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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Leichenverbrennung
muß, wenn er von der Ausgangsstation des Zuges
erfolgen soll, wenigstens 6 Stunden, wenn er von
einer Zwischenstation aus gehen soll, wenigstens
12 Stunden vorher angemeldet werden. Die Leiche
muß in einem hinlänglich widerstandsfähigen Me-
tallsarge luftdicht eingeschlossen und dieser von einer
hölzernen Umhüllung dergestalt umgeben sein, daß
jede Verschiebung des Sarges innerhalb der Um-
hüllung verhindert wird. Die Leiche muh von einer
Person begleitet sein, welche eine Fahrkarte zu lösen
und denselben Zug zu benutzen hat, in dem die
Leiche befördert wird. Im Gebiete des Verner
Übereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr
(f. Eisenbahnrecht II, 3, Bd. 5) sind die Be-
förderungsbedingungen für Leichen durch Zufatz-
vereinbarungen zwischen sämtlichen Vertragsstaaten
einheitlich geregelt. Auch für jeden andern L. von
Ort zu Ort bedarf es eines Leichenpasses und sind
polizeiliche Bestimmungen über Art der Verpackung
(Doppelsarg) aufgestellt. Die deutschen Staaten
haben untereinander (1888) und das Reich mit der
Schweiz (1889) und Österreich-Ungarn (1890) die
gegenseitige Anerkennung der Leichenpässe verein-
bart; deshalb gilt nach der Verkehrsordnung auch
der von einer deutschen Behörde ausgestellte Lcichen-
paß für den ganzen darin bezeichneten Transport-
weg und ebenso der ausländische eines Staates, mit
dem eine Vereinbarung wegen wechselseitiger Aner-
kennung der Lcichenpässe abgeschlossen ist. Leichen
von Personen, die an gewissen ansteckenden Krank-
heiten litten, dürfen in Deutfchland erst ein Jahr,
in Österreich zwei Jahre nach dem Tode fortgefchafft
werden. Bei LeiMnsendungcn aus Ländern, mit
denen Verträge nicht abgeschlossen sind, ist zur Aus-
stellung des Leichenpasses diejenige deutsche BeHorde
berufen, in deren Bezirk die Leiche zuerst deutsches
Gebiet erreicht. Der Reichskanzler kann jedoch Kon-
suln und diplomat. Vertretern des Reichs im Aus-
lande die Ermächtigung zur Ausstellung erteilen.
Österreich-Ungarn hat seine Generalkonsulate und
Konsulate allgemein unterm 6. Juni 1893 ermäch-
tigt. Bei L. nach dem Auslande darf mangels eines
Staatsvertrags der Paß nur erteilt werden, wenn
der Gefuchsteller die Zustimmungserklärung der
fremden Regierung beibringt.
* Leichenverbrennung. In neuester Zeit findet
die L. wieder weitere Verbreitung und Anwendung.
Von Italien und Deutschland ausgehend, denen sich
bald Schweden, die Schweiz und England anschlössen,
kam sie hauptsächlich in Nordamerika schnell zur Ein-
führung, wo früher von den Urbewohnern und noch
jetzt von verfchiedenen Indianerstämmen Totenein-
üfcherung vorgenommen worden ist. Nordamerika
hat zur Zeit 19 Krematorien, von welchen mehrere zwei
Einüscherungsapparate besitzen. Als Brennstoff zum
Betrieb diefer Apparate wird, je nach dem Stand-
ort des Apparats, Koks, Anthracit, Kohle, Holz,
Petroleum oder Naturgas benutzt. Italien besitzt
23 Krematorien mit zusammen 25 Verbrennungs-
apparaten. Großbritannien erhielt zu den Krema-
torien in Woking (bei London), Manchester und
Liverpool noch ein solches in Glasgow. In Frank-
reich hat nur Paris ein Krematorium mit zwei Ver-
brennungsapparatcn, in welchen 1894: 216 Leichen
auf Grund letztwilliger Verfügung und auf Wunsch
der Familien, 2247 Hospitalleichen und 1529 Em-
bryoleichen, zusammen 3992 verbrannt wurden;
von 1889 ldem Errichtungsjahr) bis Ende 1894
wurden eingeäschert: 868-j-11937-^-6950^19 755
Leichen. In Nordamerika fanden L. statt 1876-
85: 77; 1886 - 93: 2676; 1894: 808; in Düne-
mark 1893: 4; in Deutschland 1878 - 93: 1467;
1894: 266; 1895: 264; in Großbritannien 1885
-93: 161; in Italien 1876-83: 331; 1884-93:
2071; in Schweden 1887 - 93: 282 und in der
Schweiz 1889-93: 172.
