Autorenkollektiv,
Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig,
Dritte Auflage, 1884
Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse
unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.
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Anilinblau - Anilingrau
Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Anilin'
Eisen und verdünnter Salzsäure in Anilin und Toluidin
übergeführt, von welchem letzteren man zwei Modifikationen
hat. Das Rohanilin ist
eine rötlichbraune Flüssigkeit von unangenehmem Geruch und
öliger Beschaffenheit; es mischt sich nicht mit Wasser,
nimmt aber etwas von diesem auf; ebenso löst das Wasser eine
kleine Menge von A. In verdünnter Salzsäure muß sich das
Rohanilin klar lösen; enthält es mehr als ½% Verunreinigungen,
mit Ausnahme des Wassergehaltes, der bis zu 1½% betragen
kann, so löst es sich nicht mehr klar auf. Das gegenseitige
Mengenverhältnis des A. und der beiden Toluidine im Anilinöl
ist ein schwankendes und hat man hiernach verschiedene Sorten
davon im Handel. Für die Herstellung des gewöhnlichen
Anilinrots ist jener Toluidingehalt sogar notwendig; nur
für gewisse Farben braucht man reines A., für andre wieder
reines Toluidin. Das reine Anilin
des Handels ist zwar auch noch nicht ganz chemisch rein, es
enthält aber doch nur eine sehr geringe Menge, nicht über 1%
betragende Quantität von Toluidin. Reines A. ist, frisch
bereitet, eine farblose, wasserhelle Flüssigkeit, die sich
jedoch beim Stehen an der Luft nach und nach rötlichbraun
färbt; es besitzt einen nicht unangenehmen, weinigen Geruch,
ein spez. Gewicht von 1,020 bei 16° C., und siedet bei 182°
C. Es wirkt giftig. Mit
den Säuren bildet das A. farblose, kristallisierbare, im
Wasser lösliche Salze, die
Anilinsalze, von denen
hauptsächlich das
schwefelsaure Anilin
und das salzsaure Anilin
im Handel vorkommen. Reines A. wird zur Fabrikation von
Methylanilin, Diphenylamin und Fuchsinblau gebraucht, ferner
zur Erzeugung von Anilinschwarz auf Wolle. Nach Häußermann
wurden von reinem A. allein in Deutschland im Jahre 1877
circa 500000 kg fabriziert. Vom rohen Anilinöl unterscheidet
man im Handel hauptsächlich:
1) Anilinöl für Rot,
von 1,004 bis 1,006 spez. Gewicht, besteht aus einer
Mischung von 10 bis 20% Anilin, 25 bis 40% Paratoluidin
und 30 bis 40% Orthotoluidin.
2) Anilinöl für Safranin,
enthält bis 35% Anilin.
- Im Jahre 1880 wurde Anilin (inkl. Toluidin) im deutschen
Zollgebiete eingeführt für 712000 Mk; der Wert der Ausfuhr
belief sich jedoch 1880 auf 1893000 Mk. Die Einfuhr ist
zollfrei. Anilinölfabriken bestehen in Deutschland 3 und
in Frankreich 3, sämtlich von großartiger Ausdehnung und
Leistungsfähigkeit.
Anilinblau. - Obschon es verschiedene
aus Anilin darstellbare blaue Farbstoffe gibt, so versteht man
doch unter diesem Namen nur eine bestimmte Farbe, die als
gewöhnliches A. oder
Fuchsinblau
(Bleu de Lyon,
Bleu de Paris) bezeichnet
wird und aus der Chlorwasserstoffverbindung des
Triphenylrosanilins besteht
(Triphenylrosanilinchlorhydrat).
Es ist ein in Wasser unlösliches, dunkelrotbraunes Pulver,
welches sich aber in Spiritus mit prächtig blauer Farbe löst
(spirituslösliches Anilinblau).
