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Illustrierte Kunstgeschichte

Johannes Emmer, Deutsche Volksbibliothek A.-G., Berlin, ohne Jahr [1901]

Schlagworte auf dieser Seite: Die Malerei des 16. Jahrhunderts

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Die Malerei des 16. Jahrhunderts.

empfänglich sind. Das Letztere möchte ich noch dahin erläutern, daß nicht in starken sinnfälligen Ausdrücken die jedem Menschen geläufigen Seelenregungen und Empfindungen verdeutlicht werden; sie sind von einer höheren Art, zwar mit den uns Gewohnten verwandt, aber veredelt und erhoben.

Im letzten Jahre seines Florentiner Aufenthaltes hatte Raphael, da Lionardo und Michelangelo die Stadt verlassen hatten, bereits die erste Stelle unter den Malern eingenommen, von denen keiner sich seinem Einflusse zu entziehen vermochte. Das "Schöne" hatte er in einer Weise klar und deutlich hingestellt, daß ein höheres Urbild aufzustellen unmöglich schien, und um das seine zu erreichen, man auch seine Wege einschlagen zu müssen glaubte.

Die Stanze. Im Jahre 1509 wurde Raphael nach Rom berufen, um die Prunkgemächer im Vatikan (stanze oder camere), zunächst den sogenannten Siegelsaal (stanza della segnatura) mit Gemälden zu schmücken. Hier hatte der Sienese Sodoma - von dem später die Rede sein wird - mit einigen anderen mit der Ausmalung begonnen, seine Arbeiten befriedigten jedoch nicht, und Raphael mußte sie beseitigen lassen. In dem Siegelsaal sollte nach den vom Papste getroffenen Anordnungen in sinnbildlichen Darstellungen die Theologie oder Religion, Philosophie oder menschliche Weisheit, Dichtkunst und Gerechtigkeit verherrlicht werden.

Es war dies eine Aufgabe, welche den Meister veranlaßte, seine Kunst nach einer anderen Seite hin zu erweitern. Bisher hatte er neben den Andachtsbildern der Madonnen u. A. nur noch Ebenbildnisse geschaffen, und bei diesen Arbeiten waren die Studien nach der Natur ausschlaggebend. Wohl hatte er schon in Perugia und Florenz auch die Antike in den Kreis seiner Betrachtung gezogen, sie aber in ihrer ganzen Bedeutung kennen zu lernen, war überhaupt nur in Rom möglich, zumal um diese Zeit man zahlreiche alte Kunstwerke aufgefunden hatte und mit weiteren Ausgrabungen sich beschäftigte. Für solche sinnbildliche Darstellungen, wie man sie wünschte, war nun die Antike geradezu vorbildlich, umsomehr, als die humanistische Gelehrsamkeit an dem päpstlichen Hofe herrschte und somit auch die Stoffe des antiken Sagenkreises in "Mode" gekommen waren. Mit der schon betonten außerordentlichen Sprungkraft seines Geistes eignete sich Raphael

^[Abb.: Fig. 524. Raphael: Die Messe von Bolsena.

Wandgemälde aus der Stanza d'Eliodoro. Rom, Vatikan.]