In Deutschland, England, Schweden u. s. w.
wurden die Verbrennungen stets mit Sarg voll-
zogen, während besonders in Italien und Nord-
amerika die Einäscherungen fast ausnahmslos ohne
Sarg ausgeführt werden; in letzterm Falle wird der
Leichnam meist in einem mit Alaunlösung getränk-
ten Tuch dem Verbrennungsprozeß unterworfen.
Die der Leicheneinäfcheruna, dienenden Verbren-
nungsöfen streben meist eine weitgehende Vor-
wärmung der auf den Leichnam einwirkenden Ver-
brennungsluft an, sind aber vielfach wefentlich
voneinander abweickend und nach sehr verschiede-
nen Gesichtspunkten konstruiert. Verbrennungen
in boch erhitzter, reiner atmosphärischer Lust sind
erheblich kostspieliger als solche in sog. Mischlust,
d. h. in atmosphärischer Lust gemischt mit glühen-
den Verbrennungsprodukten der heizstofse.
Deutschland besitzt Verbrennungsapparate in
Gotha, in Heidelberg, in Hamburg und in Offenbach,
für welch letztern der Betrieb noch nicht gestattet ist;
in Jena und Apolda ist die Errichtung solcher Appa-
rate in Aussicht genommen. Bei dem Verbrennungs-
ofen in Gotha (s.Tasel: Leichenverbrennung II,
Fig. 4), dem ersten in Deutschland, nach Plänen
von Fricdr. Siemens errichtet, gelangt das haupt-
sächlich zum Anwärmen des sog. Regenerators It.
verwendete Gas von dem zu dessen Herstellung be-
stimmten abseits gelegenen, in die Abbildung nicht
aufgenommenen Gaserzeuger in einem gemauerten
Kanal, durch Ventile reguliert, zum Ofen, entströmt
in diesem den Öffnungen des in die Trennungswand
zwischen Regenerator N und Einüscherungsraum 15,
unterhalb einer Öffnung 0 derselben eingebauten,
horizontalen Gaskanalendstücks 6- und bildet wäh-
rend des AnHeizens mit der durch Öffnung 3 des
Äschensammelraums ^. und durch den Einäscherungs-
raum 15 hinzutretenden Luft eine Flamme, welche,
im Regenerator N nach unten geleitet, diefen hoch
erhitzt. Nach Einführung des Sarges, während der
Einäscherung, durchzieht hingegen die Verbrennungs-
luft (durch eine sog. Luftwechselklappe umgeschaltet)
aus dem Kanal X kommend, den Regenerator 15 von
unten nach oben, sich in ihm hoch erhitzend, wird
durch die erwähnte Öffnung 0 der Trennungswand
nach dem Einüfcherungsraum 15 übergeführt und
gelangt dort zur Einwirkung auf den mittels eines
Wagens eingebrachten und auf dem Chamotten-
bogenrost (^ niedergelassenen Sarg. Die gasförmigen
Verbrennunqsprodukte ziehen durch die seitliche Öff-
nung 3 des Äschensammelraums ^ nach dem Schorn-
stein, und die Aschenreste werden in einem Gesäß
im untern Teil eines vom erwähnten Chamotten-
rost sich nach unten trichterförmig zusammenziehen-
den Äschensammelraums ^ vereinigt, dem Apparat
entnommen. Die Dauer des Änheizens dieses
Ofens beträgt ungefähr 8 Stunden und die Dauer
der Verbrennung etwa 2^ Stunde; an Brenn-
material (böhm. Braunkohle) werden etwa 1500 k^
für eine Verbrennung benötigt, für eine sich direkt
anschließende Verbrennung weitere 250-300 kF.
Der Heidelberger Apparat (Taf. II, Fig. 3) ist, wie
auch der in Offenbach, von dem schwed. Oberst