Aus diesem lassen sich drei verschiedene in Wasser lösliche
Arten von A. herstellen (wasserlösliches
Anilinblau); es sind dies die Natronsalze gepaarter
Sulfosäuren des
↔
Triphenylrosanilins. Man erhält sie durch Einwirkung von
konzentrierter Schwefelsäure auf das A. und je nach der Dauer
der Einwirkung sowie der Höhe der Temperatur können hierbei
entweder 1, 2 oder 3 Moleküle Schwefelsäure gebunden werden.
Beim Verdünnen mit Wasser scheiden sich diese Farbstoffe aus
und können dann mittels Natronlauge gelöst werden. Das früher
allein gebräuchliche wasserlösliche
Anilinblau enthält 3 Moleküle Schwefelsäure, ist
demnach das triphenylrosanilintrisulfosaure
Natron. Das 2 Moleküle Schwefelsäure enthaltende
A., das triphenylrosanilindisulfosaure
Natron, wird Wasserblau
(Bleusoluble) genannt.
Derselbe Farbstoff jedoch auf andre Weise, nämlich aus
Diphenylamin bereitet, wird Bayrischblau
genannt; es ist ein dunkelblaues Pulver, während das Wasserblau
einen kupferroten Metallglanz zeigt. Mit 1 Molekül Schwefelsäure
entsteht das triphenylrosanilinmonosulfosaure
Natron, welches ebenfalls in zwei Arten in den Handel
kommt, nämlich aus Rosanilin bereitet als
Nicholsonsblau oder
Alkaliblau, und aus
Diphenylamin bereitet als Alkaliblau
D. Beide sind dunkelblaue Pulver, in Wasser mit prächtig
blauer Farbe löslich. - Zollfrei.
Anilinfarben. - Die Fabrikation von
Farbstoffen aus Anilin und dem ihm nahestehenden Toluidin hat
eine sehr bedeutende Ausdehnung erlangt und wird vorzugsweise
in Deutschland, nächstdem in England und Frankreich betrieben.
Die A. bilden eine besondere Abteilung der
Teerfarben
(s. d.) und werden in sehr großen Mengen in der Färberei,
Zeugdruckerei, Buntpapier- und Tapetenfabrikation, zum Färben
von Holz, Metall, Leder u. dergl., zum Buntdruck u. s. w.
verwendet; sie bilden einen bedeutenden Exportartikel nach
China, Japan, Ostindien und andern Ländern. Der Wert der
Ausfuhr von Anilinfarben
und Teerfarben aller Art (Anilinfarben
allein sind nicht angeführt) aus dem deutschen Zollgebiete
belief sich 1880 auf 31037000 Mk, der der
Einfuhr nur auf 6749000
Mk. - Die Zahl der in den Handel kommenden eigentlichen
Anilinfarben ist schon ziemlich groß, noch viel größer ist
aber die Zahl der möglicherweise darstellbaren Farben dieser
Art. Die wichtigsten A. (sie sind unter ihren gebräuchlichsten
Namen beschrieben) sind folgende: Fuchsin (inkl. Rubin),
Hofmanns Violett, Jodgrün, Kaiserviolett, Anilinblau,
Alkaliblau, Wasserblau, Toluidinblau; die genannten Farben,
von denen viele wieder in verschiedenen Nummern und Nüancen
vorkommen, stammen sämtlich vom
Rosanilin
(s. d.) ab. Fernere Anilinfarben sind: Mauveïn, Safranin,
Viktoriagelb, Chrysanilin, Phosphin, Chrysoin, Emeraldin,
Chrysoidin, Phenylenbraun, Bismarckbraun, Anilingrau,
Methylanilingrün, Diphenylaminblau, Kännel, Aurantia, Indulin,
Malachitgrün und Tropäolin in verschiedenen Nüancen. Mit
Firnis, Glycerin oder Öl versetzte, oder in Täfelchen,
Bläschen etc. eingehende A. siehe Zolltarif im Anh. Nr.
5 a. Andre sind zollfrei.
Anilingrau. - Unter diesem Namen
erhält man verschiedene graue Farbstoffe, die gewöhnlich
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 20.