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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Binnenwanderungen

zusammenstößen, sowie die Höhe des Lohns bei Bergung und Hilfeleistung festgesetzt. Für Schadenersatzpflicht gelten die Vorschriften der Art. 736-741 des Handelsgesetzbuchs. Der Schiffsbesatzung steht kein Berge- und Hilfslohn zu. Die Höhe des Berge- und Hilfslohns für andere wird unter Berücksichtigung jedes Falles (Eifer der Hilfeleistenden, verwendete Zeit, Dienste, Gefahr der Personen und ihrer Fahrzeuge und Geräte sowie Gefahr, die dem geborgenen oder geretteten Gegenstande gedroht hat, und sein Wert) vom Gerichte nach billigem Ermessen festgesetzt. Der siebente Abschnitt, §§. 102-117, handelt vom Pfandrecht der Schiffsgläubiger; es hat den Vorrang vor den sonstigen Pfandrechten an Schiff oder Fracht. Rechte eines Schiffsgläubigers gewähren 1) die öffentlichen Schiffs- und Schiffahrtsabgaben, insbesondere Brücken-, Schleusen-, Kanal- und Hafengelder; 2) die aus Dienstverträgen herrührenden Forderungen der Schiffsbesatzung; 3) die Lotsengelder sowie die Bergungs- und Hilfskosten, einschließlich des Berge- und Hilfslohnes; die Beiträge des Schiffs zur großen Haverei; 4) die Forderungen wegen Nichtablieferung oder Beschädigung der Ladungsgüter und des Reisegepäcks; 5) Forderungen aus Rechtsgeschäften des Schiffers, die er als solcher abgeschlossen hat; 6) die Forderungen der Berufsgenossenschaft gegen den Schiffseigner. Der achte Abschnitt, §§. 118-119, handelt von der Verjährung; die genannten Forderungen verjähren nach Ablauf eines Jahres. Der neunte Abschnitt, §§. 120-130, handelt vom Schiffsregister; Schiffsregister sind zu führen verpflichtet Dampfschiffe und andere Schiffe mit eigener Triebkraft, deren Tragfähigkeit mehr als 15000 kg, sowie sonstige Schiffe, deren Tragfähigkeit mehr als 20000 kg beträgt. Das Schiffsregister ist öffentlich und wird bei den Gerichten, die das Handelsregister führen, geführt. Es muß enthalten: Gattung, Material, Namen und Nummer des Schiffs, Tragfähigkeit und Stärke des Motors, Zeit und Ort der Erbauung, Heimatsort, Namen des Eigentümers, den Rechtsgrund, worauf das Eigentum beruht. Der zehnte Abschnitt, §§. 131-137, betrifft die Verpfändung und Zwangsvollstreckung; erstere kann nur durch Eintragung in das Schiffsregister erfolgen. Die Eintragung ist auch auf dem Schiffsbriefe zu vermerken. Der elfte Abschnitt, §§. 138-142, enthält die Schlußbestimmungen über die Rechtsverhältnisse. Der Bundesrat ist befugt, Bestimmungen über den Befähigungsnachweis der Schiffer und Maschinisten der B. zu treffen. - Gleichzeitig wurde 15. Juni 1895 ein Gesetz über die Flößerei (s. d.) erlassen.

Litteratur. Die Ausgaben und Kommentare des Binnenschiffahrtsgesetzes von Zander (Lpz. 1895), Mittelstein (2 Tle., ebd. 1895-96), Landgraf (Berl. 1896); Hatschek, Das deutsche Binnenschiffahrtsrecht. Eine gemeinverständliche Darstellung (Lpz. 1896); Mitteilungen über Entschädigungen von Fällen aus dem Binnenschiffahrtsrecht, von Flaminius bearbeitet, enthält regelmäßig die Zeitschrift "Das Schiff".

