Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

272

Christlich-lateinische Litteratur

ein Auszug aus ältern Quellen, schrieb er im 93. Lebensjahre. - Die letzte wissenschaftliche Gestalt des ausgehenden Altertums ist der Bischof Isidorus von Sevilla (etwa 560-636), welcher das Wissen seiner Zeit in mehrere Kompendien brachte, ohne Kritik, aber aus wertvollen Quellen. Sein Hauptwerk sind die "Etymologiae" oder "Origines" (20 Bücher), eine kurze Übersicht über alle Wissenschaften mit besonderer Betonung der Wortableitungen. Es besteht lediglich aus aneinander gereihten Excerpten von teils ganz unwissenschaftlicher Art; aber das Mittelalter hat aus diesem Werke einen nicht geringen Teil seines Wissens geholt. Ebenfalls von größtem Einfluß für die spätere Zeit wurde die Schrift "De natura rerum", deren Hauptinhalt die mathem. Geographie bildet. Neben mancherlei theol. Schriften verfasste Isidor noch eine kurze Chronik Spaniens unter der Gotenherrschaft sowie eine Weltchronik nach den sechs Weltaltern. - Beiträge zur philosophischen Forschung lieferten unter den christl.-lat. Schriftstellern, abgesehen von vielfachen philos. Erörterungen zur Gestaltung und Begründung des Dogmas, schon Arnobius und Lactantius in ihren apologetischen Werken. Ferner vor allen Augustinus namentlich in seinen Jugendschriften "Contra Academicos", "Soliloquia", "De musica", "De quantitate animae", nach ihm auch Salvianus (gest. nach 495), der strafende Ethiker seines Zeitalters ("De gubernatione Dei", "Contra avaritiam"), Cassiodorius ("De anima") und Claudianus Mamertus (gest. 477, "De statu animae"), während der christl. Charakter des Boëthius (gest. 525) bis jetzt nicht sicher steht.

