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Merck's Warenlexikon

Autorenkollektiv, Verlag von G. A. Gloeckner, Leipzig, Dritte Auflage, 1884

Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren.

Schlagworte auf dieser Seite: Schwefelleber

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Schwefelkohlenstoff - Schwefelleber

Dampfform durch glühende Kohlen streichen zu lassen. Die Apparate hierfür haben eine, in einem Ofen stehende, von unten zu beheizende Retorte von Thon oder Eisen, im letzteren Falle innen mit Thon ausgekleidet. Sie wird mit Holzkohle in haselnußgroßen Stückchen gefüllt und angefeuert, bis die Kohlen hell glühen. Es wird nun nach Bedarf ganzer Schwefel eingeworfen durch ein Rohr, das von außen in die Retorte und bis nahe an deren Boden führt und immer rasch wieder geschlossen wird. Der unter den Kohlen schmelzende und verdampfende Schwefel durchzieht dieselben, sättigt sich mit Kohlenstoff und die neue Verbindung zieht oben dampfförmig durch ein Knierohr ab, das durch eine Kühlvorrichtung geht. In einem zwischengelegten Gefäße schlägt sich erst der unverbunden mit fortgegangene Schwefel nieder; das übrige geht weiter, verdichtet sich tropfbar und sammelt sich in einer Vorlage unter Wasser, denn der S. ist schwerer als dieses und mischt sich nicht mit Wasser. - Auch durch Destillation eines Gemenges von Kohle mit gemahlenem Schwefelkies, Kupferkies oder Antimonglanz gewinnt man S. Das zunächst erhaltene gelbe Destillat ist aber noch nicht rein, sondern mit Schwefel beladen, den es in bloßer Lösung enthält. Durch ein nochmaliges Destillieren in gelinder Wärme treibt man das Flüchtige von dem Schwefel ab und hat nun eine farblose, stark lichtbrechende, daher im Glase buntes Farbenspiel zeigende Flüssigkeit, abstoßend durch einen widrigen Geruch nach faulen Rüben u. dgl., der jedoch nur dem nicht genügend gereinigten Präparate zukommt, während der Geruch des reinen S. viel weniger unangenehm ist. Trotz seiner spezifischen Schwere (1,271 bei 15° C.) ist der S. äußerst leicht flüchtig und höchst feuergefährlich, denn er entzündet sich schon bei Annäherung eines glimmenden Körpers, ohne daß dieser mit der Flüssigkeit selbst in Berührung zu kommen braucht. Es ist daher die höchste Vorsicht beim Umgange mit diesem Körper zu empfehlen. Der Geschmack desselben ist scharf gewürzhaft und kühlend. Die medizinische Wirksamkeit in sehr kleinen Gaben ist wohl noch nicht hinreichend festgestellt; mehr dient er zu reizenden Einreibungen auf die Haut. In etwas größern Gaben wirkt der Stoff als entschiedenes Gift. Auch seine Dünste, denen jetzt schon eine Menge Arbeiter in verschiednen technischen Zweigen ausgesetzt sind, werden häufig als gefährlich denunziert und sollen wenigstens Kopfschmerzen, heftiges Erbrechen, Gedächtnisschwäche und bei langer Einwirkung auch schlimmere Zufälle und langes Siechtum veranlassen. Nach andern Aussagen ist die Sache wieder nicht so schlimm; gute Ventilationsvorrichtungen können hier jedenfalls viel thun. Die hauptsächlichen Verwendungen des S. sind technische; sie gründen sich auf seine ausgezeichnete lösende Wirkung gegen allerlei Harze, Fette, Schwefel, Phosphor, Guttapercha, Kautschuk u. dgl. Die Verwendungen dieser Art haben sich in letzter Zeit sehr vermehrt und Fabrikation und Verbrauch des Artikels sind so gestiegen, daß er als eine Großhandelsware gelten kann, die nicht mehr nur in kleinen Flaschen, sondern en gros in großen eisernen Trommeln versandt wird. Die Preise der Ware sind demzufolge auch sehr niedrig geworden. Der Stoff dient zum Lösen und Erweichen von Kautschuk, Guttapercha, zum Ausziehen des Fettes aus Wolle, Knochen, Maschinenputzlappen, des Öls aus gepulverten Ölsaaten statt des Fressens, zur Extraktion von Gewürzen, welche Gewürzöle nachgehends im Gemisch mit Zucker, Salz, Gummi die sog. „löslichen Gewürze“ bilden. Große Mengen S. werden jetzt auch zur Herstellung der Rhodanverbindungen (s. Rhodankalium) verbraucht, etwas auch zur Bereitung von xanthogensaurem Kali. Bei den neuartigen chemischen Waschanstalten spielt der Stoff neben andern flüchtigen Mitteln, wie Benzin u. dgl., eine Rolle; Drucker und Färber, welche sich mit Aufarbeiten getragener Sachen beschäftigen, gebrauchen ihn zur Enfernung des Fettes und der Ölfarben, mit denen sie früher bedruckt waren. Alle extrahierten Öle und Fette lassen sich durch bloßes Erwärmen vom S. wieder gründlich befreien; natürlich wird dieses Abtreiben in den meisten Fällen in Form einer Destillation ausgeführt, um das Lösungsmittel für weitern Gebrauch zurückzugewinnen. In der Regel aber ergibt sich dabei ein bedeutender Ausfall; der Stoff ist zu flüchtig, um sich immer wieder vollständig verdichten zu lassen. Die vertilgende Wirkung des Stoffes auf allerhand kleines Ungeziefer ist auch erwähnenswert. Man reinigt damit z. B. Herbarien, indem man sie ein paar Tage mit beigegebenem S. in Kästen dicht einschließt. Der Tod aller Insekten, Larven und Eier erfolgt sicher. Reiner S. muß, ohne Rückstand zu hinterlassen, verdampfen und darf beim Zusammenschütteln mit Bleiweiß dieses nicht braun oder schwarz färben. - Die Beförderung des S. auf Eisenbahnen erfolgt ausschließlich in offenen Wagen ohne Deckung und nur mit den Feuerzügen: die Gefäße müssen cylindrisch sein und entweder aus Zinkblech bestehen oder aus starkem gehörig vernietetem und in den Nähten gut verlötetem Eisenblech bis zu höchstens 500 kg Inhalt. - Zollfrei.

Schwefelleber (Hepar sulphuris, frz. foie de soufre alcalin; engl. liver of sulphur). Diesen Namen führen im allgemeinen alle in Wasser löslichen Verbindungen des Schwefels mit Metallen. Da die Schwefelverbindungen der gewöhnlichen schweren Metalle unlöslich sind, so fallen in diese Klasse nur die der Alkalimetalle und der Metalle der erdigen Alkalien, also die des Kaliums, Natriums, Calciums etc. Im besondern bezeichnet der Name jedoch nur die Kalischwefelleber (Schwefelkalium, Kaliumsulphid, Kaliumsulfuret, Kalium sulphuratum, Hepar sulfuris kalinum), da diese die gewöhnlich gebräuchlichste ist. Sie wird erhalten durch Zusammenschmelzen von 2 Tln. trockner gepulverter Pottasche und 1¾ Tln. Schwefelblumen, bis die Masse ruhig fließt. Diese wird dann ausgegossen und nach dem Erkalten entweder sofort grob gepulvert und unter Verschluß gebracht, da ihr der Lufteinfluß verderblich ist, oder auch in ganzen Stücken aufbewahrt. Sie ist nicht das reine Schwefelkalium (das sich übrigens mit