Binnenwanderungen, die örtliche Bevölkerungsbewegung innerhalb der Landesgrenzen. Während der Auswanderung (s. d.), insonderheit der überseeischen, schon seit langen Jahren verdientermaßen große Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist die genauere Betrachtung der B. erst jungen Datums. Die Ursachen dieser Erscheinung sind verschiedenartig; einmal ist die Auswanderung statistisch viel einfacher zu erfassen, dann aber handelt es sich bei der Binnenwanderung nicht um einen Verlust an Menschen und Volkskraft, sondern nur um eine Verschiebung im Mutterlande. Man kann zwischen eigentlicher Binnenwanderung und uneigentlicher periodischer Binnenwanderung unterscheiden. Die letztere, überwiegend in der Form der Sachsengängerei (s. d., Bd. 14) auftretend, bildet ein Problem für sich und wird demgemäß meistens gesondert von den übrigen B. betrachtet. Den Hauptanstoß zu eingehendern Forschungen über die Wanderungen im Lande gab das rasche Anwachsen der Städte, besonders der Großstädte, und die damit vielfach verbundene Entvölkerung des platten Landes. Denn während man früher geneigt war, die letztere in der Hauptsache auf Rechnung der Auswanderung zu setzen, ließ sich diese Ansicht im Hinblick auf das den Geburtenüberschuß durchweg weit übersteigende Wachstum der Großstädte nicht länger aufrecht erhalten. Auch war anderwärts die Bedeutung der B. schon völlig gewürdigt worden, besonders in England, wo der durch das Aufkommen der Großindustrie bedingte Umschwung der wirtschaftlichen Verhältnisse schon viel früher das Abströmen der Landbevölkerung in die Städte veranlaßte als in Deutschland. Denn die Ursachen der modernen B. sind so gut wie ausschließlich wirtschaftlicher und socialer Art. Der ungeahnte Aufschwung der Industrie und ihre Konzentration in den Städten hat den Zudrang der ländlichen Bevölkerung nach diesen veranlaßt, auf der andern Seite aber war die Landwirtschaft nicht in der Lage, die durch den Geburtenüberschuß rasch sich vermehrenden Arbeitskräfte alle selbst zu verwenden. Aber auch sociale Momente kamen hinzu, so die größere Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit in der Großstadt, die Vorzüge des städtischen Lebens überhaupt, und endlich bildete die Einführung der Freizügigkeit und Gewerbefreiheit die rechtliche Unterlage der Bewegung. Leider hat diese aber eine das Maß des Wünschenswerten weit übersteigende Ausdehnung angenommen und der Landwirtschaft in Deutschland sowohl wie in fast allen europ. Kulturländern oft nicht nur die überschüssigen, sondern auch die notwendigen Arbeitskräfte entzogen. In welchem Maße die städtische Bevölkerung der größern deutschen Staaten im Verlaufe zweier Jahrzehnte angewachsen ist, zeigt folgende Tabelle, bei welcher als städtische Wohnplätze entsprechend dem in Deutschland und Frankreich üblichen Verfahren solche von 2000 und mehr Einwohnern gelten. Danach entfielen auf die städtischen Wohnplätze von der Gesamtbevölkerung Prozente:

Länder 1871 1875 1880 1885 1890

Preußen 37,2 40,2 42,6 45,0 48,4

Bayern 23,6 26,0 27,7 29,1 31,8

Sachsen 49,5 52,7 56,6 59,4 62,9

Württemberg 30,7 33,7 35,3 36,7 38,8

Baden 32,5 35,2 38,0 39,5 42,6

Hessen 35,9 38,6 40,4 42,7 44,6

Mecklenburg-Schwerin 37,3 38,3 39,6 41,0 42,5

Sachsen-Weimar 27,8 30,1 31,3 34,0 36,7

Oldenburg 16,0 17,7 20,3 21,5 23,4

Braunschweig 35,5 38,2 41,7 43,3 45,6

Anhalt 48,7 53,2 57,7 59,1 62,1

^[Additionslinie]

Deutsches Reich 36,1 39,0 41,4 43,7 47,0

Ohne eine einzige Ausnahme zeigen also diese Zahlen ein Wachstum, und hinsichtlich der nicht in der Tabelle aufgeführten kleinern Bundesstaaten, ebenso für alle europ. Kulturstaaten, welche entsprechende Nachweisungen veranstalten, trifft das-^[folgende Seite]