Auf dem Gebiete der Dichtkunst sind an erster Stelle die poet. Bearbeitungen von einzelnen Teilen der Bibel zu erwähnen. Der span. Presbyter C. Vettius Aquilianus Juvencus hat hier den Anfang gemacht, indem er um 330 seine "Evangeliorum libri IV" schrieb, eine Umdichtung des Matthäusevangeliums in einfacher, besonders dem Virgil nachgebildeter Sprache (Ausgabe von C. Marold, Lpz. 1886, und J.^[Johann] Huemer, Wien 1891). Claudius Marius Victor aus Marseille, der ersten Hälfte des 5. Jahrh. angehörend, besingt in seiner "Alethia" (3 Bücher) die in der Genesis erzählten Ereignisse bis zum Untergang von Sodom und Gomorrha in ziemlich freier, echt dichterischer Weise. Sein an kühnen Bildern und Vergleichen reiches Werk gehört unter die reizvollsten frühchristl. Gedichte (Ausgabe von C. Schenkl, Wien 1888). Ebenfalls in Gallien am Anfang des 5. Jahrh. dichtete Cyprianus. Er verfaßte eine poet. Übertragung der meisten geschichtlichen Bücher des Alten Testaments und hielt sich dabei eng an den Bibeltext, so daß die umfangreiche Dichtung recht eintönig ist. Erhalten haben sich die Bücher des Heptateuchs (Ausgabe von R. Peiper, Wien 1891). Zu derselben Zeit schrieb der Römer Sedulius in Griechenland das "Paschale carmen". In dem ersten Buche werden nach Sitte der Zeit Ereignisse des Alten Bundes zu Christus in typologische Beziehung gesetzt, in den vier folgenden die Jugendgeschichte Christi, seine Wunder und Reden und endlich sein Tod hauptsächlich nach Matthäus erzählt. Das Gedicht ist kurz, anschaulich und lebendig und hat im Mittelalter in höchstem Ansehen gestanden (Ausgabe von J.^[Johann] Huemer, Wien 1885). Der Karthager Blossius Ämilius Dracontius verfaßte, um durch den Vandalenkönig Gunthamund Befreiung aus dem Gefängnis zu erlangen, gegen Ende des 5. Jahrh. das höchst anziehende Epos "Laudes Dei", dessen erstes Buch die Schöpfungsgeschichte poetisch schön darstellt; das zweite und dritte behandeln das Sichtbarwerden der Gnade Gottes auf Erden. Um dieselbe Zeit schrieb der Bischof von Vienne, Alcimus Ecdicius Avitus, ein größeres Epos über die Erscheinung der Sünde in der Welt. In freiem Anschluß an die Bibel erzählt er die Schöpfung, den Sündenfall und die Strafe Gottes; hieran schließt sich eine Schilderung der Sintflut und des Durchzugs der Juden durchs Rote Meer. Dies Epos verrät ein stark rhetorisches Element, aber auch eine nicht geringe Phantasie (Ausgabe von R. Peiper, Berl. 1883). Im J. 544 vollendete der röm. Subdiakonus Arator seine Umdichtung der Apostelgeschichte: "Acta apostolorum", in zwei Büchern. Der Dichter offenbart hier seinen Hang zur mystischen Auffassung und typologischen Auslegung und wird daher vielfach dunkel, das epische Element tritt viel zu sehr zurück (Ausgabe von Migne, "Patrologie", 68). Apologetischen Charakter trägt auch die Poesie des Afrikaners Commodianus (um 250), der als erster unter den christl. Dichtern in volksmäßig rhythmischen, nicht quantitierenden Hexametern "Instructiones" in zwei Büchern und ein "Apologeticum" schrieb. Im ersten Gedicht wendet sich Commodian gegen die Religionen der Heiden und Juden und sucht dann die Christen zu wirklich christl. Leben anzuleiten. Das zweite Gedicht sucht die christl. Wahrheiten gegen die Andersgläubigen zu verteidigen. Der größte unter den christl. Dichtern ist der Spanier Aurelius Prudentius Clemens, 348 geboren. Sein "Cathemerinon" sind Hymnen zu verschiedenen Tages- und Jahresabschnitten der Christen; in der "Apotheosis" erweist der Dichter die Göttlichkeit Christi, die "Hamartigenia" handelt von der Entstehung der Sünde, die "Psychomachia" besingt den Kampf der Tugenden und Laster, in den Büchern "Contra Symmachum" tritt Prudentius als kühner und begeisterter Apologet für das Christentum ein, in der Sammlung "Peristephanon" besingt er den Ruhm von Märtyrern, das "Dittochaeon" endlich giebt Erklärungsverse zu biblischen Bildern. Überall zeigt sich bei ihm Schwung, Kraft und Phantasie. Um 410 schrieb der Gallier Orientius (Bischof von Auch?) sein "Commonitorium", das in einfacher Sprache und in herzlichem Tone ohne die gewohnte gallische Rhetorik den Leser von den Lastern abmahnt und zum Wege der Tugend führen will (Ausgabe von R. Ellis, Wien 1888). Prosper (etwa 400-463) von Aquitanien machte sich zum Vorkämpfer des Augustinischen Lehrbegriffs. Das Epos "De ingratis" richtet sich gegen die Semipelagianer, und seine Epigramme bringen Sentenzen aus Augustin in Verse (Ausgabe bei Migne, "Patrologie", 51). Der Ire Columban (etwa 540-615) hat mehrere Gedichte hinterlassen, welche seiner asketischen Richtung entsprechen und röm. Lebensweisheit mit christl. Lehre verbinden (Ausgabe von Migne, "Patrologie", 80; von W. Gundlach, Berl. 1894). Endlich sind die Dichter zu erwähnen, welche entweder Gedichte persönlichen Inhalts verfaßten oder Märtyrer und Heilige besangen. Hiermit begann Papst Damasus (305-384), der kleine Aufschriften auf röm. Heiligengräber verfaßte (Ausgabe von M. Ihm, Lpz. 1895). Dann ist hier neben Prudentius besonders Paulinus Nolanus zu erwähnen, geb. 353 in Burdigala, gest. 431 als Bischof von Nota, von dem

Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.