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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Zeittafeln - Zeitungen

zutreffen seien. Diese Zahl betrug im günstigsten Falle und bei der zweckmäßigsten Geschwindigkeit von etwa ⅓ Sekunde Intervall zwischen den einzelnen Eindrücken 16 und erhöhte sich bei einer Gliederung in Perioden auf 40. Zu einer rhythmischen Gliederung succedierender Eindrücke giebt nicht nur ein regelmäßiger Unterschied in den Intervallen, sondern auch ein solcher in der Intensität oder der Qualität der Eindrücke Veranlassung. So kann eine bestimmte Rhythmisierung von a-b-c, sowohl dadurch zu stande kommen, daß das Intervall a-b größer ist als das b-c, als auch dadurch, daß a accentuiert ist oder von einem Eindruck anderer Qualität gebildet wird. Ferner scheinen akustische Reize und Bewegungen für eine Rhythmisierung fast ausschließlich in Betracht zu kommen. Endlich ist die Geschwindigkeit, mit der die Glieder einer Reihe aufeinander folgen, von Einfluß auf deren Rhythmisierung, und zwar bilden etwa 4 Sekunden Gesamtdauer für eine rhythmische Periode die äußerste Grenze, bis zu welcher bei 2, 3 oder mehr Gliedern noch diese subjektive Gliederung zu stande kommen kann. Am günstigsten sind hierbei Intervalle von ⅓ bis ½ Sekunde. - Vgl. Vierordt, Der Z. (Tüb. 1868); F. Schumann, Über die Schätzung kleiner Zeitgrößen (in der "Zeitschrift für Psychologie", Bd. 4, Hamb. 1893); E. Meumann, Beiträge zur Psychologie des Z. (in den "Philos. Studien", Bd. 8 u. 9, Lpz. 1893-94) und Untersuchungen zur Psychologie und Ästhetik des Rhythmus (in den "Philos. Studien", Bd. 10, 1894); Dutczynski, Beurteilung und Begriffsbildung der Zeitintervalle (Lpz. 1894).

Zeittafeln, synchronistische Tabellen, s. Synchronismus.

Zeitûn, Stadt in Syrien, s. Bd. 17.

