecke (Dorin muricata O. F. Müll., Fig.3). III. Die Scaphopoden (Scaphopoda), Kahn- oder Grabfüßer, eine kleine Gruppe mit der einzigen Familie der Elefantenzähne. Ein Kopf ist nicht mehr unterscheidbar, der Fuß ist zu einem Stempel verlängert und dient zum Graben. Die Schale ist eine lang kegelförmige, schwach gekrümmte und an beiden Enden offene Röhre. IV. Die symmetrischen Käferschnecken oder Amphineuren (hierher gehört Chiton marginatus O. F. Müll., Fig. 5). V. Die Muscheln (Lamellibranchiata) endlich entbehren der Reibplatte, sind symmetrisch gebaut und haben einen auf beiden Seiten weit herabreichenden Mantel, der jederseits eine Schalenhälfte (s. Tafel: Körperbedeckung der Tiere, Fig. 32) trägt. Hier allein ist die Schale dcr Länge nach am Rücken gespalten. Ostseemuscheln sind: die Miesmuschel (Mytilus edulis L., s. Tafel: Weichtiere I, Fig. 10), die nordische Astarte (Astarte borealis Chemn., Fig. 11), die Pfeffermuschel (Scrobicularia piperata Gmel., Fig. 12), das Körbchen (Corbula gibba Oliv., Fig. 13), die Klaffmuschel (Mya truncata L., Fig. 14 und Taf. III, Fig. 4), und die eßbare Herzmuschel (Cardium edule L., Fig. 9). Europ. Süßwasserformen sind die Flußperlmuschel (Margaritina margaritifera Schum., Fig. 7) und die Teichmuschel (Anodonta, Fig. 8). Nicht in deutschen Meeren werden gefunden: die Kammmuschel (Pecten opercularis L., Fig. 1), die Archenkammmuschel (Pectunculus pilosus L., Fig. 2), die Vogelmuschel (Avicula semisagitta Lam., Fig. 3), die stachlige Venusmuschel (Cytherea meretrix L., Fig. 5), die Feilenmuschel (Lima squamosa L., Fig. 6), die Klappmuschel (Spondylus princeps L., Fig. 10) und die Stumpfmuschel (Donax anatinus L., Fig. 11).

Die W. sind entweder getrennten Geschlechts oder sich gegenseitig befruchtende Zwitter; ausnahmsweise kommt Selbstbefruchtung vor; nur wenige gebären lebendige Junge. Die meisten legen Eier, oft in Menge zusammen und dann oft zu traubenförmigen oder symmetrischen Gebilden (z. B. von der Sternschnecke, s. Taf. I, Fig. 3a, und dem Wellhorn, Fig. 9a, von der Purpurschnecke, s. Tafel: Eier I, Fig. 7, von Pirula, Fig. II, von dcr Sepia, Fig. 6, und vom Kalmar, Fig. 5 und Tafel: Kopffüßer, Fig. 3) vereint. Die Käferschnecken, Tintenfische und Elefantenzähne sind lediglich auf das Meer angewiesen; die Muscbeln dringen zum Teil in das Süßwasser ein. Die Schnecken allein sind auch in zahlreichen Arten auf dem Lande vertreten. Die meisten auf dem Lande und in süßem Wasser sowie auf hohem Meere lebenden W. baben ein dünnes, leicht zerbrechliches Gehäuse; dagegen ist das Gehäuse der an der Küste lebenden oft dick und fest. Die meisten im Meere wohnenden W. scheinen auf tierische Nahrungsstoffe angewiesen zu sein; die Land- und Süßwasserschnecken nähren sich meist von Pflanzen. Ihre Gefräßigkeit ist bekannt und bei den im Meere lebenden wahrscheinlich nicht geringer, ja die Tintenfische (Sepien) sind unersättliche und grimmige Raubtiere. Schädlich sind mehrere Landschnecken, besonders die nackten end gefräßigen Ackerschnecken; ferner die Bohrmuscheln und Pfahlmuscheln. Nützlich werden viele W. dadurch, daß sie als Nahrung dienen, wie die Tintenfische, Weinbergsschnecken, Austern, Miesmuscheln u. s. w. Die Flußperlmuscheln und die Meerperlmuscheln liefern Perlen und Perlmutterschalen, und mehrere haben einen eigentümlichen Saft, der zum Färben benutzt wurde. (S. Purpur.) Die Tinten-^[folgende Seite]