Zeitungen. Das Wort Zeitung (mittelhochdeutsch zitunge), ursprünglich soviel wie Nachricht, bedeutet gegenwärtig eine in kurzen Zwischenpausen erscheinende periodische Druckschrift, und zwar vorwiegend polit. Inhalts. Eine Regelung des Nachrichtendienstes für staatliche oder private Zwecke, um schnell von wichtigen Ereignissen aus der Ferne Kunde zu erlangen, kannte bereits das Altertum mehrfach (lat. angaria und cursus publicus, s. Angaroi), jedoch entwickelte sich erst gegen Ende der Republik durch Cäsar (59 v. Chr.) die regelmäßige schriftliche Mitteilung interessanter Vorkommnisse an das Publikum in den "Acta diurna". (s. d.) oder populi ("Tageblatt") mittels öffentlich aufgestellter Tafeln. Die gleichzeitig veranlaßte regelmäßige Veröffentlichung der Senatsverhandlungen (acta senatus) wurde schon unter Augustus als bedenklich wieder eingestellt. Das moderne Zeitungswesen hat einen doppelten Ausgangspunkt, der sich bis ins 15. Jahrh. zurückverfolgen läßt. Einmal und vor allem sind es die Flugblätter, welche über wichtige Ereignisse, wie Kriegsgefahr, Schlachten, Pestilenz, Mord- und andere Greuelthaten, auffallende Naturerscheinungen und ähnliches gedruckt und verbreitet wurden und die meist in gebundener Form abgefaßt waren. Zum Teil noch älter ist sodann der Nachrichtendienst, welchen Fürsten und Städte, Körperschaften, wie die Hansa und die Universitäten von Paris und Wien sowie einzelne Handelsfirmen einführten, und den sie durch Botenstuben (frz. postes) und Briefjungen (Postreiter) unterhielten; Private durften ihn unter Umständen gegen eine Taxe benutzen. In Italien, wo man diese Nachrichten gazette, avisi, novelle, notizie scritte nannte, waren Rom und Venedig die Centren des Depeschendienstes; in Frankreich hießen sie ähnlich gazettes u. s. w., in England news oder courants. Die durch den Humanismus und die Reformation in weite Schichten des Volks getragene geistige Gärung steigerte mächtig das allgemeine Interesse am Neuesten aus Staat und Kirche, Natur und Menschenleben der verschiedenen Länder und Nationen. Seit der Mitte des 16. Jahrh. wurden jene gedruckten Blätter häufiger und die Zusammenstellungen der Nachrichten nahmen eine festere Gestalt an. Köln war in Deutschland Mittelpunkt der zumeist wöchentlichen Korrespondenzen; aber auch Nürnberg, Augsburg und in den Niederlanden Antwerpen und der Haag waren Hauptpunkte. Nicht wenige der Nachrichten haben sich handschriftlich erhalten. Eine große Sammlung solcher Z., Relationen u. dgl. (Joh. Jak. Wicks'; 23 Bde.) aus den J. 1560-87 besitzt die Züricher Stadtbibliothek (vgl. Ricarda Huch im "Neujahrsblatt, hg. von der Stadtbibliothek auf 1895", Zürich). In Frankfurt wurden schon 1548 Extrakte der eingegangenen Nachrichten (Novellae) gedruckt. Weil für die schnelle Verbreitung der gedruckten Flugblätter die Wege des Buchhandels damals so wenig ausreichten wie heute, suchten sehr bald die Postverwaltungen sich ihres Alleinvertriebes zu bemächtigen. Den engen Zusammenhang der Post mit dem Zeitungswesen bekunden teilweise auch die Namen, welche viele der frühesten Z. führten, nämlich "Postreuter", "Postbote", "Hinkender Bote" u. s. w. Sie erschienen anfangs jährlich wie die Kalender. Aber auch vom Buchhandel gingen regelmäßige Nachrichten im Anschluß an die Frankfurter Messen aus als "Relationes semestrales" (Meßrelationen, von Kom. Lautenbach [Pseudonym Iacobus Francus] bei dem Frankfurter Buchhändler Paul Brachfeld, seit 1590; in Leipzig seit circa 1619 durch Gregorius Wintermonat [Pseudonym]). Regelmäßig erschienen in Köln seit 1588 des Jansonius Doccomensis Frisius (Pseudonym für Michael van Isselt) "Mercurius Gallo-Belgicus", an den sich später das "Theatrum Europaeum" (über die J. 1617-1718; 21 Bde., Frankf. a. M. 1635-1738), das "Diarium Europaeum" (über die J. 1657-81; 27 Bde., ebd. 1659-83) und andere Sammelwerke polit. Inhalts anschlossen, welche in längern Zwischenräumen die Nachrichten der schnell erscheinenden Blätter zusammenfaßten. In kurzen Zeitabschnitten erschienen in London seit 1606 die "Weekly News", in Straßburg seit 1609 auch eine wöchentliche Zeitung sowie seit 1615 in Frankfurt a. M. bei Eman. Egenolph, doch wurde letztere Zeitung bald durch die amtliche "Oberpostamtszeitung" (Johann von der Birghdens) verdrängt. Sechsmal in der Woche erschien zuerst 1660 die noch heute bestehende "Leipziger Zeitung", die seit 29. April 1666 sogar täglich herausgegeben wurde. In London, welches erst seit 1702 (11. März) ein Tageblatt hatte ("The Daily Courant"), wuchs unter dem Einfluß der erkämpften polit. Freiheit deren Zahl bald auf 3, woneben es im Anfang des 18. Jahrh. noch 10 Z. gab, die dreimal, und 5 Z., die einmal wöchentlich erschienen. Überhaupt zeigt sich gerade im Zeitungswesen der enge Zusammenhang freier Entwicklung und schnellen Gedeihens. In dieser Hinsicht war das Ende des 17., das 18. und die erste Hälfte des 19. Jahrh. ihm wenig günstig, wenn man von England, von den Vereinigten Staaten und von Frankreich in den Zeiten der Revolution absieht. Zunächst wur-^[folgende Seite]